13.05.2008
Venus: Spurenlese einer turbulenten Vergangenheit
Unterschiedliche Temperaturen an den Vulkanen der Venus geben Hinweise auf ihre Geschichte.
Venus-Forschung: Spurenlese einer turbulenten Vergangenheit
Wie auch auf der Erde, ändert sich die Temperatur der Venusoberfläche mit der topographischen Höhe: In den Tiefebenen ist es heißer, auf den Bergen kälter. Kennt man die Höhe einer Region, kann man die Temperatur vorhersagen. Im Hochlandgebiet Lada Terra nahe dem Südpol konnten nun an erloschenen Vulkanen kleine Abweichungen von dieser vorhergesagten Temperatur nachgewiesen werden. Dies gelang Wissenschaftlern vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Kollegen aus Finnland, Italien und Frankreich anhand von Messungen mit der Raumsonde Venus Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Die Planetenforscher interpretieren diese Temperaturvariationen als Unterschiede in der Zusammensetzung der erstarrten Lava, die darauf zurückzuführen sein könnten, dass die Vulkane zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind.
Einst ergossen sich Lavaströme von fast 800 Kilometern Länge über die Oberfläche der Venus - eine exotische, fremde Welt, in der heute auf dem ganzen Planeten, bei Tag und Nacht, glutheiße Temperaturen von etwa 460 Grad Celsius herrschen. Exotisch sind auch die Bezeichnungen der Strukturen auf der Venus - sie wurden nach ausnahmslos weiblichen Figuren aus der Mythologie mit so geheimnisvollen Namen wie Quetzalpetlatl Corona, Mylitta Fluctus oder Cocomama Tessera belegt. Den Geheimnissen der Oberflächentemperatur unseres Nachbarplaneten ist zurzeit ein Gruppe europäischer Forscher auf der Spur.
Die Landschaften der Venus sind fast überall von vulkanischen Gesteinen geprägt, die sich vor mehreren hundert Millionen Jahren aus riesigen Vulkanen über Flächen ergossen, die teils größer als Deutschland sind. Als sicher gilt, dass der Planet durch eine globale vulkanische Katastrophe vor etwas mehr als einer halben Milliarde Jahren ein völlig neues Antlitz erhielt. Aus mehreren tausend Feuerbergen ergoss sich glutflüssiges Gestein über die Venus, erkaltete und überdeckte alle bisher existierenden Strukturen. Mehrere Fragen bewegen die Forscher deshalb ganz besonders: Gibt es auch heute noch aktive Vulkane auf dem Nachbarplaneten der Erde? Oder war die globale Katastrophe doch nur ein letztes, kurzzeitiges vulkanisches Ereignis? Warum entwickelte sich überhaupt dieser der Erde so ähnliche Planet ganz anders?
Mögliche Antworten auf diese Fragen geben Daten von Venus Express. Die Sonde beobachtet den Planeten aus einer Umlaufbahn. Seit mehreren Jahren beschäftigt das Thema Vulkanismus auf der Venus auch die beiden Geophysiker Dr. Jörn Helbert und Nils Müller vom DLR-Institut für Planetenforschung. Mit mehreren Fachkollegen haben sie die vulkanische Geschichte einer Region auf der Südhalbkugel der Venus zum Teil entschlüsseln können und ihre Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift "Geophysical Research Letters" publiziert. Da der Planet von einer dichten Atmosphäre umhüllt ist, die gewöhnlichen Kameras keinen Blick auf die Vulkanlandschaften ermöglicht, versuchen die Forscher, den Geheimnissen auf der Venus mit einem Infrarotspektrometer namens VIRTIS (Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer) an Bord von Venus Express auf die Spur zu kommen. Beim Vergleich zwischen Venus und Erde spielen die Begriffe Vulkanismus und Treibhauseffekt eine Hauptrolle: In einem Videofilm werden diese Phänomene anschaulich dargestellt. Darin erklären der DLR-Planetenphysiker Helbert und sein französischer Kollege Jean-Loup Bertaux vom Centre National de la Recherche Scientifique in Paris anhand irdischer Atmosphären- und Vulkanphänomene Gemeinsamkeiten und Unterschiede an den beiden "Schwesterplaneten" des inneren Sonnensystems.
