28.03.2017

Verhedderte Wirbel in suprafluidem Helium

Rotierende Supraflüssigkeit bildet Grenzschicht aus turbulenten Wirbeln und zeigt Grenzen der Reibungsfreiheit.

Das Edelgas Helium wird bei -269 Grad flüssig und bei -271 Grad supraflüssig. Die Supra­fluidität hat den Vorteil, dass beim Kontakt mit einer Grenzfläche keine Reibungs­kräfte wirken. Doch die völlig widerstands­lose Bewegung funktioniert nur bei perfekt glatten Kontakt­flächen. Eine Gruppe theoretischer Physiker der britischen Universität in Newcastle simulierte nun das dynamische Verhalten von supra­fluidem Helium im Kontakt mit einer strukturierten Fläche. Dabei konnte sich eine dünne Schicht von winzigen, ineinander verhedderten Quanten­wirbeln stabilisieren. Dieses Ergebnis könnte Auswirkungen etwa auf die Kühlung supraleitender Magnete haben, deren Kryostaten mit flüssigem Helium durchflossen sind.

Abb.: Verhedderte Wirbel in flüssigem Helium: Diese Simulation zeigt die komplexe Dynamik einer suprafluiden Flüssigkeit (rot) an kleinen Unebenheiten (gelb). (Bild: G. W. Stagg et al., Newcastle Univ.)

„Wir simulierten, wie eine Supraflüssigkeit über eine raue Oberfläche strömt“, sagt Nick G. Parker vom Joint Quantum Centre JQC an der Universität Newcastle. „Und wir waren überrascht, dass sich das Ergebnis deutlich vom bisherigen Modell für strömende Supra­flüssigkeiten unterschied.“ Für dieses Ergebnis entwickelte Parker zusammen mit seinen Kollegen ein komplexes, drei­dimensionales Modell, um das Verhalten von supra­fluiden Helium an Grenzflächen zu ermitteln. Dabei erkannten die Forscher, dass die Flüssigkeit zwar – wie erwartet – keine Strömungs­reibung im klassischen Sinn zeigte, sich dafür aber zahlreiche Wirbel bilden konnten, die wie Mini-Tornados über die Grenzfläche fegten.

Um eine raue Grenzfläche in die Simulation zu integrieren, gingen Parker und Kollegen von einem winzigen Nano­draht aus einer Niobtitan-Legierung aus, die sie virtuell auf eine sonst völlig glatte Oberfläche legten. Strömte nun suprafluides Helium über diese Nanos­strukturen, blieb die Strömung bis zu einer Grenz­geschwindigkeit homogen und reibungsfrei. Strömte das Helium jedoch etwas schneller, bildeten sich zahlreiche Wirbel aus. Diese verteilten sich unregel­mäßig über die Grenz­fläche und verhedderten zunehmend. „Dabei formten sie eine dichte verknitterte Schicht aus Wirblen, die sich entlang der Grenzfläche ausbildete“, beschreibt Parker die supra­flüssige Grenz­schicht.

Die Wirbel verursachten sogar ein Verhalten, das vergleichbar mit einer klassischen Flüssigkeit war. So wurde eine rotierende Supra­flüssigkeit von der Wirbelschicht nach und nach abgebremst – ähnlich wie einer klassischen Flüssigkeit über die Strömungs­reibung Bewegungs­energie entzogen wird.

Parkers theoretische Vorhersage zeigt nun erstmals, wie Supra­flüssigkeiten über realistische, nicht perfekt glatte Oberflächen strömen könnten. Aufbauend auf der Simulation könnten nun Experimente folgen, um die Existenz der ineinander verhedderten Wirbel zu belegen. Das Ergebnis wäre nicht nur für die Grundlagen­forschung interessant. Da flüssiges Helium auch in supraleitenden Magneten etwa in Teilchen­beschleunigern genutzt wird, ließe sich die Kühlung dieser Magnete mit einem besseren Verständnis des supra­flüssigen Heliums optimieren.

Jan Oliver Löfken

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