Universelle Quark-Gluon-Bremse
Im Widerspruch zu gängigen Modellen bremst ein Quark-Gluon-Plasma verschieden schwere Quarks ähnlich stark.
In den ersten millionstel Sekunden nach dem Urknall bestand die Materie in unserem Universum aus einem extrem heißen und dichten Plasma, dem sogenannten Quark-Gluon-Plasma. Bei den außergewöhnlichen Bedingungen, die bei solch hohen Energiedichten vorherrschen, löst sich das „Confinement" der Quarks und Gluonen auf, das diese Teilchen zu Hadronen zusammenhält. Stattdessen besteht ein solches Plasma aus mehr oder weniger frei beweglichen Quarks und Gluonen – man spricht auch von „Deconfinement".
Abb.: Bei der Kollision zweier hochenergetischer Teilchen fliegen ihre Bestandteile in entgegengesetzte Richtungen davon (oben). Entstehen solche Jets in einem äußerst kurzlebigen Quark-Gluon-Plasma, kann dieses einen der beiden Jets auslöschen, wie unten zu sehen. (Bild: APS / A. Stonebraker)
Die heute leistungsfähigsten Teilchenbeschleuniger können ein Quark-Gluon-Plasma mit Hilfe von Schwerionen-Kollisionen erzeugen. Die Nachweismethoden sind aufgrund der sehr kurzen Lebensdauer solcher Plasmen von rund 10−21 Sekunden jedoch vorwiegend indirekt. Eine interessante Möglichkeit beruht auf der Analyse von gegenläufigen Jets. Diese entstehen, wenn einzelne Partonen der an der Kollision beteiligten Teilchen besonders stark wechselwirken und dadurch hohe transversale Impulse erreichen. Dabei lässt sich beobachten, wie einer der beiden Jets im Quark-Gluon-Plasma entweder gebremst oder sogar völlig gestoppt wird.
Forscher der CMS-Kollaboration, des Großdetektors Compact Muon Solenoid am Genfer Large Hadron Collider, haben bei der Analyse solcher Jet-Daten nun Überraschendes festgestellt: Die heiße Quark-Suppe bremst offensichtlich leichte wie schwere Quarks ähnlich stark ab.
Abb.: Der CMS-Detektor (Compact Muon Solenoid) am CERN. (Bild: D. Salvagnin)
Computersimulationen, beispielsweise durch Ab-initio-Rechnungen, sind in der Quantenchromodynamik aufgrund ihrer Komplexität enorm schwierig; daher sind Experimente wie dieses unerlässlich zum Studium des frühen Universums. Die Forscher arbeiteten mit Blei-Blei-Kollisionen bei einer Schwerpunktsenergie von 2,76 TeV pro Nukleonenpaar. Dabei beobachteten sie Jets mit transversalen Impulsen von 80 bis 250 GeV/c.
Hierbei gelang es den CMS-Wissenschaftlern zum ersten Mal, die Bremskraft des Plasmas auf schwere b-Quarks zu untersuchen. Und obwohl diese rund tausendfach schwerer sind als die leichten up-Quarks, war die Bremswirkung ähnlich. Dies steht im Widerspruch zu gängigen Modellen, die das Quark-Gluon-Plasma entweder als perfekte Flüssigkeit oder als Gas beschreiben. Stattdessen scheint die Physik von Quark-Gluon-Plasmen sich auf unterschiedlichen Längenskalen anders zu verhalten: Auf den kurzen Distanzen, wie man sie nun mit Hilfe der Jets untersucht hat, legen die Daten eine schwache Kopplung nahe. Über größere Strecken jedoch kommen kollektive Vielteilcheneffekte ins Spiel, die eine stärkere Kopplung bewirken. Diese Skalenabhängigkeit ergibt sich wohl als Konsequenz der asymptotischen Freiheit.
Dirk Eidemüller
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PH