Karten der Temperaturen auf der "unsichtbaren" Venusoberfläche
Seit etwas mehr als zwei Jahren beobachtet Venus Express den von dichten Wolken verhüllten Planeten. "Mit den Daten haben wir jetzt eine Karte der Temperaturverteilung auf der gesamten Südhemisphäre erstellen können", erläutert Jörn Helbert, Projektwissenschaftler im VIRTIS-Spektrometerteam. "Aus dieser Karte leiten wir Unterschiede in der Zusammensetzung der von Vulkanen geprägten Landschaft ab und entwickeln daraus Ideen, wie sie entstanden sein könnten." Das Experiment VIRTIS auf Venus Express liefert Daten zur Beantwortung vielfältiger Fragestellungen. Zum einen ist es dazu ausgelegt, in verschiedenen Wellenlängen des sichtbaren Lichts und nahen Infrarots die Strukturen und Dynamik der Venusatmosphäre in unterschiedlichen Höhen zu analysieren. Zum anderen ermöglicht es bei sehr eng begrenzten Wellenlängenbändern des elektromagnetischen Spektrums zwischen 1,0 und 1,2 Mikrometern (tausendstel Millimeter) durch so genannte "atmosphärische Fenster" einen Blick auf die Oberfläche der Venus und misst die von den heißen Felsen abgestrahlte Wärme.
"Allerdings wird die von den Sensoren empfangene Wärmestrahlung der Venusoberfläche durch die Wolken stark gestreut. Dieses 'Rauschen' ist eine Verfälschung des ursprünglichen Signals und muss erst aus den Messungen herausgerechnet werden, was sich wegen der Komplexität der Venusatmosphäre ziemlich schwierig gestaltet", erklärt Nils Müller, Mitarbeiter in Jörn Helberts VIRTIS-Team am DLR. Als die Planetenforscher die Daten nach mehreren Monaten für die Interpretation aufbereitet hatten, erkannten sie Variationen in den gemessenen Werten. Diese Abweichungen von der an sich sehr homogenen Durchschnittstemperatur auf der Venus korrelierten mit geologischen Großstrukturen, die in den 1990er-Jahren mit Radarmessungen der NASA-Raumsonde Magellan kartiert wurden.
Hinweise auf ältere und jüngere Vulkane - aber nicht auf aktiven Vulkanismus
Das von VIRTIS am besten erfasste Gebiet erstreckt sich entlang des Nullmeridians vom 50. Grad südlicher Breite bis nahe an den Südpol. Vom Hochland Lada Terra konnten in zwei aufeinander folgenden Venusnächten (die 243 Erdentage dauern) insgesamt 297 Infrarotbilder aufgenommen werden. "Damit konnten wir die bisher genaueste Karte der Temperaturen in diesem Gebiet erstellen", freut sich Helbert, "und wenn man die topographischen Karten der Magellan-Mission mit hinzunimmt, dann erkennt man, dass die Anomalien in der Oberflächentemperatur recht gut mit den Umrissen von vulkanischen Komplexen in dieser Region übereinstimmen." Aus unterschiedlichen Wärmestrahlungen schlossen die Wissenschaflter aus unterschiedliches Material, das zu verschiedenen Zeiten abgelagert worden sein könnte. Daraus ergibt sich, dass im untersuchten Gebiet die Struktur der Cocomama Tessera möglicherweise am ältesten ist, gefolgt von vulkanischen Komplexen in Quetzalpetlatl Corona und den erstarrten Lavaströmen Juturna Fluctus, Otygen Coronae und Mylitta Fluctus.
"Wir haben jedoch zwei unterschiedliche Erklärungen für die beobachteten Abweichungen der Temperaturen von den berechneten Durchschnittswerten", erklärt Helbert. Zum einen könnten die Temperaturvariationen ihre Ursache in erstarrten Lavaströmen haben, die mit variabler Mineralogie oder unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften aus dem Inneren des Planeten gefördert und über die Oberfläche verteilt wurden. Es könnte aber auch sein, dass die beobachteten Unterschiede von der seit Millionen Jahren währenden Wechselwirkung mit der aggressiven Venusatmosphäre herrühren.
"Das Modell, bei dem der Einfluss der Atmosphäre die Hauptrolle spielt, beinhaltet aber zahlreiche Einschränkungen, deshalb neigen wir dazu, die unterschiedliche Oberflächencharakteristik der Strukturen auf eine 'endogene' Ursache zurück zu führen, also ihren Ursprung in vulkanischen Prozessen zu suchen", so Helbert, "außerdem bekommen wir zum Glück bis zum vorläufigen Missionsende von Venus Express im Mai 2009 noch viele neue Messungen, die uns vielleicht helfen, das Geheimnis der Venusvulkane zu lüften."
