Unberechenbare Nanopartikel
Verhalten von Kleinstteilchen in der Umwelt ist äußerst komplex.
Die Nanotech-Industrie boomt. Jährlich werden weltweit mehrere Tausend Tonnen künstliche Nanotpartikel hergestellt. Ein Teil davon gelangt früher oder später in Gewässer und Böden. Was dort mit ihnen genau geschieht, können selbst Experten nur schwer sagen. Die Frage ist komplex, denn es gibt viele verschiedene Arten von künstlichen Nanopartikeln. Und vor allem: Die Partikel verhalten sich in der Umwelt je nach herrschenden Bedingungen völlig unterschiedlich. Ein Forscherteam um Martin Scheringer von der ETH Zürich hat versucht, Licht in dieses Dunkel zu bringen. Die Wissenschaftler suchten in 270 wissenschaftlichen Studien und den beinahe 1000 darin erwähnten Laborexperimenten zum Verhalten von künstlichen Nanopartikeln nach Mustern – mit dem Ziel, allgemeingültige Voraussagen zum Verhalten der Partikel zu machen.
Abb.: Auswertung der in der Literatur veröffentlichten Daten mit einer Netzwerk-
Den Forschern präsentierte sich beim Kombinieren der Daten jedoch ein sehr uneinheitliches Bild. „Der Sachverhalt ist komplexer, als das wohl viele Wissenschaftler noch vor Jahren vorausgesagt hätten“, sagt Scheringer, „und wir müssen einsehen, dass wir mit den uns heute zur Verfügung stehenden Daten noch kein einheitliches Bild zeichnen können.“ Künstliche Nanopartikel erweisen sich als sehr dynamisch und sie sind sehr reaktionsfreudig. Die Teilchen heften sich an alles, was sie finden: an andere Nanopartikel, um mit ihnen Agglomerate zu bilden, oder andere in der Umwelt vorhandene Moleküle.
Womit genau die Teilchen reagieren und wie schnell, hängt von verschiedenen Faktoren ab: dem Säuregrad von Wasser oder Boden, der Konzentration der vorhandenen Mineralstoffe und Salze und vor allem der Zusammensetzung der im Wasser gelösten oder im Boden vorhandenen organischen Moleküle. Außerdem macht die Tatsache, dass künstliche Nanopartikel oft oberflächenbeschichtet sind, die Sache noch komplizierter. Denn je nach Umweltbedingungen behalten oder verlieren die Partikel ihre Beschichtung, was wiederum ihr Reaktionsverhalten beeinflusst.
„Wären strukturierte, konsistentere und ausreichend diverse Daten vorhanden, wäre es denkbar, mit den Methoden des maschinellen Lernens allgemeingültige Muster zu entdecken“, sagt Scheringer. „Wir sind allerdings noch nicht an diesem Punkt.“ Die vorhandenen Daten seien wenig divers, wenig konsistent und wenig strukturiert. Zunächst müssten daher ausreichend strukturierte Experimentaldaten vorhanden sein.
Neben der mangelnden Systematik gibt es noch ein zweites Problem beim Erforschen des Verhaltens von künstlichen Nanopartikeln: Viele künstliche Nanopartikel bestehen aus chemischen Elementen und Verbindungen, die natürlicherweise in der Umwelt vorkommen. Künstliche Teilchen in der Umwelt von natürlichen zu unterscheiden, war mit bisherigen Messmethoden schwierig. Ein Team um Detlef Günther von der ETH Zürich hat jüngst jedoch eine leistungsfähige Methode etabliert, mit der eine solche Unterscheidung in Routineuntersuchungen möglich wird. Die Wissenschaftler nutzten dazu eine topmoderne und hochempfindliche Massenspektrometrie-
In Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Uni Wien wandten die ETH-
ETH / RK