Verdeckter Blick auf Reionisierung
Epoche der Reionisierung verlief anders als gedacht – Konsequenzen für Radioteleskop-Messungen.
Rund 400.000 Jahre nach dem Urknall hatte sich der Kosmos so weit abgekühlt, dass Protonen und Elektronen gebundene Atome bilden konnten. Damit wurde das kosmische Gas einerseits durchsichtig für die kosmische Hintergrundstrahlung, andererseits begann aber auch das „dunkle Zeitalter“, weil es noch keine Strahlungsquellen im jungen Kosmos gab. Rund 400 Millionen Jahre dauerte es, bis die ersten Sterne aufleuchteten – und die mehrere hundert Millionen Jahre währende Epoche der Reionisierung einläuteten.
Abb.: Mit der Entstehung der ersten Sterne etwa 400 Millionen Jahre nach dem Urknall begann die Epoche der Reionisierung. Die Strahlung der Sterne ionisierte innerhalb einiger hundert Millionen Jahren das kosmische Wasserstoffgas. (Bild: Nasa / WMAP Science Team)
Denn die Strahlung der Sterne erwärmte nicht nur das kosmische Gas, sie führte auch zu einer – erneuten – Ionisierung des Wasserstoffs, daher „Reionisierung“. Modelle und Simulationen zeigen, dass Röntgen-Doppelsterne eine entscheidende Rolle für diese kosmische Epoche spielen. Ihre Röntgenstrahlung heizt das Gas auf, ihre ultraviolette Strahlung ionisiert es. Von besonderer Bedeutung für die Untersuchung dieser Epoche ist die – stark rotverschobene – 21cm-Linie des Wasserstoffs, da sie Aufschluss gibt über die Häufigkeit und Verteilung des neutralen Wasserstoffs in Abhängigkeit vom kosmischen Alter.
Die bisherigen Modelle hatten vorhergesagt, dass sich in der 21cm-Linie Fluktuationen zeigen, die im Verlauf der Reionisierung ansteigen und wieder abfallen. Das Maximum der Fluktuationen sollte etwa dann auftreten, wenn die Hälfte des Wasserstoffs ionisiert ist. Neue Simulationen von Anastasia Fialkov von der Tel Aviv University und ihren Kollegen zeigen nun jedoch, dass dieses simple Bild nicht korrekt ist. Grund dafür ist, dass die Heizung des kosmischen Gases durch die Röntgenstrahlung weit weniger effektiv ist als bislang angenommen. Das Gas bleibt dadurch kühler, erwärmt sich aber gleichmäßiger, da die Strahlung weiter vordringt.
Abb.: Die 25.000 Antennen des Low Frequency Arrays sind in mehreren Stützpunkten konzentriert, die sich in den Niederlanden, Deutschland, Schweden, Großbritannien und Frankreich befinden. (Bild: LOFAR)
Und das hat entscheidende Konsequenzen für die 21cm-Linie: „Statt eines simplen Anstiegs und Abfalls der großräumigen Fluktuationen erwarten wir ein komplexeres Signal mit einem deutlichen Minimum“, so das Forscherteam. In den vergangenen Jahren wurden überall in der Welt neue radioastronomische Anlagen errichtet, um Einblick in diese frühe kosmische Epoche zu erhalten. Ein Beispiel ist LOFAR, das Low Frequency Array, das aus insgesamt 25.000 kleinen Antennen besteht, die über die Niederlande, Deutschland, Schweden, Großbritannien und Frankreich verteilt sind. Die Ergebnisse von Fialkov und ihren Kollegen bedeuten nicht nur, dass die gesuchten Signale aus der Reionisierungsepoche schwächer sind, sondern auch, dass sie schwieriger zu interpretieren sind.
Rainer Kayser
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