Quelle: DLR
Weitere Infos:
Wie auch auf der Erde, ändert sich die Temperatur der Venusoberfläche mit der topographischen Höhe: In den Tiefebenen ist es heißer, auf den Bergen kälter. Kennt man die Höhe einer Region, kann man die Temperatur vorhersagen. Im Hochlandgebiet Lada Terra nahe dem Südpol konnten nun an erloschenen Vulkanen kleine Abweichungen von dieser vorhergesagten Temperatur nachgewiesen werden. Dies gelang Wissenschaftlern vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) mit Kollegen aus Finnland, Italien und Frankreich anhand von Messungen mit der Raumsonde Venus Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Die Planetenforscher interpretieren diese Temperaturvariationen als Unterschiede in der Zusammensetzung der erstarrten Lava, die darauf zurückzuführen sein könnten, dass die Vulkane zu unterschiedlichen Zeiten entstanden sind.
Einst ergossen sich Lavaströme von fast 800 Kilometern Länge über die Oberfläche der Venus - eine exotische, fremde Welt, in der heute auf dem ganzen Planeten, bei Tag und Nacht, glutheiße Temperaturen von etwa 460 Grad Celsius herrschen. Exotisch sind auch die Bezeichnungen der Strukturen auf der Venus - sie wurden nach ausnahmslos weiblichen Figuren aus der Mythologie mit so geheimnisvollen Namen wie Quetzalpetlatl Corona, Mylitta Fluctus oder Cocomama Tessera belegt. Den Geheimnissen der Oberflächentemperatur unseres Nachbarplaneten ist zurzeit ein Gruppe europäischer Forscher auf der Spur.
Die Landschaften der Venus sind fast überall von vulkanischen Gesteinen geprägt, die sich vor mehreren hundert Millionen Jahren aus riesigen Vulkanen über Flächen ergossen, die teils größer als Deutschland sind. Als sicher gilt, dass der Planet durch eine globale vulkanische Katastrophe vor etwas mehr als einer halben Milliarde Jahren ein völlig neues Antlitz erhielt. Aus mehreren tausend Feuerbergen ergoss sich glutflüssiges Gestein über die Venus, erkaltete und überdeckte alle bisher existierenden Strukturen. Mehrere Fragen bewegen die Forscher deshalb ganz besonders: Gibt es auch heute noch aktive Vulkane auf dem Nachbarplaneten der Erde? Oder war die globale Katastrophe doch nur ein letztes, kurzzeitiges vulkanisches Ereignis? Warum entwickelte sich überhaupt dieser der Erde so ähnliche Planet ganz anders?
Mögliche Antworten auf diese Fragen geben Daten von Venus Express. Die Sonde beobachtet den Planeten aus einer Umlaufbahn. Seit mehreren Jahren beschäftigt das Thema Vulkanismus auf der Venus auch die beiden Geophysiker Dr. Jörn Helbert und Nils Müller vom DLR-Institut für Planetenforschung. Mit mehreren Fachkollegen haben sie die vulkanische Geschichte einer Region auf der Südhalbkugel der Venus zum Teil entschlüsseln können und ihre Ergebnisse nun in der Fachzeitschrift "Geophysical Research Letters" publiziert. Da der Planet von einer dichten Atmosphäre umhüllt ist, die gewöhnlichen Kameras keinen Blick auf die Vulkanlandschaften ermöglicht, versuchen die Forscher, den Geheimnissen auf der Venus mit einem Infrarotspektrometer namens VIRTIS (Visible and Infrared Thermal Imaging Spectrometer) an Bord von Venus Express auf die Spur zu kommen. Beim Vergleich zwischen Venus und Erde spielen die Begriffe Vulkanismus und Treibhauseffekt eine Hauptrolle: In einem Videofilm werden diese Phänomene anschaulich dargestellt. Darin erklären der DLR-Planetenphysiker Helbert und sein französischer Kollege Jean-Loup Bertaux vom Centre National de la Recherche Scientifique in Paris anhand irdischer Atmosphären- und Vulkanphänomene Gemeinsamkeiten und Unterschiede an den beiden "Schwesterplaneten" des inneren Sonnensystems.
