Undurchlässig, fest und günstig
Hybridrohre aus Edelstahl und faserverstärktem Kunststoff für das Vakuumsystem des Einstein-Teleskops verbinden wünschenswerte Eigenschaften.
Für Anwendungen in extremem Hochvakuum, wie beim geplanten europäischen Einstein-Teleskop zum Aufspüren von Gravitationswellen, werden üblicherweise Rohre aus Edelstahl verwendet. Diese sind jedoch relativ teuer. Ein Forschungsteam des Fraunhofer-Instituts für Produktionstechnologie IPT aus Aachen hat nun für diesen Einsatzzweck ein hybrides Rohr entwickelt, das nur noch eine dünne Funktionsschicht aus Edelstahl enthält. Die geforderte Stabilität gewährleistet eine Umwicklung aus wesentlich günstigerem glasfaserverstärktem Kunststoff. Die Basis dafür ist ein Fertigungsverfahren, das die Aachener Produktionsexperten für die Serienfertigung in der Automobilindustrie entwickelt haben.
Das Fraunhofer IPT fertigte die Rohre aus dem Verbundmaterial von faserverstärktem Kunststoff und Edelstahl für das III. Physikalische Institut B der RWTH Aachen im Rahmen von Forschungsarbeiten für ein Einstein-Teleskop, um das sich die Aachener Euregio als Standort bewirbt. Mit solch einer Anlage aus hochempfindlichen Detektoren, die durch drei mehr als zehn Kilometer lange, unterirdische Rohre verbunden sind, wollen die Physiker Gravitationswellen aufspüren und neue Erkenntnisse über die Ursprünge des Universums gewinnen.
Die hybriden Rohre, die im Fall des Gravitationswellendetektors in einer Tiefe von bis zu 300 Metern unter der Erde installiert werden sollen, müssen stabil gefertigt sein und ein Eindringen von Gasen, vor allem von Wasserstoff verhindern, weil im Inneren während des empfindlichen Experiments ein extremes Vakuum herrscht. Dafür müssen die Rohre mit einer inneren Funktionsschicht aus Edelstahl versehen werden.
Bei der Herstellung des Verbundmaterials bearbeiten die Aachener Wissenschaftler deshalb zunächst die Oberfläche des dünnen Edelstahlrohrs mit einem Verfahren, das sie ursprünglich für die Großserienfertigung von Multimaterial-Komponenten in der Automobilindustrie entwickelt haben: Mit einem Laser bringen sie gezielt Vertiefungen und Strukturen von 20 bis 40 Mikrometern Tiefe in das Metall ein, um die Haftung der beiden Materialien aneinander zu verbessern. Anschließend umwickeln sie das Stahlrohr mit Bändern aus faserverstärktem Kunststoff. Zum Einsatz kommen dafür sogenannte Towpregs – lange Bänder aus Glasfasern, die mit einem zähflüssigen Epoxidharz getränkt und sehr kostengünstig sind. Der Wickelprozess selbst ist vollständig automatisiert und wird mit der am Fraunhofer IPT eigens entwickelten PrePro-3D-Systemtechnologie durchgeführt. Zum Abschluss härtet das fertig umwickelte Rohr in einem Ofen aus.
Das Hybridrohr wurde für das III. Physikalische Institut B der RWTH Aachen auf einem Ultrahochvakuumprüfstand erfolgreich getestet. Um die langfristige Funktionalität unter den extremen Bedingungen des Einstein-Teleskops zum Aufspüren von Gravitationswellen nachweisen zu können, sind weitere Tests geplant.
Die am Fraunhofer IPT entwickelte PrePro-3D-Anlagentechnologie ermöglicht es, Hybridbauteile in einem Wickelprozess aus faserverstärkten, unidirektionalen Bandmaterialien (UD-Tapes) herzustellen. Die Technologie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sehr unterschiedliche Materialtypen verarbeiten kann. Die im Vergleich kostengünstigeren Towpregs bieten eine Alternative zu konventionellen UD-Tapes mit thermoplastischer und Duromer-Matrix, die über eine genauere Maßhaltigkeit verfügen.
Neben Kostenvorteilen im Vergleich zu rein metallischen Rohren, wie sie bei dem Hochvakuumrohr für das Einsteinteleskop verwendet werden, eröffnen sich weitere Anwendungsfälle, wie für die Herstellung medienbeständiger Leichtbaurohre für die Öl- und Gasindustrie oder die chemische Industrie. Darüber hinaus kann die Technologie auch für die günstige Herstellung von Drucktanks, etwa für wasserstoffbetriebene Fahrzeuge, eingesetzt werden.
Fh.-IPT / DE