29.10.2020

Verantwortung und Gedenken

Auch DPG-Mitglieder wurden Opfer des NS-Systems.

Im Jubiläumsjahr der DPG befasst sich der Wissenschaftshistoriker Stefan Wolff vom Deutschen Museum mit denjenigen Mitgliedern der DPG, die der Mordmaschinerie des NS-Staates zum Opfer gefallen sind.

„Ihr Tod stand am Ende einer Entwicklung, denn Opfer waren sie wie viele andere schon zuvor geworden, hatte man sie doch bereits ihres sozialen Umfeldes, ihrer ökonomischen Sicherheit sowie in manchen Fällen auch ihrer bereits zuvor deportierten Eltern und Geschwister beraubt“, schreibt Wolff in seinem Artikel in der November-Ausgabe des Physik Journals.

Wolff behandelt darin insbesondere die Entwicklungen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 und nach den Novemberpogromen 1938. Am 9. Dezember 1938 versandte Peter Debye, der damalige Vorsitzende der DPG, ein Rundschreiben, in dem er alle Mitglieder im Deutschen Reich, die im Sinn der Nürnberger Gesetze jüdisch waren, dazu aufforderte, ihre Mitgliedschaft niederzulegen.

Mit dem Verhalten der DPG im Dritten Reich hatte sich ein Projekt unter Leitung zweier Wissenschaftshistoriker, dem Amerikaner Mark Walker und Dieter Hoffmann vom Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte, ab 2002 befasst. Die Ergebnisse wurden in einem umfangreichen Sammelband 2006 zusammengefasst. Zur besonderen Rolle des Niederländers Peter Debye im Nationalsozialismus kam es später zu einer heftig geführten Kontroverse.

Bislang gab es jedoch, abgesehen von einigen kursorischen Erwähnungen, keine zusammenhängende Darstellung über die Schicksale derjenigen Mitglieder der DPG, die dem NS-Regime zum Opfer fielen. Diese nimmt Stefan Wolff in seinem Artikel besonders in den Blick.

Ein Beispiel für ein DPG-Mitglied, das der Verfolgung durch den NS-Staat entkommen konnte, ist Peter Pringsheim (1881 – 1963), seit 1930 ordentlicher Professor der Physik an der Universität Berlin. Pringsheim war bereits im Oktober 1933 nach Brüssel emigriert. Im Jahr 1940 wurde er vom deutschen Einmarsch überrascht, verhaftet und im Oktober in das am Fuße der Pyrenäen gelegene französische Lager Camp de Gurs überstellt. Mit Hilfe seines Schwagers Thomas Mann und James Franck kam es zu seiner Freilassung. Im Februar 1941 brachte ihn ein Schiff von Lissabon nach New York.

Zwei Mitarbeitern von Pringsheim, Fritz Duschinsky und Emanuel Oskar Wasser, gelang es dagegen nicht mehr, dem Einflussbereich des Deutschen Reiches zu entkommen. Sie wurden später von Frankreich nach Auschwitz deportiert und ermordet.

Auch Alfred Byk (1878 − 1942), Professor für Physik und physikalische Chemie in Berlin, konnte der Verfolgung durch die Nazis nicht entkommen. Seine akademische Karriere endete im April 1933. Vergeblich versuchte er zu emigrieren. Im Juni 1942 wurde Byk deportiert und schließlich in Sobibor ermordet. Eine Kurzbiographie von Alfred Byk im November-Heft des Physik Journals bildet den Auftakt zu einer Artikel-Serie, die an DPG-Mitglieder erinnert, die Opfer des Nationalsozialismus wurden.

Den Umgang der DPG mit ihrer Geschichte in der NS-Zeit hat auch der Meinungsbeitrag zum Thema. „Wir müssen immer wieder gegen eine Relativierung der NS-Diktatur ankämpfen und prüfen, wie wir mit unserer Geschichte umgehen, ohne sie in Vergessenheit geraten zu lassen,“ schreibt Christian Forstner, Wissenschaftshistoriker an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und seit 2011 Leiter des DPG-Fachverbands Geschichte der Physik.

„Die Geschichte lehrt uns, dass dies nur in einer freien, offenen und demokratischen Gesellschaft möglich ist. Sie verpflichtet uns, unsere gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und jenseits von Parteigrenzen diese Werte nicht nur in der Wissenschaft zu vertreten, sondern sie in die Gesellschaft zu tragen und dem wieder aufkeimenden Nationalismus, Antisemitismus und Rassismus in aller Schärfe entgegenzutreten“, betont Forstner.

Physik Journal / Alexander Pawlak
 

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