09.02.2006

Ungleiche Strahlung

Hochenergetische kosmische Strahlung ist im Zentrum der Milchstrasse intensiver als in der Nähe der Erde.




Hochenergetische kosmische Strahlung ist im Zentrum der Milchstrasse intensiver als in der Nähe der Erde.

Den Astrophysikern des internationalen H.E.S.S.-Projekts ist es gelungen, extrem hochenergetische Gammastrahlung aus der Richtung von riesigen Gaswolken im galaktischen Zentrum nachzuweisen. Derartige Strahlung wird bei der Kollision von hochrelativistischen Teilchen der kosmischen Strahlung mit interstellaren Gaswolken erwartet. Die Messungen des Teams zeigen, dass die kosmische Strahlung im Zentrum der Milchstraße deutlich intensiver und energiereicher ist als in unserem Sonnensystem. Ursache der stärkeren Strahlung könnte eine Sternexplosion vor 10.000 Jahren sein. Die Forscher - unter ihnen auch Wissenschaftler vom Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg - veröffentlichen ihre Beobachtungen und mögliche Erklärungen des Phänomens in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts „Nature“.

Die kosmische Strahlung besteht aus hochenergetischen Teilchen, die den Weltraum durchdringen. Sie bombardieren ständig die Erdatmosphäre aus allen Richtungen und haben weit höhere Energien als man sie mit heutigen Teilchenbeschleunigern erreichen kann. Seit ihrer Entdeckung durch Victor Hess im Jahre 1912 und trotz eines Jahrhunderts intensiver Forschung ist ihr Ursprung noch immer nicht vollständig geklärt.

Mit dem H.E.S.S.-Teleskop in Namibia ist es nun erstmals gelungen, hochenergetische Gammastrahlung von einem Komplex von Gaswolken nahe dem Zentrum unserer Milchstraße nachzuweisen. Diese Wolken bestehen überwiegend aus Wasserstoff und haben eine Masse, die etwa 50 Millionen Mal so groß ist wie die unserer Sonne. Dank der hohen Empfindlichkeit der H.E.S.S.-Teleskope konnten die Astronomen die Dichte und die Energie der von den Gaswolken emittierten Gammastrahlung messen. Da die Gammastrahlung bei der Kollision der kosmischen Strahlung mit den Gaswolken entsteht, konnten die Forscher aus ihrer Verteilung auf die Intensität und Energie der kosmischen Strahlung schließen.

Abb.: Das galaktische Zentrum im Licht hochenergetischer Gammastrahlen. Im oberen Bild dominieren zwei Quellen: HESS J1745-290 genau im Zentrum der Milchstraße und im Abstand von etwa einem Grad der Supernovaüberrest G0.9+0.1. Nach Subtraktion der beiden starken Quellen zeigt sich im unteren Bild die viel schwächere Gamma-Emission entlang der galaktischen Ebene, sowie eine weitere mysteriöse Quelle: HESS J1745-303. (Quelle: H.E.S.S.-Kooperation)

Die H.E.S.S.-Daten zeigen zur Überraschung der Forscher, dass die Dichte der kosmischen Strahlung im Zentrum unserer Galaxie erheblich größer ist als in unserem Sonnensystem. Außerdem ist der Unterschied umso größer, je höher die Energie der Strahlung ist. Diese beiden Beobachtungen lassen darauf schließen, dass sich in der Nähe der Gaswolken ein „junger“ Beschleuniger der kosmischen Strahlung befindet, der vor etwa 10.000 Jahren aktiv war. Mögliche Kandidaten für diesen Beschleuniger sind eine Sternexplosion oder das supermassive Schwarze Loch im Zentrum unserer Milchstraße.

H.E.S.S. besteht aus vier gekoppelten Spiegelteleskopen mit je 13 Metern Durchmesser und ist das zurzeit empfindlichste Instrument zum Nachweis von extrem hochenergetischer Gammastrahlung. Diese Strahlung wird beim Eintritt in die Atmosphäre absorbiert, wobei ein Teilchenschauer entsteht, der wiederum einen sehr kurzen, bläulichen Lichtblitz emittiert, das so genannte Tscherenkow-Licht mit einer Dauer von nur wenigen Milliardstel Sekunden. Die Teleskope fokussieren diese sehr schwachen Lichtblitze mit ihren großen Spiegeln auf hochempfindliche Kameras. Aus den Bildern eines jeden Schauers lassen sich die Richtung und die Energie der einzelnen Gamma-Quanten rekonstruieren. Die H.E.S.S.-Teleskope können Gamma-Quanten mit Energien von bis zu tausend Milliarden Elektronenvolt (Teraelektronenvolt, TeV) nachweisen. Durch Überlagerung der Richtungen am Himmel entstehen schließlich die Bilder von astronomischen Objekten im Licht der TeV-Gammastrahlung.

Das H.E.S.S.-Teleskop wurde von mehr als einhundert Wissenschaftlern und Technikern aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, der Tschechischen Republik, Armenien, Südafrika und dem Gastgeberland Namibia entwickelt und im September 2004 eingeweiht.

Rainer Kayser

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • V. L. Ginzburg (Hrsg.), Astrophysics of Cosmic Rays,( North Holland, Amsterdam, 1990). 
  • F.A. Aharonian et al., The H.E.S.S. survey of the Inner Galaxy in very high energy gamma-rays, Astrophysical Journal (im Druck), Preprint:
    http://arXiv.org/astroph/0510397

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