Vakuumenergie im zyklischen Universum
Die Vakuumenergiedichte ist im heutigen Universum sehr viel kleiner als die Theorie vorhersagt. Ein neuer Ansatz kann dies erklären.
Die Vakuumenergiedichte ist im heutigen Universum sehr viel kleiner als die Theorie vorhersagt. Ein neuer Ansatz kann dies erklären.
Die Kosmologische Konstante - oder Vakuumenergiedichte - ist im heutigen Universum etwa 10 hoch 120 Größenordnungen kleiner als es die Theorie vorhersagt. Paul Steinhardt und Neil Turok von der Princeton University präsentieren nun in „Science Express“, der Onlineausgabe des Magazins „Science“, einen neuen Ansatz, um diese krasse Diskrepanz zu erklären. Danach bietet ein zyklisches Universum, in dem es immer wieder neu zu einem Urknall und der damit verbundenen Entstehung von Materie und Energie kommt, ausreichend Zeit, damit die Kosmologische Konstante durch wiederholte Quantenübergänge schließlich den heute beobachteten niedrigen Wert einnehmen konnte.
Quantenmechanisch betrachtet ist das Vakuum kein leerer Raum sondern angefüllt mit unzähligen Quantenfluktuationen aller Arten von Teilchen und Feldern. Die Energie dieser Quantenfluktuationen summiert sich zu einer Vakuumenergiedichte, die heute mit der von Albert Einstein eingeführten (und als „größte Dummheit meines Lebens“ wieder verworfenen) Kosmologischen Konstante identifiziert wird. Tatsächlich zeigte die Beobachtung ferner Supernovae Ende der 1990er Jahre, dass die Expansion des Kosmos zunimmt - genau wie bei einer positiven Kosmologischen Konstante zu erwarten.
Das Problem: Der Versuch, den Wert der Vakuumenergiedichte quantentheoretisch zu berechnen, führt zu einem Wert, der um 10 hoch 120 Größenordnungen über dem beobachteten Wert für die Kosmologische Konstante liegt. Lange hatten die Physiker gehofft, eines Tages auf eine neue Symmetrie zu stoßen, die gerade dazu führt, dass die Kosmologische Konstante heute exakt gleich Null ist. Mit der Beobachtung der beschleunigten Expansion mussten diese Hoffnungen jedoch zu den Akten gelegt werden. Dass es einen physikalischen Effekt gibt, der die Vakuumenergiedichte fast, aber eben nicht ganz aufhebt, erscheint dann doch zu unwahrscheinlich: Eine Feinabstimmung auf 120 Dezimalstellen genau wäre dafür nötig.
So ist heute unter den Forschern das „Anthropische Prinzip“ als Erklärung populär. Gemäß dem inflationären Szenario expandiert das Universum auf großen Skalen exponentiell. Durch Quantenübergänge bilden sich darin immer wieder neue Regionen niedriger Energie, die langsamer expandieren. In diesen Regionen - eine davon ist der für uns sichtbare Kosmos - kann die Vakuumenergie im Prinzip ganz beliebige Werte annehmen. Doch nur, wenn die Vakuumenergie klein ist, kann die Materie sich zu Galaxien, Sternen und Planeten verdichten und nur dann können intelligente Beobachter entstehen.
Steinhardt und Turok finden diese Erklärung unphysikalisch und setzen ein eigenes Modell dagegen. Ausgangspunkt ist die schon 1985 von L. Abbott entwickelte Idee, dass die Kosmologische Konstante durch Quantenübergänge auf immer niedrigere Werte „tunnelt“. Da die Zeiten von Übergang zu Übergang allerdings exponentiell anwachsen, würden Billionen von Jahren vergehen, bis der heutige kleine Wert erreicht ist - inzwischen hätte sich die Materie so sehr verdünnt, dass keine Strukturen mehr entstehen könnten.
Dieses Problem lösen Steinhardt und Turok, indem sie Abbotts Idee mit dem von ihnen entwickelten zyklischen Universum verbinden. In diesem Modell ist das Universum eine dreidimensionale Membran („Brane“) in einem höherdimensionalen Über-Universum. Zu einem Urknall kommt es, wenn zwei Branen miteinander kollidieren. Wenn sich die dabei freigesetzte Materie und Energie genügend verteilt haben, ziehen sich die Branen erneut an - so kommt es periodisch immer wieder zu einem Urknall.
In diesem zyklischen Modell ist unser Universum also alt genug, damit die Kosmologische Konstante durch wiederholte Quantenübergänge einen kleinen Wert einnehmen konnte. Zugleich haben die zyklisch auftretenden Kollisionen aber für einen Nachschub an Materie gesorgt, so dass es im heutigen alten Kosmos noch Strukturen - und damit intelligente Beobachter - geben kann.
Steinhardt und Turok sehen in ihrem Modell einen großen Vorteil gegenüber der anthropischen Erklärung. Letztere nämlich sagt voraus, dass nur ein verschwindend geringer Anteil aller Regionen einen für die Entstehung von Leben geeigneten Wert der Vakuumenergiedichte besitzt. Im zyklischen Modell dagegen ist es umgekehrt - das Universum verbringt nahezu seine gesamte Zeit in einem Zustand mit kleiner Vakuumenergiedichte.
Rainer Kayser
Weitere Infos:
- Originalarbeit:
Paul J. Steinhardt und Neil Turok, Why the Cosmological Constant Is Small and Positive, Science Express 1126231 (2006).
http://dx.doi.org/10.1126/science.1126231 - Princeton University:
http://www.princeton.edu - Homepage Paul Steinhardt:
http://www.physics.princeton.edu/~steinh/
Weitere Literatur:
- L. Abbott, A mechanism for reducing the value of the cosmological constant, Phys. Lett. B 150, 427 (1985).
- P. J. Steinhardt und N. Turok, A Cyclic Model of the Universe, Science 296, 1436 (2002).
- P. J. Steinhardt und N. Turok, Cosmic evolution in a cyclic universe, Phys. Rev. D 65, 126003 (2002).