08.02.2007

Ununterscheidbare Bose-Einstein-Kondensate

Erstmals konnte ein optischer Puls in einem Bose-Einstein-Kondensat gespeichert und anschließend aus einem zweiten, 160 Mikrometer entfernten Kondensat wieder hervorgezaubert werden.



Erstmals konnte ein optischer Puls in einem Bose-Einstein-Kondensat gespeichert und anschließend aus einem zweiten, 160 Mikrometer entfernten Kondensat wieder hervorgezaubert werden.

Optische Pulse lassen sich in einem Bose-Einstein-Kondensat abspeichern und – ohne Informationsverlust – wieder freisetzen. Einem Team amerikanischer Forscher ist nun Erstaunliches geglückt: Sie speicherten einen optischen Puls in einem Bose-Einstein-Kondensat – und zauberten ihn aus einem zweiten, 160 Mikrometer entfernten Kondensat wieder hervor. Die Information wurde dabei zwischen beiden Kondensaten durch eine quantenmechanische Materiewelle übertragen.

„Unsere Ergebnisse liefern eine dramatische Demonstration für die Verarbeitung kohärenter optischer Information mit Hilfe der Dynamik von Materiewellen“, schreiben Naomi S. Ginsberg, Sean R. Garner und Lene Vestergaard Hau von der Harvard University in „Nature“. Die Forscher glauben, dass ihr Quantentrick im Bereich der Quanteninformationstechnologie Anwendungen finden wird. In einem begleitenden „News & Views“-Artikel in der gleichen Ausgabe von „Nature“ hebt Michael Fleischhauer von der TU Kaiserslautern dagegen einen anderen Aspekt der Arbeit hervor: Sie beweise das quantenmechanische Prinzip der Ununterscheidbarkeit für makroskopische Objekte, nämlich die beiden verwendeten Bose-Einstein-Kondensate.

Abb.: Quantenmechanischer Trick: Ein optischer Puls wird in einem Bose-Einstein-Kondensat abgespeichert – und wie durch Zauberei aus einem zweiten Kondensat wieder freigesetzt. (Quelle: S. R. Garner/Nature)

Denn in der Quantenwelt sind gleichartige Objekte nicht einfach ähnlich, sondern vollkommen identisch, also ununterscheidbar. Es gibt also keine Möglichkeit, etwa zwischen zwei Elektronen zu unterscheiden. Die Arbeit von Ginsberg und ihren Kollegen zeigt nun, dass dies auch auf zwei gleichartige Bose-Einstein-Kondensate zutrifft: Bei dem Experiment lassen sich beide Kondensate nicht durch getrennte, sondern nur durch eine gemeinsame Wellenfunktion beschreiben.

Bei dem Experiment nimmt zunächst das eine Kondensat den optischen Puls auf. Durch einen Kontrolllaser wird dabei die Information in Spinoszillationen der Atome abgespeichert. Quantenmechanisch befinden sich die Atome nun in einem Überlagerungszustand aus dem Grundzustand und dem spinangeregten Zustand. Nur dadurch lässt sich die Phaseninformation des ursprünglichen optischen Pulses überhaupt speichern und wieder abrufen.

Allerdings können nur die Atome im angeregten Zustand tatsächlich ein Photon des optischen Pulses absorbiert haben. Das bedeutet aber auch, dass nur die Atome im angeregten Zustand den Impuls der Photonen aufnehmen. Dadurch bewegt sich der spinangeregte Teil der Wellenfunktion des Kondensats in die ursprüngliche Richtung des optischen Pulses, während der Grundzustands-Anteil der Wellenfunktion in Ruhe bleibt.

Durch einen weiteren Puls des Kontrolllasers lässt sich nun der ursprüngliche optische Puls mit korrekter Phase und Richtung wieder aus dem Bose-Einstein-Kondensat freisetzen. Allerdings erwartungsgemäß nur, wie das Experiment von Ginsberg und Kollegen zeigt, solange der angeregte Teil der Wellenfunktion das ursprüngliche Kondensat noch nicht verlassen hat. Hier kommt nun das zweite Kondensat ins Spiel. Wartet man nämlich, bis der angeregte Teil der Wellenfunktion das zweite Kondensat erreicht hat, so ist wiederum eine Freisetzung des ursprünglichen optischen Pulses möglich.

Das lässt sich klassisch nicht verstehen: Die beiden Kondensate wurden unabhängig voneinander hergestellt, der angeregte Teil der Wellenfunktion des ersten Kondensats sollte also dem zweiten Kondensat völlig fremd sein und sich nicht mit dessen Wellenfunktion kombinieren lassen. Doch das ist offenbar nicht der Fall – eben weil es sich quantenmechanisch bei den Atomen in beiden Kondensaten um ununterscheidbare Objekte handelt. Es gibt also keinerlei Möglichkeit für den spinangeregten Teil der Wellenfunktion, zwischen beiden Kondensaten zu unterscheiden. Auf diese Weise kann also eine quantenmechanische Materiewelle die ursprüngliche optische Information verlustfrei von einem Kondensat auf ein zweites übertragen – ein Trick, der in künftigen Quantencomputern von großem Nutzen sein könnte.

Rainer Kayser

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