04.06.2009

Verschränkte Mechanik

Am NIST wurden erstmals zwei mechanische Oszillatoren quantenmechanisch verschränkt



Am NIST wurden erstmals zwei mechanische Oszillatoren quantenmechanisch verschränkt

Viele Beobachtungen in der Welt der Atome und Elementarteilchen lassen sich nur mit Hilfe von bizarren Quantenzuständen erklären, für die es in der klassischen Physik keine Entsprechungen gibt. An makroskopischen Objekten hat man bisher weder kohärente Überlagerungszustände a là Schrödingers Katze noch verschränkte Zustände wahrgenommen, bei denen zwei oder mehrere Objekte ihr Verhalten enger abstimmen als es nach den Gesetzen der klassischen Physik möglich ist. Ob und wie sich diese Dichotomie zwischen klassischer und quantenmechanischer Beschreibung auflösen lässt, wird in immer aufwendigeren Experimenten untersucht. So hat man bis zu 8 Ionen in einen verschränkten Zustand gebracht, bei dem die elektronischen Anregungen der Ionen miteinander abgestimmt waren. Jetzt konnte erstmals die Verschränkung zweier mikroskopischer mechanischer Oszillatoren beobachtet werden.

Die beiden mechanischen Oszillatoren bestanden jeweils aus einem Beryllium-9- und einem Magnesium-24-Ion, die in einer linearen Paul-Falle von hochfrequenten elektrischen Feldern so festgehalten wurden, dass das Be-Ion und das Mg-Ion gegeneinander schwingen konnten. Um die beiden Oszillatoren zu verschränken, gingen Dave Wineland und seine Kollegen vom NIST in Boulder schrittweise vor. Sie ordneten die Ionen in der Reihenfolge Be-Mg-Mg-Be an und setzten sie einem Magnetfeld aus, durch das zwei Hyperfeinzustände des Be-Ions so isoliert wurden, dass sie gezielt angeregt werden konnten. Jedes der beiden Be-Ionen war im internen „Spin“-Zustand |↑> oder |↓>. Zunächst verschränkten die Forscher die Spins der beiden Be-Ionen mit einem Verfahren, dass sie vor sechs Jahren entwickelt hatten.

Zwei Laser regten die Be-Ionen zu Übergängen zwischen den Spinzuständen und zu mechanischen Oszillationen an. Diese Schwingungen koppelten die Spins der Ionen, sodass sie den verschränkten Zustand |↑↓> + |↓↑> annahmen. Anschließend wurde das Potential der Paul-Falle so verändert, dass die beiden Ionenpaare voneinander getrennt wurden. Ihre Entfernung betrug daraufhin 0,24 mm – eine geradezu astronomische Distanz, die jede direkte Wechselwirkung zwischen den Ionenpaaren ausschloss. Während die Verschränkung der Spins nicht unter der Trennungsprozedur gelitten hatte, mussten die heftig schwingenden Ionen durch Laserkühlung wieder zur Ruhe gebracht werden. Schließlich befand sich jedes Be-Mg-Paar in seiner eigenen Potentialmulde. Dort konnte es mechanische Schwingungen ausführen, so als wäre zwischen den beiden Ionen eine elastische Feder von 4 µm Länge. Dieser Oszillator war im Grundzustand |0>, während der angeregte Zustand |1> praktisch nicht auftrat.

In den nächsten beiden Schritten übertrugen die Forscher die Verschränkung von den internen Spins-Zuständen auf die externen Schwingungszustände. Sie starteten mit dem Zustand (|↑↓> + |↓↑>)|0,0>, bei dem die Spin verschränkt und die Oszillatoren beide im Grundzustand waren. Mit Laserpulsen unterschiedlicher Energie konnten zwei verschiedene Übergänge eingeleitet werden. Während der eine Laser gezielt einen der beiden Spins flippen konnte, ließ sich mit dem anderen Laser für das gewünschte Ion gleichzeitig der Spin- und der Schwingungszustand ändern, sodass z. B. |↑↓>|0,0> zu |↓↓>|1,0> wurde. Durch geeignete Folgen von Laserpulsen konnten die NIST-Forscher die beiden Ionenpaare zunächst in einen seltsamen Zwitterzustand bringen, bei dem der Spin des einen Be-Ions mit dem Schwingungszustand des anderen Oszillators verschränkt war: |↑> (|↓>|0> – |↑>|1>) |0>.

Im nächsten Schritt wurde die Verschränkung vollständig auf die Oszillatoren übertragen, so dass z. B. der Endzustand |↑↑> (|0,0> – |1,1>) entstand. Je nach den Längen der Laserpulse trat eine relative Phase zwischen den beiden Schwingungszuständen |0,0> und |1,1> auf, die zur Analyse des verschränkten Endzustandes variiert werden konnte. Da sich die Schwingungszustände nicht direkt beobachten ließen, mussten die Forscher die Verschränkung der Oszillatoren indirekt nachweisen. Dazu ließen sie die vier Ionen für etwa 50 µs ungestört. Dann kehrten sie die ganze Prozedur um und übertrugen die Verschränkung zurück auf die internen Zustände der Ionen, die durch Fluoreszenz ausgelesen wurden. Das aufgenommene Signal hing periodisch von den Längen der Laserpulse ab. Seine Amplitude hatte einen Wert, aus dem die Forscher schließen konnten, dass die beiden mechanischen Oszillatoren tatsächlich miteinander verschränkt gewesen waren.

Das Verfahren, mit dem die NIST-Forscher die Verschränkung von den Ionen auf die beiden Oszillatoren übertragen haben, lässt sich vielleicht auch nutzen, um makroskopische mechanische Oszillatoren miteinander zu verschränken. Außerdem kann die nahezu perfekte Kontrolle der Ionen auch bei der Quanteninformationsverarbeitung von Nutzen sein.

RAINER SCHARF


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