07.07.2017

Ungewöhnliches Planetensystem um schnell rotierenden Stern

Entdeckung wirft neue Fragen zur Entstehung von Planeten auf.

Frei nach Isaac Asimov kündigt sich wissenschaftlicher Fort­schritt häufig nicht mit einem „Eureka!“ sondern eher mit „Hm, das ist sonder­bar...“ an. Das neu ent­deckte Planeten­system HIP 65426 ist ein Beispiel dafür: Mit einem extrem schnell rotie­renden Zentral­stern, dem Fehlen der Gas­scheibe, die man für ein nur 14 Millionen Jahre altes System erwarten würde, und mit einem ver­gleichs­weise masse­armen, weit vom Stern ent­fernten Planeten wider­spricht HIP 65426 einer ganzen Anzahl astro­no­mischer Erwar­tungen. Wie konnte ein solch unge­wöhn­liches System über­haupt ent­stehen?

Abb.: Abbildung des Planeten HIP 65426 (links unten), auf­ge­nommen mit dem SPHERE-Instru­ment. SPHERE blendet dabei das Licht des Zentral­sterns in der Bild­mitte aus (einge­zeich­neter Kreis; Bild: G. Chauvin et al. / SPHERE)

Allgemein entstehen Planeten in rotierenden Scheiben aus Gas und Staub, die junge Sterne umgeben. In den jungen Planeten­systemen, die man bis­lang kennt sind die Reste dieser Scheiben nach wie vor sicht­bar. Außer­dem besteht üblicher­weise ein Zusammen­hang zwischen den Massen: Masse­reiche Sterne haben masse­reichere Scheiben, in denen sich dann auch masse­reichere Planeten bilden. Der jetzt bei dem Stern HIP 65426 ent­deckte Planet passt nicht in dieses Muster.

Die Entdeckung von HIP 65426b gelang einem internationalen Team von Astro­nomen mit dem SPHERE-Instru­ment am Very Large Tele­scope der ESO in Chile. Der Zentral­stern HIP 65326 ist Mit­glied in der Scorpius-Centaurus-Assozi­ation mit drei­tausend bis fünf­tausend unge­fähr gleich alten Sternen, fast vier­hundert Licht­jahre von der Erde ent­fernt. Wendet man astro­no­mische Alters­bestim­mungs-Tech­niken auf HIP 65426 und seine unmittel­baren Nach­barn an, dann erhält man für den Stern ein Alter von nur rund 14 Millionen Jahren.

„Wir würden erwarten, dass ein so junges Planetensystem noch seine Staub­scheibe besitzt, die man in den Beob­ach­tungen dann auch sehen sollte“, sagt Gael Chauvin von der Univer­sität Grenoble und der Univer­sidad de Chile. „Aber soweit wir sehen können, besitzt HIP 65426 keine solche Staub­scheibe – ein erstes An­zeichen dafür, dass das System nicht so recht zu den klassi­schen Modellen der Planeten­ent­stehung passt."

Dann ist da noch der Planet HIP 65426b. Im Vergleich der Beob­ach­tungen mit ent­spre­chenden Modellen dürfte es sich um einen jupiter­ähn­lichen Planeten handeln, mit einer Tempe­ratur zwischen 1300 und 1600 Kelvin, dem andert­halb­fachen Jupiter­radius und zwischen sechs und zwölf Mal der Jupiter­masse. HIP 65426b wäre damit wie Jupiter ein Gas­riese mit einem festen Kern, umgeben von dicken Gas­schichten. Unter­suchungen mit dem zu SPHERE gehö­rigen Spektro­graphen deuten auf die Anwesen­heit von Wasser­dampf und röt­lichen Wolken hin, ähn­lich wie bei Jupiter. Der Planet hat eine große Ent­fernung vom Zentral­stern, nämlich rund hundert Astro­no­mische Ein­heiten.

Auch das ist auf unterschiedlichen Ebenen sonderbar. Sterne vom gleichen Typ wie HIP 65426 haben etwa das Doppelte der Sonnen­masse. Bislang wurde ange­nommen, dass ein solcher masse­reicher Stern deut­lich masse­reichere Riesen­planeten um sich haben sollte als HIP 65426b. Riesen­planeten eines solchen Sterns würden Astro­nomen zudem auch nicht so weit draußen vermuten wie in diesem Fall.

Nicht zuletzt hat auch der Zentralstern eine ungewöhnliche Eigen­schaft. Aus Spektren, die mit dem HARPS-Spektro­graphen der ESO aufge­nommen wurden, kann man erschließen, dass er etwa 150 Mal so schnell um seine eigene Achse rotiert wie die Sonne. Bislang kennen Astro­nomen nur einen ein­zigen weiteren Stern dieses Typs, der derart schnell rotiert, und dieser weitere Stern ist Teil eines Doppel­stern­systems. Bei einem Doppel­stern kann sich die Rota­tion eines der Sterne mehr und mehr beschleu­nigen, wenn er Materie des anderen Sterns auf sich zieht. Wie ein ein­zelner Stern zu so hoher Dreh­geschwin­dig­keit kommen konnte, ist erklä­rungs­bedürftig.

Bislang können die Astronomen nur vermuten, wie die ungewöhn­lichen Eigen­schaften des Systems zustande gekommen sind. Ein mög­liches Szenario ent­spräche einem regel­rechten Planeten­system-Drama: Der Planet HIP 65426b hätte sich deut­lich näher an seinem Zentral­stern gebildet als es seinem jetzigen Abstand ent­spricht, was seine geringe Masse erklärt. Und noch ein weiteres masse­reiches Objekt wäre in diesem Szenario in dem System ent­standen. Später wären sich die beiden Objekte so nahe gekommen, dass HIP 65426b nach außen geschleu­dert worden wäre, was seinen großen Abstand zum Zentral­stern erklärt. Der andere Körper wäre nach innen geschleu­dert worden und mit dem Stern ver­schmolzen, was dessen rasche Rota­tion erklärt. Die quer durch das System geschleu­derten Körper könnten die Scheibe destabi­li­siert haben und so erklären, warum die Scheibe nicht mehr zu beob­achten ist. Eine alter­natives Szenario wäre, wenn sowohl der Stern als auch sein Planet durch die Fragmen­tierung ein und der­selben Materie­wolke ent­standen wären – womit zu erklären bliebe, warum die proto­planetare Scheibe des Systems so kurz­lebig war, dass sie nicht mehr zu beob­achten ist.

Zuverlässigere Erklärungen wird es erst geben, wenn weitere Beob­ach­tungen und Simu­la­tionen durch­ge­führt sind. Das Ergeb­nis dürfte auch unser all­ge­mei­neres Ver­ständ­nis dafür ver­bessern, wie Gas­riesen ent­stehen, sich ent­wickeln und möglicher­weise inner­halb des Planeten­systems migrieren. Das wiederum ist von grund­le­gender Bedeu­tung für unser Ver­ständ­nis der Ent­stehung von Planeten­systemen im Allge­meinen: Vom Zentral­stern abge­sehen steckt die meiste Masse eines Planeten­system in solchen Gas­riesen, deren Anwesen­heit und Eigen­schaften auch die Ent­stehung ihrer masse­ärmeren Ver­wandten beein­flussen, etwa von erd­ähn­lichen Planeten und Super­erden.

MPIA / RK

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