Karten der Temperaturen auf der "unsichtbaren" Venusoberfläche
Seit etwas mehr als zwei Jahren beobachtet Venus Express den von dichten Wolken verhüllten Planeten. "Mit den Daten haben wir jetzt eine Karte der Temperaturverteilung auf der gesamten Südhemisphäre erstellen können", erläutert Jörn Helbert, Projektwissenschaftler im VIRTIS-Spektrometerteam. "Aus dieser Karte leiten wir Unterschiede in der Zusammensetzung der von Vulkanen geprägten Landschaft ab und entwickeln daraus Ideen, wie sie entstanden sein könnten." Das Experiment VIRTIS auf Venus Express liefert Daten zur Beantwortung vielfältiger Fragestellungen. Zum einen ist es dazu ausgelegt, in verschiedenen Wellenlängen des sichtbaren Lichts und nahen Infrarots die Strukturen und Dynamik der Venusatmosphäre in unterschiedlichen Höhen zu analysieren. Zum anderen ermöglicht es bei sehr eng begrenzten Wellenlängenbändern des elektromagnetischen Spektrums zwischen 1,0 und 1,2 Mikrometern (tausendstel Millimeter) durch so genannte "atmosphärische Fenster" einen Blick auf die Oberfläche der Venus und misst die von den heißen Felsen abgestrahlte Wärme.
"Allerdings wird die von den Sensoren empfangene Wärmestrahlung der Venusoberfläche durch die Wolken stark gestreut. Dieses 'Rauschen' ist eine Verfälschung des ursprünglichen Signals und muss erst aus den Messungen herausgerechnet werden, was sich wegen der Komplexität der Venusatmosphäre ziemlich schwierig gestaltet", erklärt Nils Müller, Mitarbeiter in Jörn Helberts VIRTIS-Team am DLR. Als die Planetenforscher die Daten nach mehreren Monaten für die Interpretation aufbereitet hatten, erkannten sie Variationen in den gemessenen Werten. Diese Abweichungen von der an sich sehr homogenen Durchschnittstemperatur auf der Venus korrelierten mit geologischen Großstrukturen, die in den 1990er-Jahren mit Radarmessungen der NASA-Raumsonde Magellan kartiert wurden.
Hinweise auf ältere und jüngere Vulkane - aber nicht auf aktiven Vulkanismus
Das von VIRTIS am besten erfasste Gebiet erstreckt sich entlang des Nullmeridians vom 50. Grad südlicher Breite bis nahe an den Südpol. Vom Hochland Lada Terra konnten in zwei aufeinander folgenden Venusnächten (die 243 Erdentage dauern) insgesamt 297 Infrarotbilder aufgenommen werden. "Damit konnten wir die bisher genaueste Karte der Temperaturen in diesem Gebiet erstellen", freut sich Helbert, "und wenn man die topographischen Karten der Magellan-Mission mit hinzunimmt, dann erkennt man, dass die Anomalien in der Oberflächentemperatur recht gut mit den Umrissen von vulkanischen Komplexen in dieser Region übereinstimmen." Aus unterschiedlichen Wärmestrahlungen schlossen die Wissenschaflter aus unterschiedliches Material, das zu verschiedenen Zeiten abgelagert worden sein könnte. Daraus ergibt sich, dass im untersuchten Gebiet die Struktur der Cocomama Tessera möglicherweise am ältesten ist, gefolgt von vulkanischen Komplexen in Quetzalpetlatl Corona und den erstarrten Lavaströmen Juturna Fluctus, Otygen Coronae und Mylitta Fluctus.
"Wir haben jedoch zwei unterschiedliche Erklärungen für die beobachteten Abweichungen der Temperaturen von den berechneten Durchschnittswerten", erklärt Helbert. Zum einen könnten die Temperaturvariationen ihre Ursache in erstarrten Lavaströmen haben, die mit variabler Mineralogie oder unterschiedlichen physikalischen Eigenschaften aus dem Inneren des Planeten gefördert und über die Oberfläche verteilt wurden. Es könnte aber auch sein, dass die beobachteten Unterschiede von der seit Millionen Jahren währenden Wechselwirkung mit der aggressiven Venusatmosphäre herrühren.
"Das Modell, bei dem der Einfluss der Atmosphäre die Hauptrolle spielt, beinhaltet aber zahlreiche Einschränkungen, deshalb neigen wir dazu, die unterschiedliche Oberflächencharakteristik der Strukturen auf eine 'endogene' Ursache zurück zu führen, also ihren Ursprung in vulkanischen Prozessen zu suchen", so Helbert, "außerdem bekommen wir zum Glück bis zum vorläufigen Missionsende von Venus Express im Mai 2009 noch viele neue Messungen, die uns vielleicht helfen, das Geheimnis der Venusvulkane zu lüften."
Quelle: DLR
Weitere Infos:
- Vollständiger Artikel mit Video- und Bildmaterial unter:
http://www.dlr.de/desktopdefault.aspx/tabid-667/7411_read-12453/