Verbrannt in Roten Riesen?
Bei der Kernfusion in Sternen entsteht nicht nur Helium-4, sondern auch Helium-3. Doch warum findet man letzteres nicht?
?
Bei der Kernfusion in Sternen entsteht nicht nur Helium-4, sondern auch Helium-3. Doch warum findet man letzteres nicht?
Bei der Kernfusion in Sternen entsteht nicht nur Helium-4, sondern auch das Isotop Helium-3. Wenn sich sonnenähnliche Sterne dann am Ende ihres Lebens zu Roten Riesen aufblähen, dann sollte ein großer Teil dieses Heliums in den Weltraum abströmen. Doch die Häufigkeit von Helium-3 im interstellaren Medium entspricht ziemlich genau dem Wert, den die Theorie der Nukleosynthese für den Urknall vorhersagt. Ist also diese Theorie oder unser Verständnis der Sternentwicklung falsch? Ein Team amerikanischer und australischer Astrophysiker hat nun eine andere Lösung für das Helium-Problem gefunden: Das Helium-3 wird durch Turbulenzen im Sterninneren wieder nach innen in die Fusionszone transportiert und dort in Helium-4 umgewandelt.
„Wir sind davon überzeugt, dass die zusätzliche Durchmischung, die wir in unseren Simulationen sehen, eine befriedigende Antwort auf das Problem der Übereinstimmung der He-3 Häufigkeit mit der Urknall-Nukleosynthese liefert“, schreiben Peter Eggleton und David Dearborn vom amerikanischen Lawrence Livermore National Laboratory sowie John Lattanzio von der australischen Monash University in ihrer Veröffentlichung in der Online-Ausgabe des Fachblatts „Science“.
Abb.: Die pp-Kette: Aus vier Protonen entsteht schließlich ein Helium-4 Kern. Am Rand der Kernfusionszone im Inneren eines Sterns läuft dieser Prozess aber nicht immer vollständig ab - es bleibt Helium-3 zurück. (Quelle: University of Tennessee)
Während der bei sonnenähnlichen Sternen mehrere Milliarden Jahre währenden Phase des Wasserstoffbrennens wird im Zentrum der Sterne zwar überwiegend Helium-4 produziert. Doch etwas außerhalb der Haupt-Fusionszone läuft die so genannte pp-Kette, in der vier Protonen auf direktem Weg sukzessive einen He-4-Kern aufbauen, nur unvollständig ab: Es entsteht Helium-3 statt Helium-4 (Abb.). Da es tief im Inneren von Sternen dieser Größe keine Konvektion gibt, also keine Durchmischung, sammelt sich das Helium-3 außerhalb der Fusionszone an. Im Maximum kann die He-3-Häufigkeit auf diese Weise das 18fache des ursprünglichen Wertes erreichen.
Wenn dann die Fusion im Sternzentrum erlischt und sich nur in einer dünnen, langsam nach außen wandernden Schale fortsetzt, bläht sich der Stern zu einem Roten Riesen auf. Dabei werden die Außenschichten des Sterns turbulent und die so entstehende Konvektionszone dringt bis fast zur Fusionsschale nach innen vor. Dadurch wird das Helium-3 mit der Materie der Außenschichten durchmischt. Diese Außenschichten stoßen Rote Riesen jedoch durch einen starken Sternwind ab - somit sollte das interstellare Medium mit Helium-3 angereichert werden.
Wie Eggleton, Dearborn und Lattanzio nun zeigen, ist diese Vorstellung vermutlich falsch. Die drei Forscher haben numerische Simulationen der Entwicklung eines sonnenähnlichen Sterns nach dem Ende des Wasserstoffbrennens im Zentrum durchgeführt. Erstmalig haben die Forscher dabei mit hoher Auflösung die Übergänge zwischen den Zonen im Sterninneren in einem dreidimensionalen Modell berechnet.
Dabei zeigte sich zur Überraschung der Astrophysiker, dass sich unterhalb der Konvektionszone eine weitere dünne Turbulenzzone herausbildet, in der durch den Zusammenstoß von je zwei Helium-3-Kernen jeweils ein Helium-4-Kern und zwei Protonen entstehen. Das Entscheidende bei diesem Prozess ist, dass er lokal das mittlere Molekulargewicht verringert: Aus zwei Teilchen entstehen drei und die mittlere Masse pro Teilchen sinkt von 3 auf 2. Dies führt zu einer hydrodynamischen Instabilität, welche die Turbulenz aufrecht erhält und der Schale des Helium-3-Brennens ständig neues Helium-3 zuführt.
Während das Schalenbrennen nach außen wandert, wird auf diese Weise das ursprünglich produzierte Helium-3 also wieder zerstört - somit kann durch den Sternwind des Roten Riesen auch keine Anreicherung des interstellaren Mediums mit Helium-3 mehr stattfinden. Bislang haben Eggleton, Dearborn und Lattanzio diesen Vorgang jedoch nur für einen Stern mit einer Sonnenmasse zeigen können - und auch hier konnten sie wegen des enormen Rechenaufwands nur einen kurzen Zeitabschnitt voll dreidimensional simulieren. Doch die Forscher sind zuversichtlich, dass der Vorgang auch in Sternen im Bereich von 0,8 bis 2 Sonnenmassen für die Vernichtung des Heliums-3 sorgt.
Rainer Kayser
Weitere Infos:
- Originalarbeit:
Peter P. Eggleton, David S. P. Dearborn und John C. Lattanzio, Deep Mixing of 3He: Reconciling Big Bang and Stellar Nucleosynthesis, Science Express (2006).
http://dx.doi.org/10.1126/science.1133065 - Lawrence Livermore National Laboratory:
http://www.llnl.gov - Monash University:
http://www.monash.edu.au
Weitere Literatur:
- D. S. P. Dearborn, Standard solar models, in: The sun in time, S. 159, University of Arizona Press (1991).
- D. S. Balser et al., 3He in the Milky Way Interstellar Medium: Abundance Determinations, Astrophysical Journal 510, 759 (1999).
- G. Bazan et al., Djehuty, a code for modeling stars in three dimensions, in: 3D Stellar Evolution, ASP Conference Proceedings 293 (2003).
- D. S. P. Dearborn et al., Three-dimensional Numerical Experimentation on the Core Helium Flash of Low-Mass Red Giants, Astrophysical Journal 639, 405 (2006).