05.08.2010

Verlustfreies Metamaterial

Optisch gepumptes Material mit negativem Brechungsindex macht seine Lichtabsorption wett.

Optisch gepumptes Material mit negativem Brechungsindex macht seine Lichtabsorption wett.

Metamaterialien sind Verbundwerkstoffe mit neuartigen Eigenschaften. So haben „linkshändige“ optische Metamaterialien einen negativen Brechungsindex. Sie brechen das Licht in die falsche Richtung, so dass der einfallende und der gebrochene Strahl zur selben Seite des Lotes liegen. Damit wird eine optische Abbildung unterhalb der Beugungsgrenze möglich. Inzwischen kann man optische Metamaterialien so fein strukturieren, dass sie im Bereich des sichtbaren Lichtes arbeiten. In den bislang entwickelten Strukturen treten indes starke Absorptionsverluste auf, die einer praktischen Nutzung im Wege stehen. Doch jetzt haben Forscher an der Purdue University ein „linkshändiges“ Metamaterial vorgestellt, das diese Verluste kompensiert, wenn es optisch gepumpt wird.

  

Abb.: Das verlustfreie Metamaterial mit Fischnetzstruktur. (Bild: Shumin Xiao et al., Nature)

Das von Vladimir Shalaev und seinen Kollegen entwickelte Metamaterial lag eine Fischnetzstruktur zugrunde, mit der die Forscher schon früher verschiedene linkshändige Materialien für sichtbares Licht ausgestattet hatten. Diese Materialien absorbierten allerdings das Licht recht stark: Bei einer Wellenlänge von 580 nm war der komplexe Brechungsindex n = –0,25 + i 0,83. Die Gütezahl, also der Betrag des Verhältnisses von Real- zu Imaginärteil, war demnach nur 0,3. Die Fischnetzstruktur bestand aus Silber- und Aluminiumoxidschichten, die sich abwechselten und in denen schachbrettförmig angeordnete Löcher waren (s. Abb.). Die starken Absorptionsverluste traten in den Silberschichten auf.

Die Fischnetzstruktur ist äquivalent zu zwei Scharen von parallelen Balken aus Silber und Aluminiumoxid, die sich senkrecht kreuzen. Fällt eine elektromagnetische Welle auf die oberste Schicht, so ruft die zur einer Balkenschar parallele Komponente des magnetischen Feldes der Welle einen resonanten Response mit µ<0 hervor, die zur anderen Balkenschar parallele elektrische Komponente einen nichtresonanten Response mit ε<0. Insgesamt ergibt sich eine Resonanz mit realem n<0. Das gilt jedoch nur im idealen, verlustfreien Fall. Tatsächlich fließen in den Silberschichten Ströme, die aufgrund des elektrischen Widerstands zu unvermeidlichen Absorptionsverlusten führen.

Das neue „verlustfreie“ Metamaterial ist so aufgebaut, dass seine Absorptionsverluste kompensiert werden können. Dazu haben die Forscher für die isolierenden Schichten zwischen den Silberlagen statt Aluminiumoxid ein Epoxidharz verwendet, das mit dem Farbstoff Rhodamin 800 dotiert war. Der Farbstoff diente als Verstärkungsmedium. Wurde er mit einem Laserpuls gezielt angeregt, so konnte er ein anschließendes Lichtsignal durch stimulierte Emission verstärken.

Zunächst zeigten die Forscher, dass das neue Metamaterial trotz seines veränderten Aufbaus noch immer linkshändig war, auch wenn der Farbstoff nicht gezielt angeregt wurde. Dazu maßen sie mit 2 ps langen Weißlichtpulsen die Lichtdurchlässigkeit, die Reflexion und das Absorptionsvermögen des Materials für einen Wellenlängenbereich von 650 nm bis 850 nm. Die Messungen ergaben, dass das Material eine Resonanz bei 725 nm hatte, wo auch der Fluoreszenzpeak des verwendeten Farbstoffs lag. Der Brechungsindex war für Wellenlängen zwischen 720 nm und 760 nm negativ und erreichte bei 740 nm den Wert –0,86. Bei 737 nm hatte die Güte mit 1 den größten Wert. Numerische Simulationen stimmten hervorragend mit den Messergebnissen überein.

Dann regten Shalaev und seine Kollegen den Farbstoff mit einem 2 ps langen Laserpuls von 690 nm Wellenlänge an, dem in variablem zeitlichem Abstand der Weißlichtpuls folgte. Der Zeitabstand wurde dann so gewählt, dass die gemessene Lichtdurchlässigkeit maximal wurde. Tatsächlich verdoppelte sie sich zwischen 712 nm und 736 nm aufgrund der Lichtverstärkung durch den Farbstoff. Ein Ausbleichen des Farbstoffs schließen die Forscher als Ursache für die erhöhte Lichtdurchlässigkeit aus. Die numerischen Simulationen zeigten, dass Lichtverstärkung zwischen 722 nm und 738 nm auftrat während der Brechungsindex zwischen 720 nm und 760 nm negativ war und den Wert –1.0 hatte. Die Güte nahm bei 737 nm von 1 (ohne Anregungspuls) auf 26 (!) zu. Möglicherweise lag die Güte bei anderen Wellenlängen noch wesentlich höher. Eine direkte experimentelle Bestätigung dieser Simulationsergebnisse steht noch aus.

Die Forscher glauben, dass sie durch geeignete Änderungen der Struktur des Metamaterials einen negativen Brechungsindex und eine hohe Güte in einem noch wesentlich größeren Wellenlängenbereich erzielen können. Doch schon jetzt haben sie die Entwicklung praktisch nutzbarer linkshändiger Metamaterialien ein großes Stück vorangebracht.

RAINER SCHARF


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