01.02.2016

Unkonventionelle Supraleitung nah am absoluten Nullpunkt

Quantenkritischer Punkt als mögliche Ursache für Hochtemperatur-Supraleitung.

Einen wichtigen Mechanismus für die Supraleitung haben Forscher der Uni Frankfurt am Main in einem metallischen Material aus Ytterbium, Rhodium und Silizium entdeckt. Cornelius Krellner und Mitarbeiter bestätigen mit ihren Messungen das seit langem als Mechanismus für die Hochtemperatur-Supraleitung diskutierte Konzept des quantenkritischen Punktes. Dieses Ergebnis stellt nach zehn Jahren aufwändiger Messungen einen Meilenstein für die Grundlagenforschung dar. Praktische Relevanz wird das verwendete Material YbRh2Si2 aufgrund seiner extrem tiefen Sprungtemperatur von zwei tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt jedoch nicht haben.

„Entscheidend für die Materialeigenschaften sind die Ytterbium-Atome, da diese magnetisch sind – und zwar aus einem besonders faszinierenden Grund“, erklärt Cornelius Krellner. Der Übergang in den magnetisch geordneten Zustand findet nämlich bei so tiefen Temperaturen statt, dass temperaturbedingte Bewegungen der winzigen atomaren Magnete keine Rolle mehr spielen. Das unterscheidet diesen Phasenübergang von allen anderen bekannten Übergängen. Bei Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt dominieren Quantenfluktuationen. Diese sind so stark, dass die Natur versucht, alternative geordnete Grundzustände einzunehmen.

Supraleitung ist ein möglicher kollektiver Zustand, der an einem quanten­kritischen Punkt auftauchen kann. „Nachdem wir ihn in YbRh2Si2 entdeckt haben, können wir zeigen, dass unkonventionelle Supraleitung an einem quantenkritischen Punkt ein genereller Mechanismus ist“, erklärt Krellner. Die aufwendigen Tieftemperatur-Messungen entstanden in Kooperation mit dem Walther-Meißner-Institut für Tieftemperaturforschung in Garching.

Cornelius Krellner beschäftigte sich bereits vor zehn Jahren während seiner Doktorarbeit am MPI für chemische Physik fester Stoffe in Dresden mit YbRh2Si2. Damals züchtete er Einkristalle der Verbindung. Deren Qualität und Größe waren entscheidend, um die Materialeigenschaften überhaupt messen zu können. „Als wir die ersten Hinweise auf Supraleitung sahen, waren wir alle sehr enthusiastisch, und ich habe alles daran gesetzt, noch bessere und größere Einkristalle zu züchten“, erinnert sich Krellner, der seit 2012 das Kristall- und Materiallabor der Uni leitet. Dass es dann noch so lange gedauert hat, bis der endgültige Beweis für unkonventionelle Supraleitung erbracht war, lag daran, dass die Messungen extrem zeitaufwendig sind. Weiterhin war es notwendig, die Supraleitung mit verschiedenen Mess­methoden zu untersuchen, um zu zeigen, dass es sich tatsächlich um unkonventionelle Supraleitung handelt.

Für die Kristallzüchtung wendet die Arbeitsgruppe von Krellner ein beson­deres Verfahren an. Es verhindert, dass Ytterbium bei den benötigten hohen Temperaturen von 1500 Grad Celsius verdampft. „Wir sind momentan die einzigen in Europa, die in der Lage sind, Einkristalle von YbRh2Si2 herzu­stellen“, sagt Krellner. In den nächsten Jahren möchte er mit Kollegen die magnetische Ordnung oberhalb der Supraleitung untersuchen. Auch die Supraleitung selbst werden Physiker in den nächsten Jahren noch um­fassend unter die Lupe nehmen – eine Aufgabe, die dank der reinen und großen Einkristalle aus der AG Krellner erleichtert wird.

JWGU / RK

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