06.06.2023

Verborgene Sternkinderstuben

Riesiger Infrarot-Atlas von fünf nahe gelegenen Sternentstehungsgebieten veröffentlicht.

Mit dem Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy (VISTA) der ESO haben Astronomen einen riesigen Infrarot-Atlas von fünf nahe gelegenen Stern­entstehungs­gebieten geschaffen. Dazu haben sie mehr als eine Million Bilder zusammengesetzt. Diese großen Mosaike zeigen junge Sterne im Entstehen, die in dicke Staub­wolken eingebettet sind. Dank dieser Beobachtungen verfügen die Astronomen über ein einzigartiges Instrument, mit dem sie das komplexe Rätsel der Stern­entstehung knacken können.

 

Abb.: Ein Infrarotbild des Objekts HH 909 A im Sternbild Chamäleon (Bild: ESO...
Abb.: Ein Infrarotbild des Objekts HH 909 A im Sternbild Chamäleon (Bild: ESO / S. Meingast et al.)

„Auf diesen Bildern können wir selbst die schwächsten Lichtquellen erkennen, wie etwa Sterne, die weit weniger massereich sind als die Sonne. Damit können wir Objekte entdecken, die noch nie zuvor gesehen wurden“, sagt Stefan Meingast, Astronom an der Universität Wien in Österreich und Hauptautor der neuen Studie. „Dadurch können wir die Prozesse verstehen, die Gas und Staub in Sterne verwandeln.“

Sterne entstehen, wenn Gas- und Staubwolken unter ihrer eigenen Schwerkraft zusammenstürzen. Aber wie das im Einzelnen vor sich geht, ist nicht vollständig geklärt. Wie viele Sterne werden aus einer Wolke geboren? Wie massereich sind sie? Wie viele Sterne werden auch Planeten haben?

Um diese Fragen zu beantworten, untersuchte das Team von Meingast fünf nahe gelegene Stern­entstehungs­gebiete mit dem VISTA-Teleskop am Paranal-Observatorium der ESO in Chile. Mit der VISTA-Infrarotkamera VIRCAM fing das Team Licht ein, das tief aus dem Inneren der Staubwolken kam. „Der Staub verdeckt die Sicht auf diese jungen Sterne und macht sie für unsere Augen praktisch unsichtbar. Nur bei Infrarot-Wellenlängen können wir tief in diese Wolken hineinschauen und die entstehenden Sterne studieren“, erklärt Alena Rottensteiner, Doktorandin an der Universität Wien und Mitautorin der Studie.

Die Visions genannte Studie beobachtete Stern­entstehungs­gebiete in den Sternbildern Orion, Ophiuchus, Chamäleon, Corona Australis und Lupus. Diese Regionen sind weniger als 1500 Lichtjahre entfernt und so groß, dass sie ein riesiges Gebiet am Himmel abdecken. Der Durchmesser des VIRCAM-Sichtfelds ist so groß wie drei volle Monde, wodurch es sich in einzigartiger Weise für die Kartierung dieser immens großen Regionen eignet.

Über einen Zeitraum von fünf Jahren hat das Team mehr als eine Million Bilder aufgenommen. Die einzelnen Bilder wurden dann zu den hier veröffentlichten großen Mosaiken zusammengesetzt, die riesige kosmische Landschaften zum Vorschein bringen. Diese detaillierten Panoramen zeigen dunkle Staub­flecken, leuchtende Wolken, neugeborene Sterne und die fernen Hintergrund­sterne der Milchstraße.

Da dieselben Gebiete wiederholt beobachtet wurden, können die Astronomen mit den Visions-Daten auch untersuchen, wie sich junge Sterne bewegen. „Mit Visions beobachten wir diese Baby-Sterne über mehrere Jahre hinweg, sodass wir ihre Bewegung messen und erfahren können, wie sie ihre Elternwolken verlassen“, erklärt João Alves, Astronom an der Universität Wien und leitender Forscher von Visions. Das ist kein leichtes Unterfangen, denn die scheinbare Verschiebung dieser Sterne ist von der Erde aus gesehen so klein wie die Breite eines menschlichen Haares aus zehn Kilometern Entfernung. Diese Messungen der Stern­bewegungen ergänzen die Messungen der Gaia-Mission der Europäischen Weltraum­organisation bei sichtbaren Wellenlängen, wo junge Sterne durch dicke Staubschleier verdeckt sind.

Der Visions-Atlas wird Astronomen auf Jahre hinaus beschäftigen. „Dieser Atlas hat einen enormen, nachhaltigen Wert für die astronomische Gemeinschaft, weshalb die ESO öffentliche Durchmusterungen wie Visions fördert“, sagt Monika Petr-Gotzens, eine Astronomin bei der ESO in Garching, Deutschland, und Mitautorin dieser Studie. Darüber hinaus wird Visions den Grundstein für künftige Beobachtungen mit anderen Teleskopen wie dem Extremely Large Telescope (ELT) der ESO legen, das derzeit in Chile gebaut wird und noch in diesem Jahrzehnt in Betrieb gehen soll. „Mit dem ELT können wir in bestimmte Regionen mit noch nie dagewesenem Detail­reichtum hineinzoomen und so einen beispiellosen Blick auf einzelne Sterne werfen, die sich dort gerade bilden“, so Meingast abschließend.

MPIA / DE
 

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