Ur-Sterne außerhalb unserer Galaxis
Die betreffenden Sterne haben sich vor 13,7 Milliarden Jahren gebildet.
Ur-Sterne außerhalb unserer Galaxis
Die betreffenden Sterne haben sich vor 13,7 Milliarden Jahren gebildet.
Neue Beobachtungen mit dem Very Large Telescope der ESO haben die urtümlichsten Sterne außerhalb unserer Heimatgalaxie ausfindig gemacht – deren Existenz war zwar vermutet worden, die Sterne hatten sich allerdings bis jetzt einem direkten Nachweis entzogen. Die Beobachtungen lösen ein wichtiges astrophysikalisches Rätsel um die ältesten Sterne in unserer galaktischen Nachbarschaft und bringen das Verständnis der frühesten Sterne im Universum einen entscheidenden Schritt voran.
Abb.: Die Sculptor-Zwerggalaxie (Bild: ESO/Digitized Sky Survey 2)
“Wir haben herausgefunden, was die bisherigen Fahndungsmethoden übersehen haben”, sagt Else Starkenburg vom Kapteyn Instituut, Universität Groningen, Niederlande. “Dank unseres verbesserten Ansatzes konnten wir die primitiven, urtümlichen Sterne, die sich zwischen Sternen anderer, häufigerer Sorten verstecken, ausfindig machen.”
Die betreffenden Sterne haben sich direkt aus Materie gebildet, die bereits kurz nach dem Urknall vorhanden war, vor 13,7 Milliarden Jahren. Ihr Gehalt an chemischen Elementen schwerer als Wasserstoff oder Helium ist mehr als tausend Mal geringer als bei der Sonne. Dem Sprachgebrauch der Astronomen folgend heißen solche Sterne „extrem metallarm“. Sie gehören zu einer der ersten Sterngenerationen in unserer kosmischen Nachbarschaft, sind äußerst selten, und wurden bislang hauptsächlich in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, beobachtet.
In den herkömmlichen Modellen entstehen größere Galaxien wie unsere Milchstraße durch Verschmelzung kleinerer Galaxien. Die „primitiven“, extrem metallarmen Sterne, die wir in unserer Milchstraße finden, sollten aus den Zwerggalaxien stammen, aus denen die Milchstraße entstanden ist, und solche Sterne sollten sich ganz allgemein auch in anderen Zwerggalaxien finden. Doch das schien bislang nicht der Fall: „Bislang waren die Hinweise auf die Existenz solcher Sterne sehr spärlich“, erklärt Giuseppina Battaglia (ESO). „Große Durchmusterungen, die in den letzten paar Jahren durchgeführt wurden, zeigten deutliche Abweichungen zwischen den ältesten Sternpopulationen in der Milchstraße und in den Zwerggalaxien. Das war nach den gängigen Modellen nicht zu erwarten.“
Abb.: Die Fornax-Zwerggalaxie (Bild:ESO/Digitized Sky Survey 2)
Chemische Häufigkeiten werden durch die Messungen von Spektren bestimmt, die eine Art chemischen Fingerabdruck eines Sterns liefern. Das Dwarf galaxies Abundances and Radial-velocities Team (wörtlich die „Gruppe für die [Untersuchung der chemischen] Häufigkeiten und Radialgeschwindigkeiten von Zwerggalaxien“) benutzte das Instrument FLAMES am Very Large Telescope der ESO, um die Spektren von mehr als 2000 Riesensternen in vier unserer Nachbargalaxien, den Fornax-, Sculptor-, Sextans- und Carina-Zwerggalaxien zu bestimmen. Diese Zwerggalaxien sind typischerweise 300.000 Lichtjahre von unserer Erde entfernt – rund das Dreifache des Durchmessers unserer Milchstraße. Aufgrund dieser großen Entfernung ließen sich nur die groben Eigenschaften jedes Spektrums aufnehmen, entsprechend einem undeutlichen, verschmierten Fingerabdruck. Die Forschergruppe fand, dass keiner dieser vielen Fingerabdrücke zu einem der seltenen extrem metallarmen Sterne zu gehören schien, die aus unserer Heimatgalaxie bekannt waren.
Nun hat ein internationales Team von Astronomen um Else Starkenburg neues Licht auf dieses Problem geworfen. Die Astronomen nahmen einen sorgsamen Vergleich zwischen gemessenen Spektren und Computersimulationen durch und fanden, dass die Unterschiede zwischen den chemischen Fingerabdrücken normaler metallarmer Sterne und der selteneren extrem metallarmen Sterne subtiler sind, als bis dahin angenommen worden war. Das erklärt, warum es den vorigen Messungen nicht gelungen war, die beiden Sternklassen auseinanderzuhalten.
Außerdem konnten die Astronomen für einige der extrem metallarmen Sterne bestätigen, dass deren Materie sich in der Tat so gut wie im Urzustand befindet. Dazu nahmen sie mit Hilfe des UVES-Instruments am Very Large Telescope der ESO deutlich detailliertere Spektren auf. „Verglichen mit den undeutlichen Fingerabdrücken, die uns bis dahin zur Verfügung standen, war es nun, als würden wir klar definierte Fingerabdrücke durch ein Mikroskop betrachten“, erklärt Vanessa Hill, ein Mitglied der Forschergruppe. „Unglücklicherweise konnten wir so nur vergleichsweise wenige Sterne beobachten, da das Verfahren sehr zeitaufwändig ist.“
„Unter den extrem metallarmen Sternen, die wir in diesen Zwerggalaxien neu entdeckt haben, gibt es drei, bei denen die relative Häufigkeit der schwereren chemischen Elemente zwischen nur 1/10.000 und 1/3.000 dessen liegt, was wir bei unserer Sonne beobachten. Einer dieser Sterne ist der urtümlichste Stern, den wir außerhalb unserer Milchstraße kennen“, sagt Martin Tafelmeyer, ein weiteres Mitglied der Forschergruppe. „Von nun an können sich solche Sterne nicht mehr vor uns verstecken.“, sagt Starkenburg.
ESO/KP