Vater der Windkraft
Der Schwabe Ulrich Hütter hat den Norddeutschen die heutige Nutzung der Windenergie gebracht. Er gilt als der «Vater der modernen Windkraft».
Vater der Windkraft
Kaiser-Wilhelm-Koog (dpa) - Ein Schwabe hat den Norddeutschen die heutige Nutzung der Windenergie gebracht. Der «Vater der modernen Windkraft» hieß Ulrich Hütter und kam aus Baden-Württemberg. Dort entwickelte der Stuttgarter Flugingenieur unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs das deutschlandweit erste Windrad mit aerodynamisch optimierten Flügeln. Dabei arbeiten die Rotorblätter nach dem Prinzip eines Flugzeugflügels. Durch die aerodynamische Konstruktion entstehen auf der einen Seite des Rotorblattes Druck- und auf der anderen Saugkräfte.
Der von Hütter konstruierte Dreiflügler mit 7,2 Kilowatt Leistung ging 1950 in Serie und wurde rund 200 Mal verkauft. Andere Firmen in Baden-Württemberg und auch in Bayern begannen ebenfalls auf dem Windenergiesektor zu arbeiteten. 1956 entstand in Stötten auf der Schwäbischen Alb das erste deutsche Testfeld für die Windturbinen.
Das Aus für die junge Technik kam nur ein Jahrzehnt später, als 1968 in Obrigheim in Baden-Württemberg das erste kommerzielle Atomkraftwerk Deutschlands mit einen Druckwasserreaktor ans Netz ging. Im gleichen Jahr wurde die Forschung an der Windkraft bundesweit eingestellt, denn die Männer und Frauen an den Schalthebeln der Macht setzten nur noch auf Atom-Strom. Erst der wachsende Widerstand gegen die Atomenergie in den 1970er Jahren und die Ölkrise brachten in Deutschland eine Rückbesinnung auf die Windkraft: Von 1974 an beschäftigten sich wieder Wissenschaftler der Universität Stuttgart mit dem Wind und seiner Energie.
Neun Jahre danach und mit staatlichen Fördermitteln erreichte der High-Tech-Wind-Strom auch Deutschlands Küste: Am 6. Juli 1983 nahm im schleswig-holsteinischen Kaiser-Wilhelm-Koog an der Elbmündung die lange Zeit größte Windkraftanlage der Welt ihren Betrieb auf. Sie hieß GROWIAN - ein Kunstwort aus Großwindanlage - und galt als Windkraftanlage der Superlative. Doch das Prestigeobjekt des Bundesforschungsministeriums entpuppte sich als Fehlschlag, so das Fazit des Hamburger Technikhistorikers Reinhold Bauer: «Vieles an der Anlage war neu und in dieser Größenordnung noch nicht erprobt.»
Unter anderem schraubten die Ingenieure statt eines kleinen, schnell laufenden Propellers einen riesigen Zweiflügler mit 100 Metern Durchmesser an die Spitze eines 96 Meter hohen Stahlturms, der mit langsamen 18 Umdrehungen pro Minute rotierte. Seine drei Megawatt Leistung sollte GROWIAN aus dem Drehmoment bekommen. Doch die Ingenieure kannten damals keine Technik, um diese gewaltigen Kräfte zu bändigen: Nach einer nicht endenden Pannenserie und Rissen nicht nur an den Rotorblättern wurde GROWIAN 1987 vorzeitig stillgelegt. In diesen vier Jahren lief das rund 54 Millionen Euro teure Windrad insgesamt nur 420 Stunden.
Trotzdem machte GROWIAN den Strom aus Windkraft in Schleswig- Holstein heimisch, denn innovative Mittelständler und die Werftindustrie nahmen sich im kleineren Maßstab der neuen Technik an. Rund um die Ruine des GROWIAN entstand so von 1987 an der erste kommerzielle Windenergiepark Deutschlands mit 32 kleinen Anlagen.
Ende Juni 2007 drehten sich in Niedersachsen und Schleswig-Holstein 6600 Windenergieanlagen. Das sind zwanzig Mal mehr als in Baden-Württemberg: In der Geburtsstätte der «modernen Windkraftanlagen» laufen gerade 330 Strom-Mühlen. Insgesamt stehen in Deutschland 19 000 Windenergieanlagen, die knapp 21 300 Megawatt Windstrom produzieren können. Ein Atomkraftwerk kommt dagegen je nach Größe auf eine Leistung von etwa 900 bis 1300 Megawatt.
Wolfgang Runge, dpa