16.07.2014

Universelle Turbulenzen

Lang vermutete Hypothese zur Universalität der Wirbelbewegung nun für drei Strömungen bestätigt.

Turbulenzen begegnen uns im Alltag auf Schritt und Tritt. Sei es die starke Windböe vor einem heftigen Sommergewitter, der Strahl aus dem Wasserhahn oder das kochende Wasser für das sonntägliche Frühstücksei. Kein Lüftchen weht jedoch, wenn das notwendige atmosphärische Druckgefälle fehlt. Erst die anhaltende Wärmezufuhr der Heizplatte bringt das Wasser im Topf zum Kochen. Die Mechanismen, die Turbulenzen verursachen und aufrecht halten, sind also sehr verschieden. In der überwiegenden Zahl der Beispiele erfolgt dieser „Antrieb“ auf Längen, die den Abmes­sungen des turbulenten Strömungs­systems selbst entsprechen. Große Turbulenz­wirbel entstehen durch diesen Antrieb, sie reiben sich aneinander und zerfallen in einem ständigen Kommen und Gehen. Dabei geben sie ihre Bewegungsenergie an kleinere Wirbel – ihre „Bruchstücke“ – weiter, die diesen Schwung wiederum nahezu verlustfrei zu noch kleineren Wirbeln mittels derselben Prozesse durchreichen. Diese Abwärtskaskade erzeugt immer fein­gliedrigere Scher­schichten zwischen den zerfallenden Wirbeln. Dabei handelt es sich um lokalisierte dünne Schichten in denen sich die Geschwindigkeit über kleinen Distanzen stark ändert.

Abb.: Momentaufnahmen der Scherschichten (langgezogene „Bergrücken“) in Schnittebenen durch drei unterschiedliche turbulente Strömungen. (Bild: TU Ilmenau)

Die Kaskade der Bewegungs­energie hört erst auf, wenn die Wirbel so klein sind, dass die molekulare Zähigkeit des turbulenten Mediums bedeutend wird und die Wirbelbewegung in Wärme wandelt. In Windböen ist das bei etwa einem Millimeter der Fall. Je stärker die Turbulenzen sind, desto größer ist der so genannte inertiale Kaskaden­bereich zwischen den größten und kleinsten Wirbeln.

In der Strömungs­forschung möchte man sich von allen spezifischen Eigen­schaften der Turbulenzen lösen, um ihrer eigentlichen Natur auf den Grund zu gehen. Man sucht universelle Gesetze, die allen turbulenten Strömungen innewohnen. Was haben also ein Tornado und der Strahl aus dem Wasserhahn gemeinsam? Es war der bekannte russischer Mathematiker Andrei Nikola­jewitsch Kolmogorov, der vor mehr als siebzig Jahren in einem nur vier Seiten langen Bericht an die Akademie der Wissen­schaften der damaligen Sowjetunion die Hypothese aufstellte, dass das scheinbar zufällige Auftreten der größeren und kleineren Wirbel immer den gleichen statis­tischen Gesetzen folgt, wenn man sich Geschwin­digkeiten nur hinreichend „weit unten“ in einem ausgedehnten Kaskadenbereich anschaut. Die Turbulenz sollte dort vergessen haben, wie sie aufrecht­erhalten wird; der Tanz der Wirbel folgt dort stets den gleichen Gesetzen. Seither haben Heerscharen von Strömungs­forschern versucht, immer stärkere Turbulenzen zu erzeugen bzw. in immer mächtigeren Super­computern zu studieren. Die heutigen Super­rechner sind jedoch immer noch nicht leistungs­fähig genug, um einen weit ausgedehnten inertialen Kaskaden­bereich zu erhalten, der für die Bestätigung von der Hypothese von Kolmogorov notwendig wäre.

Eine Gruppe von in Deutschland und den USA arbeitenden Wissen­schaftlern unter Leitung von Jörg Schumacher von der TU Ilmenau hat im Laufe der letzten acht Jahre in wissen­schaft­licher Detektiv­arbeit Indizien gesammelt, die eine alternative Route zur Bestätigung von Kolmogorovs Hypothese vorschlagen. Statt auf die Wirbel selbst zu schauen, konzentrierten sie sich auf die sehr feinen Scher­schichten zwischen den Wirbeln. Die Forscher zeigten, dass im direkten Vergleich dreier turbulenter Strömungen mit unterschied­lichem Antrieb stets die gleichen statistischen Gesetze für die Fluk­tuationen eben dieser feinen Scher­schichten folgten. Universalität konnte damit zu mindestens für diese drei Strömungen gezeigt werden. Die Turbulenzen sind also in der Tat universell und müssen nicht mal besonders stark sein.

Der „genetische Code“ der Turbulenz ist folglich mit heute vorhandener Höchst­leistungs­rechen­technik bereits entschlüs­selbar, wenn man auf die richtigen physika­lischen Größen – die Scher­schichten – schaut. Schumacher und seine Kollegen mussten dazu im Laufe der letzten Jahre immer wieder auf Europas schnellste Rechner, unter anderem die Maschinen am Jülich Super­computing Centre zurückgreifen, um diese Unter­suchung voranzutreiben. Im letzten Jahr nutzten sie in einem bei der nationalen Gauss-Allianz gewonnenen Großprojekt den Juqueen Super­computer in Jülich, Europas schnellsten Super­rechner, und ließen ihr massiv paralleles Turbulenz­simulations­programm auf mehr als 65.000 Prozessoren für sich arbeiten. Der Verbrauch an Rechen­kapazität allein in diesem Projekt entspräche der Rechen­leistung, für die ein einzelner PC mit einem Prozes­sorkern seit zirka sechs­tausend Jahren, also seit der Jung­steinzeit, unterbrochen arbeiten müsste.

Die Simulations­experimente sind damit noch nicht abgeschlossen. Ihre Ergebnisse wollen Jörg Schumacher und seine Kollegen in einem nächsten Schritt für weitere Strömungen testen.

TU Il. / CT

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