Verdrehtes Licht senden und empfangen
Neuartiger Mikrolaser und Photodetektor nutzen Drehimpuls-Multiplexing.
Die Datenmengen im weltweiten Internet steigen beständig an. Rechenzentren müssen immer schnellere Verarbeitungskapazitäten bereitstellen. Die Möglichkeiten, die bestehende Technik immer weiter zu miniaturisieren, sind zwar noch vorhanden, allerdings sind einige Technologien schon ziemlich ausgereizt und keine großen Sprünge mehr zu erwarten. Nun gibt es einen Multiplikationsfaktor, der die Datenübertragung bedeutend voranbringen könnte und der bislang noch nicht Stand der Technik ist: Der Drehimpuls von Photonen bietet einen unabhängigen Freiheitsgrad, um Datenpakete zu bündeln.
Allerdings fehlt es derzeit noch an praktisch einsetzbaren, kompakten Geräten, mit denen sich solche OAM-Pulse (orbital angular momentum) erzeugen und auch wieder nachweisen lassen. Das Problem besteht in einer geschickten Verbindung von Halbleitertechnik und passender Optoelektronik. Zwei internationale Forscherteams unter Leitung von Wissenschaftlern der University of Pennsylvania in Philadelphia haben nun sowohl einen OAM-Mikrolaser als auch einen OAM-Photodetektor vorgestellt, die neue Optionen für photonische Schaltkreisen der nächsten Generation eröffnen.
Das erste Team hat einen speziell designten Mikrolaser entwickelt, der auf einer Halbleiter-Mikrokavität basiert. Diese hat die Form eines Rings mit einem Durchmesser von etwas unter vier Mikrometern. Durch diesen miniaturisierten Ansatz wollen die Forscher die Vorteile integrierter Optiken ins Spiel bringen. Mikrolaser auf einem Chip gelten als kompakte und wenig störanfällige Lösungen. Dabei wollten die Forscher die OAM-Moden mit der gängigen zirkulären Polarisation verbinden, die dem Spindrehimpuls entspricht und deswegen auch als SAM-Zustände (spin angular momentum) bezeichnet werden. Ähnliche Ansätze hatten nun bislang mit dem Problem zu kämpfen, nicht rekonfigurierbar zu sein und bei jeder Wellenlänge immer nur den selben definierten OAM-Zustand aussenden zu können. Wieder andere Geräte können nicht schnell und sicher zwischen den verschiedenen Zuständen umschalten. Deshalb sollte der neue Mikrolaser die Option für echtes Multiplexing eröffnen, also je nach Wunsch unterschiedliche OAM-Moden auszustrahlen. Der Clou bestand darin, die Wechselwirkung zwischen OAM- und SAM-Zuständen zu nutzen, so dass der Mikrolaser eine gewisse Bandbreite verschieden verdrehter Lichtpulse abstrahlen kann.
Dazu entwarfen die Forscher einen Mikroring-Resonator, der zwei Flüstergalerie-Moden erzeugen konnte, einmal in Richtung des Uhrzeigersinns und einmal in Gegenrichtung. Dieser befand sich sich auf einer 200 Nanometer dicken InGaAsP-Mehrfach-Quantentopf-Schicht und war an zwei Kontrollarme angeschlossen, die eine indirekte Kopplung der beiden Moden erlaubten. Durch eine fein gewählte Abstimmung der Geometrie dieser Wellenleiter konnten die Forscher die radialen und azimuthalen Komponenten des elektrischen Feldes beeinflussen. Dadurch koppelten über die Spin-Bahn-Wechselwirkung die rechts- und die linkshändige Polarisation mit den OAM-Moden. Die Entartung zwischen den in Gegenrichtung zirkulierenden Zuständen ließ sich dadurch aufheben, dass die Forscher eine nicht-hermitesche Modenkopplung in Form eines speziellen Wellenleiters einführten. Dank dieser geschickten geometrischen Wahl optischer Komponenten kann der Mikrolaser fünf verschiedene Arten von OAM-Pulsen aussenden, die in Einheiten des Planckschen Wirkungsquantum vom zweifach negativen bis zum zweifach positivem Zustand laufen – und zwar bei einer fixierten Wellenlänge.
Um solche Pulse verwerten zu können, benötigt man aber auch einen OAM-Photodetektor, der zuverlässig zwischen den verschiedenen Zuständen unterscheiden kann. Das zweite Forscherteam nutzte Elektroden aus Wolfram-Ditellurid. Dieses besondere Material ist bei Raumtemperatur ein Weyl-Semimetall mit einer gebrochenen Inversionssymmetrie.
Dank einer passend gewählten Geometrie ist diese Photoelektrode über einen orbitalen photogalvanischen Effekt auf den helikalen Phasengradienten von OAM-Wellen empfindlich. Dabei reagieren die Elektronen im Material auf spezifische Weise auf den Drehimpuls der Photonen, was schließlich zu einem Photostrom proportional zum Bahndrehimpuls der Photonen führt. Mit diesem Photodetektor ließen sich sowohl die verschiedenen Zustände von OAM-Signalen als auch der Beitrag von SAM-Zuständen auseinanderhalten, was für Multiplexing entscheidend ist.
Mit solchen Mikrooptiken könnte in den nächsten Jahren das Multiplexing von Wellenlänge, Polarisation und Bahndrehimpuls deutlich vorankommen. Dabei werden aber nicht nur Faktoren wie Preis und Zuverlässigkeit eine Rolle spielen. Auch die Glasfaserindustrie dürfte noch mit neuen Angeboten aufwarten, denn über längere Strecken drohen bislang die OAM-Moden noch verloren zu gehen.
Dirk Eidemüller
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
Z. Zhang et al.: Tunable topological charge vortex microlaser, Science 368, 760 (2020); DOI: 10.1126/science.aba8996 - Z. Ji et al.: Photocurrent detection of the orbital angular momentum of light, Science 368, 763 (2020); DOI: 10.1126/science.aba9192
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Electrical and Systems Engineering, University of Pennsylvania, Philadelphia
JOL