08.09.2011

Verschmelzende Neutronensterne: Brennöfen für Gold

Der Ort, an dem die schwersten chemischen Elemente im Universum wie Blei oder Gold entstehen, dürfte nun gefunden sein: In einer heftigen Kollision verschmelzende Neutronensterne sind die idealen Produktionsstätten.

Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA) und dem Exzellenzcluster Universe sowie an der Freien Universität Brüssel (ULB) haben mit detaillierten numerischen Simulationen bestätigt, dass die relevanten Atomkernreaktionen tatsächlich bei der Verschmelzung von Neutronensternen ablaufen und dabei die schwersten Elemente in den beobachteten Häufigkeiten entstehen.

Abb.: Die Momentaufnahmen der Verschmelzung zweier Neutronensterne (1. u. 2. v. l.) zeigen etwa die erste hundertstel Sekunde nach der Kollision (3. v. l.). Dabei wird ein Teil der Materie zwischen den Sternen herausgedrückt und von den durch Gezeitenkräften verformten Neutronensternen weggerissen. In dem ausgestoßenen Material laufen die verschiedensten Kernreaktionen ab und führen zur Bildung der schweren Elemente (r., goldfarben; Bild: MPA)

Zwar schmieden massereichere Sterne als die Sonne aus Helium schwerere Elemente. Dieser Prozess funktioniert aber nur bis hin zum Eisen. Weil weiterer Energiegewinn in Fusionsreaktionen nicht möglich ist, können sich noch schwerere Atomkerne so nicht bilden, sondern nur durch Einfang von ungeladenen Neutronen auf mittelschwere Saatkerne. Zwei Prozesse spielen hierbei eine besondere Rolle: der langsame und der schnelle Neutroneneinfang. Der langsame Neutroneneinfang oder s-Prozess (vom englischen “slow” für langsam) läuft bei niedrigen Neutronendichten im Inneren von Sternen in deren späten Entwicklungsstadien ab. Der schnelle r-Prozess (vom englischen “rapid” für schnell) benötigt sehr hohe Neutronendichten. Die Physiker wissen, dass dieser r-Prozess für die Entstehung eines großen Teils der schwersten Elemente mit Kernmassenzahlen A > 80 verantwortlich ist, darunter Platin, Gold, Thorium und Plutonium. Allerdings standen die Wissenschaftler vor der Frage, in welchen astrophysikalischen Objekten dieser Prozess ablaufen kann.

Ein mögliches Szenario bieten Neutronensternpaare, die in einer gigantischen Kollision miteinander verschmelzen. Wissenschaftler am MPA haben nun zum ersten Mal zusammen mit einem Kollegen von der Freien Universität Brüssel (ULB) die Vorgänge, die bei einer derartigen Verschmelzung ablaufen, in allen Schritten im Detail mit Computermodellen berechnet. Sie kombinierten dabei relativistische, hydrodynamische Simulationen des kosmischen Zusammenstoßes mit Berechnungen der Kernreaktionen von über 5000 Atomkernarten in der bei der Sternkollision gewaltsam ausgeschleuderten Materie.

Abb.: Die stabilen, neutronenreichen chemischen Elemente aus der Verschmelzung der Neutronensterne entstehen durch eine komplexe Reihe an Reaktionen: Angefangen mit Neutroneneinfang und Beta-Zerfall auf leichte Saatkerne bilden sich immer schwerere, neutronenreiche Kerne. Sind diese genügend schwer geworden, so zerfallen sie und "recyceln" dabei das Material mehrere Male in leichtere Kerne. Diese Kernprozesse dauern etwa eine Sekunde - sie dauern an, so lange Neutronen verfügbar sind. Wenn schließlich alle Neutronen eingefangen sind, zerfallen die Kerne in stabile Elemente. (Bild: MPA)

Die schweren Elemente werden dabei in verschiedenen Reaktionsketten mehrfach prozessiert (`recycelt'), wobei Zerfälle, die zur Spaltung superschwerer Nuklide führen, eine entscheidende Rolle spielen. Dadurch hängt die endgültige Häufigkeitsverteilung der entstandenen Elemente nur wenig von den Ausgangsbedingungen des Modells ab. Dies passt gut bereits länger gehegten Vermutungen, dass nur die Reaktionseigenschaften der beteiligten Atomkerne ausschlaggebend für die produzierte Elementverteilung sein sollten. Nur so lässt sich verstehen, warum in allen untersuchten Sternen wie auch im Sonnensystem nahezu identische relative Häufigkeiten der schweren r-Prozess-Elemente beobachtet werden.

Die Simulationen zeigten, dass die Häufigkeitsverteilung der schwersten Elemente mit Massenzahlen A > 140 sehr gut mit der in unserem Sonnensystem beobachteten übereinstimmt. Kombiniert man das Ergebnis der Modellrechnungen mit der geschätzten Zahl von Neutronensternkollisionen, die in der Milchstraße stattgefunden haben, so bestätigt sich, dass solche Ereignisse tatsächlich die Hauptquellen der schwersten chemischen Elemente im Universum sein können.

MPA / OD

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