30.04.2021

Undurchlässig, fest und günstig

Hybridrohre aus Edelstahl und faserverstärktem Kunststoff für das Vakuumsystem des Einstein-Teleskops verbinden wünschenswerte Eigenschaften.

Für Anwendungen in extremem Hochvakuum, wie beim geplanten europäischen Einstein-Teleskop zum Aufspüren von Gravitationswellen, werden üblicherweise Rohre aus Edelstahl verwendet. Diese sind jedoch relativ teuer. Ein Forschungs­team des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT aus Aachen hat nun für diesen Einsatzzweck ein hybrides Rohr entwickelt, das nur noch eine dünne Funktions­schicht aus Edelstahl enthält. Die geforderte Stabilität gewährleistet eine Umwicklung aus wesentlich günstigerem glasfaser­verstärktem Kunststoff. Die Basis dafür ist ein Fertigungs­verfahren, das die Aachener Produktions­experten für die Serienfertigung in der Automobil­industrie entwickelt haben.

 

Abb.: Hybridbauteil aus glasfaser­verstärktem Kunststoff mit einer dünnen...
Abb.: Hybridbauteil aus glasfaser­verstärktem Kunststoff mit einer dünnen Funktions­schicht aus Edelstahl (Bild: Fh.-IPT)

Das Fraunhofer IPT fertigte die Rohre aus dem Verbund­material von faser­verstärktem Kunststoff und Edelstahl für das III. Physikalische Institut B der RWTH Aachen im Rahmen von Forschungs­arbeiten für ein Einstein-Teleskop, um das sich die Aachener Euregio als Standort bewirbt. Mit solch einer Anlage aus hoch­empfindlichen Detektoren, die durch drei mehr als zehn Kilometer lange, unterirdische Rohre verbunden sind, wollen die Physiker Gravitations­wellen aufspüren und neue Erkenntnisse über die Ursprünge des Universums gewinnen.

Die hybriden Rohre, die im Fall des Gravitations­wellendetektors in einer Tiefe von bis zu 300 Metern unter der Erde installiert werden sollen, müssen stabil gefertigt sein und ein Eindringen von Gasen, vor allem von Wasserstoff verhindern, weil im Inneren während des empfindlichen Experiments ein extremes Vakuum herrscht. Dafür müssen die Rohre mit einer inneren Funktions­schicht aus Edelstahl versehen werden.

Bei der Herstellung des Verbundmaterials bearbeiten die Aachener Wissenschaftler deshalb zunächst die Oberfläche des dünnen Edelstahlrohrs mit einem Verfahren, das sie ursprünglich für die Großserienfertigung von Multi­material-Komponenten in der Automobilindustrie entwickelt haben: Mit einem Laser bringen sie gezielt Vertiefungen und Strukturen von 20 bis 40 Mikrometern Tiefe in das Metall ein, um die Haftung der beiden Materialien aneinander zu verbessern. Anschließend umwickeln sie das Stahlrohr mit Bändern aus faser­verstärktem Kunststoff. Zum Einsatz kommen dafür sogenannte Towpregs – lange Bänder aus Glasfasern, die mit einem zähflüssigen Epoxidharz getränkt und sehr kostengünstig sind. Der Wickel­prozess selbst ist vollständig automatisiert und wird mit der am Fraunhofer IPT eigens entwickelten PrePro-3D-System­technologie durchgeführt. Zum Abschluss härtet das fertig umwickelte Rohr in einem Ofen aus.

Das Hybridrohr wurde für das III. Physikalische Institut B der RWTH Aachen auf einem Ultrahoch­vakuum­prüfstand erfolgreich getestet. Um die langfristige Funktionalität unter den extremen Bedingungen des Einstein-Teleskops zum Aufspüren von Gravitations­wellen nachweisen zu können, sind weitere Tests geplant.

Die am Fraunhofer IPT entwickelte PrePro-3D-Anlagen­technologie ermöglicht es, Hybridbauteile in einem Wickel­prozess aus faser­verstärkten, unidirektionalen Band­materialien (UD-Tapes) herzustellen. Die Technologie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr unterschiedliche Material­typen verarbeiten kann. Die im Vergleich kosten­günstigeren Towpregs bieten eine Alternative zu konventionellen UD-Tapes mit thermo­plastischer und Duromer-Matrix, die über eine genauere Maßhaltigkeit verfügen.

Neben Kostenvorteilen im Vergleich zu rein metallischen Rohren, wie sie bei dem Hochvakuum­rohr für das Einsteinteleskop verwendet werden, eröffnen sich weitere Anwendungsfälle, wie für die Herstellung medien­beständiger Leichtbaurohre für die Öl- und Gasindustrie oder die chemische Industrie. Darüber hinaus kann die Technologie auch für die günstige Herstellung von Drucktanks, etwa für wasserstoff­betriebene Fahrzeuge, eingesetzt werden.

Fh.-IPT / DE

 

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