14.06.2006

Vereinigt durch Abstoßung

Physiker aus Innsbruck haben einen neuen Bindungszustand zwischen ultrakalten Rubidiumatomen entdeckt.


Vereinigt durch Abstoßung

Physiker aus Innsbruck haben einen neuen Bindungszustand zwischen ultrakalten Rubidiumatomen entdeckt.

Innsbruck (Österreich) - Der Mond kreist um die Erde, das negativ geladene Elektron um den positiven Wasserstoffkern: Anziehende Kräfte ermöglichen solche Paarbildungen. Dass solche Bindungen in der Physik auch mit sich eigentlich abstoßenden Teilchen funktionieren, demonstrierten nun Wissenschaftler der Universität Innsbruck. In der Zeitschrift „Nature“ beschreiben sie einen neuen Bindungszustand, den sie zwischen ultrakalten Rubidiumatomen beobachtet haben.

„Es bildet sich ein stark korreliertes System, das sehr einem Molekül gleicht“, erklärt Johannes Hecker Denschlag vom Institut für Experimentalphysik. Nur die Bindungsenergie habe dabei das „falsche“ Vorzeichen, sodass sich die einzelnen Rubidiumatome eigentlich stark abstoßen müssten. Doch mit einem Lichtgitter aus Laserstrahlen gelang ihnen der experimentelle Nachweis dieser paradoxen Atompaare, die sich einer klassischen Erklärung entziehen.

Den Ausgangspunkt des Versuchs bildet ein Bose-Einstein-Kondensat aus etwa 600.000 Rubidium-Atomen. Um dieses legten Hecker Denschlag und Kollegen langsam ein dreidimensionales, optisches Gitter aus Laserstrahlen. Dieses bildet eine komplexe Struktur aus Potenzial-Wällen, die sich periodisch mit einem Abstand von 415,22 Nanometer anordnen. In einigen Potenzialmulden dieses atomaren „Eierkartons“ fanden sie nun nicht - wie erwartet - nur ein, sondern zwei Atome. Und diese bildeten ein repulsiv gebundenes Paar. Obwohl sich die Atome abstoßen, können sie den Gitterplatz nicht verlassen. Denn sie behindern sich bei der klassisch zu erwarteten Flucht gegenseitig. Selbst wenn diese Paare mit anderen Atomen kollidieren, lösen sie ihre unheimliche Verbindung nicht auf.

Für die Erklärung dieses überraschenden Effekts suchte Hecker Denschlags Team die Unterstützung von den theoretischen Physikern um Peter Zoller vom Innsbrucker Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI). Diese belegten mit dem so genannten Bose-Hubbard-Modell, dass in der Quantenwelt nicht unbedingt Anziehungskräfte für die Bildung von stabilen Bindungen nötig seien. Eine Abstoßung könne dies ebenfalls leisten. Denn in der periodischen Anordnung des Lichtgitters kann ein Teilchen seine Energie nicht kontinuierlich verändern. Das optische Gitter verhindert, dass die großen Abstoßungskräfte zwischen den Atomen in kinetische Energie umgewandelt werden können. So wird ein sich abstoßendes Paar stabil, da eine Trennung aus Gründen der Energieerhaltung zu verbotenen Zuständen der Atome führen würde.

Dieses Experiment dient nicht nur der Grundlagenforschung, sondern kann auch Impulse für zukünftige Quantencomputer liefern. Schon heute existieren Ideen, mit diesen in optische Gitter eingefangenen Rubidiumatomen und -paare entsprechende Berechnungen vorzunehmen. Bis dahin steht den Physikern eine Spielwiese für quantenmechanische Prozesse zur Verfügung, die in der normalen Alltagswelt nicht beobachtet werden können. „In der zukünftigen Forschung mit optischen Gittern und kalten Atomen werden wir immer wieder auf repulsiv gebundene Atome stoßen“, sagt Hecker Denschlag. Es sei sogar vorstellbar, dass drei oder noch mehr Atome an einem Gitterplatz zusammenfinden und diesen seltsam gebundenen Zustand eingingen.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • Jaksch, D. & Zoller, P. The cold atom Hubbard toolbox. Ann. Phys. 315, 52 (2005).   
  • Bloch, I. Ultracold quantum gases in optical lattices. Nature Phys. 1, 23 (2005).   
  • Dürr, S., Volz, T., Marte, A. & Rempe, G. Observation of molecules produced from a Bose-Einstein condensate. Phys. Rev. Lett. 92, 020406 (2004).

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