13.08.2024

Verborgene Harmonien

Magnon-Phonon-Fermi-Resonanz in einem Antiferromagneten entdeckt.

Noch zu langsame und zu energiehungrige Datenspeicher begrenzen die Effizienz und Nachhaltigkeit heutiger Daten­verarbeitungs­technologien. Rechenzentren werden schon bald voraus­sichtlich rund zehn Prozent der weltweiten Energie­erzeugung für sich benötigen. Dieser Anstieg ist unter anderem auf die Eigenschaften der verwendeten Speicher­materialien – Ferromagnete – zurückzuführen. Forschende weltweit suchen deshalb nach schnelleren und energiesparenden Materialien. Zu den vielver­sprechendsten Kandidaten zählen Antiferro­magnete – Materialien, die nicht nur robustere und tausendfach schnellere Lese- und Schreiboperationen verheißen, sondern auch häufiger in der Natur vorkommen als ihre ferro­magnetischen Gegenstücke. Das Verständnis und die Kontrolle dieser Quanten­materialien sind der Schlüssel zur Weiter­entwicklung zukünftiger Technologien. Ein inter­nationales Team um Forschende vom Helmholtz Zentrum Dresden Rossendorf HZDR berichtet nun über einen großen Schritt nach vorn.

Abb.: Illustration der Magnon-Phonon-Fermi-Resonanz in einem Antiferromagneten.
Abb.: Illustration der Magnon-Phonon-Fermi-Resonanz in einem Antiferromagneten.
Quelle: B. Schröder, HZDR

Die Wechselwirkung zwischen Spins und dem Kristallgitter eines Materials ist für spintronische Anwendungen von wesentlicher Bedeutung, da sie den Spin – das magnetische Moment des Elektrons – nutzen, um Informationen in magnetische Bits zu schreiben. In ferro­magnetischen Materialien treten diese Spins stark in Wechselwirkung und erzeugen eine Spinwelle, die sich durch das Material ausbreiten kann. Spinwellen sind interessant, weil sie Informationen transportieren können, ohne dabei Elektronen zu bewegen – anders als die elektrischen Ströme in heutigen Computerchips. Das bedeutet, dass weniger Energie­verluste durch Wärme auftreten. Und ebenso wie sich Licht als Photonen beschreiben lässt, haben auch Spinwellen ihre eigenen Quasiteilchen, die Magnonen. Schwingen die Atome im Gitter eines Materials gleichmäßig, wird diese Bewegung wiederum durch weitere Quasiteilchen, die als Phononen bezeichnet werden, beschrieben.

Die Forschungsarbeiten des Teams konzentrierten sich auf das antiferro­magnetische Material Kobalt­difluorid (CoF2), in dem ebenfalls Magnonen und Phononen vorhanden sind, nur dass die Spins antiparallel ausgerichtet sind, was eine tausendmal schnellere Spindynamik als bei herkömmlichen ferro­magnetischen Materialien ermöglicht – und womöglich ein schnelleres und energie­effizienteres Lesen und Schreiben von Datenbits. Die Spindynamik selbst haben die Forschenden mittels Licht im Terahertz-Frequenz­bereich angeregt.

Vor fast einem Jahrhundert erstmalig bei Kohlendioxid beschrieben, tritt auf atomarer und molekularer Ebene darüber hinaus die Fermi-Resonanz auf. Dazu müssen zwei durch die Aufnahme von Wärmeenergie hervor­gerufene Schwingungs­moden interagieren, wobei eine die doppelte Frequenz der anderen aufweist. Das Prinzip der Fermi-Resonanz wurde bisher getrennt entweder auf magnonische oder phononische Systeme ausgeweitet. Nun erreichte das Team jedoch zum ersten Mal eine starke Kopplung zwischen dem Spin und dem Kristallgitter, die eine gegen­seitige Energieübertragung zwischen diesen Teilsystemen eines antiferro­magnetisch geordneten Materials darstellt.

Experimentalphysiker und Theoretiker des Institute for Molecules and Materials (IMM) der Radboud-Universität, des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf (HZDR), der Universität zu Köln und des Ioffe-Instituts haben einen neuartigen Energieübertragungs­kanal zwischen Magnonen und Phononen in einem Antiferro­magneten unter der Bedingung der Fermi-Resonanz entdeckt. Dies könnte in Zukunft die Kontrolle solcher antiferro­magnetischen Systeme im Hinblick auf eine schnellere und energie­effizientere Daten­speicherung ermöglichen. Die Forschenden nutzten den intensiven beschleuniger­basierten Terahertz-Laser am ELBE-Zentrum für Hochleistungs-Strahlungsquellen des HZDR, um die antiferromagnetische Spinresonanz gezielt anzuregen. Durch ein mehrere Tesla starkes externes Magnetfeld konnten sie die Resonanz­frequenz gezielt verändern. Diese Konfi­guration ermöglichte es ihnen, die Spinresonanz- mit den Gitterschwingungs­frequenzen unter der Bedingung der Fermi-Resonanz abzustimmen. 

Das Team stieß dabei auf ein neues Regime der gekoppelten Magnon-Phonon-Dynamik, das einen Energie­austausch zwischen diesen beiden Teilsystemen unter den Bedingungen der Fermi-Resonanz ermöglicht. Durch Abstimmung der Frequenzen der Magnonen lässt sich dieser Prozess kontrollieren und ins­besondere die Magnon-Phonon-Kopplung verstärken. Dieses neue Regime ist als Verbreiterung der Phononen­spektren und einer asymme­trischen Umverteilung des spektralen Gewichts der Phononen beobachtbar. Letztlich deuten die Ergebnisse auf einen hybridisierten Zwei-Magnonen-ein-Phonon-Zustand hin. Die Arbeit könnte sich für jene Bereiche der Magnonik und Phononik als wichtig erweisen, in denen die kohärente Energie­kontrolle eine zentrale Rolle spielt.

Die Forschungs­ergebnisse zeigen einen Weg auf, wie die Spin-Gitter-Kopplung antiferro­magnetischer Materialien gezielt beeinflusst werden kann. Das ermöglicht erstens eine beträchtliche Ausweitung der herkömmlichen Betriebs­frequenzen ferro­magnetischer Materialien vom Gigahertz- bis in den Terahertz-Bereich. Zweitens könnte dies die Effizienz des magne­tischen Schreib­vorgangs erheblich verbessern und den Gesamt­energieverbrauch erheblich senken. Die Ergebnisse bieten daher eine innovative Möglichkeit, die Dynamik von Antiferro­magneten zu kontrollieren, was zu konzeptionell neuen Datenspeicher­technologien auf der Grundlage solcher Materialien führen kann. In zukünftigen Studien will das Forschungsteam untersuchen, ob die Bedingung der Fermi-Resonanz auf die Kontrolle anderer neuartiger Quanten­materialien ausgeweitet werden kann, was zu Fortschritten in der Material­wissenschaft und Quanten­technologie führen könnte.

HZDR / JOL

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