24.10.2018

Urknall in der Ionenfalle

Verschränkungsprozesse bei der Paarbildung der Inflationsphase lassen sich mit Ionen simulieren.

Am Anfang war die Welt wüst und leer. In den Augen eines theoretischen Physikers wie Ralf Schützhold, Forscher am Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf (HZDR) und Professor an der TU Dresden, stimmt diese Aussage nur bedingt. Denn die Theorien erklären zwar, wie das Universum, das wir heute kennen, sich nach dem Urknall in einer Art Inflations­phase unvorstell­bar rasch vergrößerte. „Nur war das Vakuum in diesen ersten winzigen Bruch­teilen von Sekunden nicht völlig leer, sondern es gab dort Fluktuationen“, erklärt Schütz­hold.

Abb.: Ralf Schützhold leitet seit 2018 die Gruppe für theoretische Physik am HZDR. (Bild: R. Weisflog / HZDR)

Allerdings bedeutet „Vakuum“ in der Physik nur, dass es dort keine Materie in Form von Molekülen, Atomen oder Elementar­teilchen gibt. Zum Beispiel elektrische oder magnetische Felder existieren durchaus. Sie verteilen sich aber nicht völlig gleich­mäßig, sondern sind an einigen Stellen ein wenig stärker oder schwächer. Sobald die Inflations­phase beginnt und sich das immer noch winzig kleine Universum extrem rasch und stark auf­bläht, reißt es diese Fluktuationen – angetrieben von gigantischen Kräften – schlag­artig auseinander. Dabei wandeln sich die gewaltigen Energien in Materie um. So entsteht ein Paar von Elementar­teilchen, die sich in einer Eigen­schaft grund­legend unter­scheiden: Zum Beispiel kann sich ein Elektron gemeinsam mit einem Positron bilden.

Damals entstanden auch viele andere Elementar­teilchen. Diese Paarbildung in einem unvorstell­bar kurzen Moment am Anfang der Geschichte des Kosmos sollte für das spätere Schicksal des Universums und für unsere eigene Existenz noch eine sehr wichtige Rolle spielen. Überall dort, wo sie auf­tauchte, gab es eine kleine Unregel­mäßigkeit, Inhomogenitäten entstanden.

Genau an diesen Unregelmäßigkeiten veränderte sich die Temperatur. Diese winzigen Wärme-Schwankungen können Astro­physiker noch heute in der Hintergrund­strahlung nachweisen, die aus den Tiefen des Welt­raums zu uns dringt. Das Echo des Urknalls hallt also 13,8 Milliarden Jahre später immer noch nach. Die Paar­bildung an solchen Fluktuationen sorgte auch dafür, dass die Teilchen sich nicht völlig gleich­mäßig im Welt­raum verteilen. An den Stellen, an denen sich etwas mehr Teilchen als andern­orts befanden, war auch die Schwer­kraft ein wenig stärker. Die erhöhten Konzentrationen zogen daher noch mehr Materie an und wurden so noch größer, bis sich schließlich aus diesen Ansammlungen riesige Galaxien bildeten, die aus vielen Milliarden Sternen bestehen. Erst diese Galaxien und ihre Sonnen aber schufen die Möglich­keiten für Leben, wie wir es von der Erde kennen.

Über die Paarbildung am Anfang dieser Entwicklung hat bereits der berühmte Wiener Physiker Erwin Schrödinger nach­gedacht. Irène und Frédéric Joliot-Curie beobachteten 1933 zum ersten Mal, wie ein Elektronen-Positronen-Paar aus Energie entstand. „Die Paar­bildung aus den auseinander gerissenen Fluktuationen in der inflationären Phase des Welt­raums aber befindet sich leider weit außerhalb unserer Möglich­keiten“, erklärt Schütz­hold, der am HZDR seit kurzem die Gruppe für theoretische Physik aufbaut.

Daher gibt es immer wieder Vorschläge, wie sich diese Theorie in der Praxis über­prüfen lässt. Gemeinsam mit Christian Fey von der Universität Hamburg und Tobias Schaetz von der Universität Freiburg legt Ralf Schützhold jetzt einen neuen Vorschlag vor: Tobias Schaetz könnte die Paar­bildung in der inflationären Phase mit Hilfe einer Ionen­falle nachahmen.

Ein elektromagnetisches Feld hält in einer solchen Ionen­falle zum Beispiel elektrisch positiv geladene Magnesium-Ionen so fest, dass sie sich nur entlang der Mittel­achse eines Zylinders bewegen können. Ein zweites elektro­magnetisches Feld fixiert nun das Ion an einer bestimmten Stelle der Mittel­achse. Halten elektro­magnetische Felder unmittelbar daneben in einem Abstand von wenigen Mikrometern ein zweites, ebenfalls positiv geladenes Magnesium-Ion fest, stoßen sich die beiden positiven elektrischen Ladungen stark ab.

Lockern die Forscher nun ein wenig das elektro­magnetische Feld, das die Ionen festhält, schießen beide – angetrieben von der abstoßenden Kraft ihrer gleichen elektrischen Ladungen – in entgegen­gesetzter Richtung entlang der Achse des Zylinders davon. Manchmal bewegt sich das davonfliegende Ion zusätzlich ein klein wenig senkrecht zu dieser Achse. Stellen die Forscher eine solche Schwingung bei einem der Ionen fest, verlangen die Gesetze der Quanten­physik, dass auch der in die andere Richtung davon­schießende Partner mit der gleichen Energie schwingt. Ähnliches gilt für die Paar­bildung beim Auseinander­reißen im frühen Universum.

Anhand dieses Modellsystems lassen sich Verschränkungs­phänomene bei einer plötzlichen Expansion studieren. Und da die Verschränkung sehr wichtig für den Bau von extrem leistungs­fähigen Quanten­computern ist, investieren die Forscher mit dem Nachahmen der Vorgänge beim Urknall in Ionenfallen auch eine klein wenig in eine Zukunfts­technologie.

HZDR / DE

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