Verschattung auf Knopfdruck
Schaltbare Flüssigkeiten verbessern Energieeffizienz von Gebäuden.
Neben energieintensiven Industriezweigen gehört der Gebäudesektor – vom Einfamilienhaus über Produktions- und Lagerhallen bis zu kommerziell genutzten Gebäuden – zu den größten Schadstoffemittenten. Rund vierzig Prozent des Energiebedarfs sind innerhalb der EU auf das Heizen, Kühlen, Belüften und Beleuchten von Gebäuden zurückzuführen. Diesem Problem widmet sich das an Uni Jena beheimatete Forschungsprojekt „Large-
Abb.: Einen Prototyp des selbstverschattenden Fensters präsentiert Benjamin Heiz aus der Arbeitsgruppe von Lothar Wondraczek. (Foto: J.-P. Kasper, FSU)
„Kernthema unseres Projekts ist die Nutzung von Flüssigkeiten in Gebäudehüllen, zum Beispiel als Wärmeträger oder um zusätzliche Funktionen in Fenster und Fassaden zu integrieren“, erläutert Lothar Wondraczek, Koordinator des Projekts. „Dafür entwickeln wir neuartige Glaswerkstoffe, in die sich großflächige Kanalstrukturen integrieren lassen. In diesen Kanälen zirkuliert dann eine für die jeweilige Anwendung geeignete Flüssigkeit.“
Im neuen Prototypen wird die Flüssigkeit mit kleinen magnetischen Eisenpartikeln angereichert, die sich mit Hilfe eines Magnets herausziehen oder, durch Abschalten des Magnets, wieder zuführen lassen. „Abhängig von der Menge der in der Flüssigkeit enthaltenen Eisenpartikel nimmt die Flüssigkeit einen unterschiedlich starken Grauton an oder färbt sich komplett schwarz“, erklärt Wondraczek. „So wird das Fluidikfenster unterschiedlich stark abgedunkelt. Zusätzlich wird einfallendes Sonnenlicht zunehmend stark absorbiert, wodurch sich die Flüssigkeit erwärmt.“ Der erzielbare Wärmegewinn pro Fläche sei vergleichbar mit dem üblicher solarthermischer Anlagen. „Und im Gegensatz zu herkömmlichen Solarthermieanlagen können diese Systeme sehr einfach in die vertikale Fassade integriert werden.“ Das Schalten – also das Zu- oder Abführen der Partikel in die Flüssigkeit – erfolgt dabei in einem separaten Tank. Ein elektrischer Anschluss am Fenster ist anders als in bisherigen Technologien nicht nötig.
„Der Vorteil großflächiger Fluidikfenster besteht vor allem darin, dass sie Klimaanlagen, Verschattungssysteme und beispielsweise die Warmwasseraufbereitung in einem ersetzen können“, hebt Wondraczek hervor. Hierfür sei die Entwicklung entsprechender großformatiger Glasbauteile zu möglichst niedrigen Kosten der Schlüssel. Die Gläser müssen einerseits die Kanäle enthalten, andererseits über die gesamte Lebensdauer eines Gebäudes unverändert stabil bleiben und sich zudem mit geringem Aufwand in herkömmliche Rahmen von Zwei- oder Dreifachverglasungen integrieren lassen. Dass die drei Aspekte erfüllt werden, konnte das Forschungskonsortium anhand von Prototypen mit einer Gesamtfläche von etwa zweihundert Quadratmetern demonstrieren.
FSU / RK