Ultrastark und ultraschnell
Intensive Wechselwirkung zwischen Materie und Licht lässt sich innerhalb eines Bruchteils der Schwingungsperiode anschalten
Intensive Wechselwirkung zwischen Materie und Licht lässt sich innerhalb eines Bruchteils der Schwingungsperiode anschalten
Normalerweise sehen sie sich nie wieder: ein Atom und ein von ihm abgestrahltes Photon. Befinden sich die beiden jedoch zwischen zwei Spiegeln in einem Hohlraumresonator hoher Güte, so kann das Atom das Photon immer wieder absorbieren und emittieren, bevor das Lichtteilchen schließlich doch verlorengeht. Atom und Photon „verschmelzen“ dabei miteinander und es tritt ein neuer atomarer Zustand auf. Bei dieser ultrastarken Wechselwirkung zwischen Licht und Materie, die man auch mit Quantenpunkten und in Halbleiterheterostrukturen beobachtet hat, zeigen sich neue Gesetzmäßigkeiten. Jetzt hat ein internationales Forscherteam nachgewiesen, dass diese Wechselwirkung auch ultraschnell ist und sich in weniger als einer Lichtschwingung einschalten lässt.
Wie schnell die ultrastarke Wechselwirkung von 0 auf 100 kommt, haben Rupert Huber an der Uni Konstanz und seine Kollegen aus Deutschland, Italien und Frankreich an einer Halbleiterheterostruktur untersucht. Sie bestand aus 50 identischen, 9 nm dicken undotierten Galliumarsenid-Quantengräben, die durch 30 nm dicke Aluminiumgalliumarsenid-Barrieren voneinander getrennt waren. Diese Schichtstruktur war nach oben und unten mit dickeren Halbleiterschichten abgeschlossen, sodass das Ganze einen Wellenleiter für gepulste Terahertzstrahlung bildete, die über ein Prisma ein- und wieder ausgekoppelt werden konnte. Anhand dieser Strahlung ließ sich verfolgen, wie stark und wie schnell das Licht und die Materie miteinander wechselwirkten.
Da die Quantengräben undotiert waren, enthielten sie normalerweise keine Leitungselektronen, die mit der eingekoppelten Strahlung hätten wechselwirken können. Das hatte zur Folge, dass die Strahlung in einem Energiebereich von 90 bis 140 meV den Wellenleiter nahezu unbeeinflusst passieren konnte. Dies änderte sich, als die Forscher die Schichtstruktur von oben her mit einem 12 fs langen Kontroll-Laserpuls bestrahlten, dessen Energie von 1,55 eV ausreichte, um Elektronen aus dem Valenzband der Halbleiterstruktur ins untere Leitungsband zu bringen. Diese Elektronen konnten nun mit der gepulsten Terahertzstrahlung wechselwirken und von ihr in das obere Leitungsband der Halbleiterstruktur gebracht werden. Dabei nahmen sie eine Energie von 113 meV auf.
Hatte der Kontrollpuls eine geringe Intensität, so konnte er nur wenige Elektronen anregen. Die Wechselwirkung zwischen diesen Elektronen und der Terahertzstrahlung fiel entsprechend schwach aus. Die wieder ausgekoppelte Strahlung war bei 113 meV, der Anregungsenergie der Elektronen, leicht abgeschwächt und zeigte dort ein Minimum. Je intensiver der Kontrollpuls war, umso stärker wechselwirkte die Terahertzstrahlung mit den Elektronen. Schließlich kam es zu Rabi-Oszillationen: Einzelne Elektronen wurden von der Strahlung mehrfach an- und wieder abgeregt. Diese Oszillationen führten dazu, dass die Elektronen mit den Terahertzphotonen von 113 meV zu Polaritonen verschmolzen, deren Energie kleiner oder größer als 113 meV sein konnte. Tatsächlich hatte die ausgekoppelte Terahertzstrahl jetzt zwei Minima, oberhalb und unterhalb von 113 meV, die immer weiter auseinander liefen, je intensiver der Kontrollpuls war. Die Wechselwirkung zwischen den Elektronen und der Strahlung war ultrastark geworden.
Doch wie viel Zeit brauchte die Wechselwirkung, um ultrastark zu werden? Die Forscher wiederholten ihr Experiment mit einem intensiven Kontrollpuls, der sehr viele Elektronen anregte. Dabei variierten sie das Zeitintervall zwischen den 12 fs langen Kontrollpuls und dem einige 100 fs langen Puls der Terahertzstrahlung, deren Schwingungsperiode etwa 37 fs betrug. Kam der Kontrollpuls zu spät, so konnte er keine starke Wechselwirkung ermöglichen. Kam er gleichzeitig mit dem Terahertzpuls an oder früher, so konnten die Elektronen ultrastark mit der Strahlung wechselwirken. Die ultrastarke Wechselwirkung zwischen Elektronen und Strahlung war demnach innerhalb von 12 fs angeschaltet worden, also deutlich schneller als die Schwingungsperiode der Strahlung. Das Experiment zeigt, dass elektrooptische Schalter, wie sie für die Telekommunikation benötigt werden, viel schneller arbeiten können als man zunächst gedacht hatte.
Der jetzt beobachtete ultraschnelle Anschaltvorgang ist in hohem Maße nichtadiabatisch. Neuere Theorien sagen dafür ungewöhnliche Strahlungsphänomene vorher. So könnten etwa virtuelle Photonen, die den Vakuumfluktuationen des Strahlungsfeldes zugrunde liegen, von solch ultraschnellen Vorgängen überrascht werden und zu realen, direkt beobachtbaren Photonen werden, ähnlich denen der Hawking-Strahlung von Schwarzen Löchern. Die vorhergesagten Photonenzahlen von etwa 1000 pro Strahlungspuls lassen einen experimentellen Nachweis möglich erscheinen.
RAINER SCHARF
Weitere Infos:
- Originalveröffentlichung:
G. Günter et al.: Sub-cycle switch-on of ultrastrong light–matter interaction. Nature 458, 178 (2009)
http://dx.doi.org/10.1038/nature07838 - Gruppe von Rupert Huber an der Uni Konstanz:
http://www.uni-konstanz.de/FuF/Physik/terahertz/home.htm - Gruppe von Alfred Leitenstorfer an der Uni Konstanz:
http://www.uni-konstanz.de/quantum-electronics
Weitere Literatur:
- Aji A. Anappara et al.: Light-matter excitations in the ultra-strong coupling regime
http://arxiv.org/abs/0808.3720 - S. De Liberato, C. Ciuti & I. Carusotto: Quantum vacuum radiation spectra from a semiconductor microcavity with a time-modulated vacuum Rabi frequency. Phys. Rev. Lett. 98, 103602 (2007)
http://arxiv.org/abs/cond-mat/0611282
AL