Umtriebige Gluonen
Kollisionsexperimente mit Protonen zeigen ungewöhnlich starke Fluktuationen der Gluonverteilung.
Protonen bestehen wie alle Baryonen aus drei Quarks, die dank ihrer Farbladung von Gluonen zusammengehalten werden. Gluonen besitzen ihrerseits eine Farbladung, weshalb sie nicht nur an Quarks, sondern auch an andere Gluonen koppeln können. Diese Eigenschaft verkompliziert nicht nur alle quantenchromodynamischen Berechnungen, sie sorgt auch für überraschende Strukturen im Inneren von Baryonen. Je höher die verfügbare Energie, etwa bei einer Kollision von Atomkernen oder Streuexperimenten, desto stärker werden solche Effekte sichtbar – und zwar auf höherer Ordnung, je kürzer die Zeitskala und je höher die Energie der beteiligten Teilchen. So kann ein Gluon als virtuelles Teilchen sich unter Erhaltung der Farbladung in ein Gluonenpaar aufspalten, das wieder von einem anderen Gluon absorbiert wird.
Abb.: Gluonen-Dichte eines Protons auf kurzen Zeitskalen (rot: hohe Dichte, blau: niedrige Dichte; Bild: H. Mäntysaari & B. Schenke)
Diese im Prinzip unendliche Gluonspalterei lässt sich mit Hilfe effektiver Feldtheorien zwar ganz gut beschreiben – doch beantwortet das noch nicht die Frage, wie genau die Verteilung der Gluonen etwa in einem Proton aussieht. Eine andere wichtige Frage ist, ob schwere Atomkerne sich hinsichtlich ihrer Gluonverteilung eher wie ein loses Konglomerat von Protonen und Neutronen verhalten – bei dem etwa jedes Proton oder Neutron eine gaußähnliche Gluonverteilung besitzt – oder ob es sich hier nicht doch um eine ganz andere Art von hadronischem Objekt mit einer eigenen Gluonverteilung handelt.
Zwei Forscher des Brookhaven National Laboratory in New York haben sich jetzt anhand alter Daten vom HERA-
„Die Wahrscheinlichkeit für Prozesse, in denen das J/Psi-
Auf das Problem stießen die beiden Forscher, als sie Daten aus Proton-
Das Interessante dabei: Es kommt nicht auf den Typ der Kollision oder der Streuung an, welche Gluonverteilung sich zeigt. Sowohl bei direktem Aufeinanderprall von Protonen und Bleikernen und starker Wechselwirkung als auch bei ultraperipheren Kollisionen, bei denen nur ein virtuelles Photon ausgetauscht wird, macht sich die flatterhafte Natur der Gluonen bemerkbar.
Die Berechnungen von Mäntysaari und Schenke spielen aber nicht nur zum Verständnis früherer Experimente eine Rolle – schließlich ist HERA im Jahr 2007 in den wohlverdienten Ruhestand gegangen. Neben dem LHC werden auch andere Experimente hierzu Daten liefern. So soll am Brookhaven Lab oder am Jefferson Lab in den nächsten zehn Jahren der Electron Ion Collider (EIC) entstehen, der dann mit unerreichter Detailtreue die Struktur von Hadronen aufklären und damit ein neuartiges Verständnis der starken Wechselwirkung erlauben soll. Eine möglichst exakte Modellierung der Gluonverteilung ist wichtig, um den Beschleunigerring und die Detektoren so zu designen, dass sich bei Kollisionsprozessen auch brauchbare Daten nehmen lassen. Das Problem liegt hierbei darin, dass die Kollisionsfragmente sich nahe entlang des Strahlrohrs bewegen und deshalb sehr schwer zu messen sind.
Bei Experimenten mit schweren Kernen entstehen viele Neutronen, die sich hinter der nächsten Biegung des Strahlrohrs detektieren lassen. Bei Protonen hingegen bewegen sich die entstehenden Fragmente noch näher an der Strahlachse und bestehen aus verschiedenen, mitunter kurzlebigen Teilchen, was hohe Anforderungen an den Detektorbau beim EIC stellt. Beide Arten von Messungen werden aber nötig sein, um letztlich sowohl die Fluktuationen der Gluonverteilung als auch die Fluktuation der Nukleonpositionen besser verstehen zu können. Aber auch Daten von Proton-
Dirk Eidemüller
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RK