Verschränkung auf Knopfdruck
Spins in Diamanten legen Grundlage für ein Quantennetzwerk.
Vor drei Jahren hatten Ronald Hanson von der Technischen Universität Delft und seine Mitarbeiter für eine weltweite Sensation gesorgt, als sie zwei Spins in Diamanten miteinander quantenmechanisch verschränkten, die über einen Kilometer voneinander entfernt waren. Damals ging es darum, durch einen ultimativen Bell-Test die Verletzung von Bells Ungleichung zweifelsfrei nachzuweisen und damit Einsteins lokalen Realismus endgültig zu widerlegen. Da dieses Experiment immer nur jeweils an einem Spinpaar durchgeführt wurde, spielte es keine Rolle, dass die Verschränkung in viel kürzerer Zeit zerfiel als man zu ihrer Erzeugung benötigte. Will man jedoch ein Quantennetz aufbauen, das viele verschränkte Spins enthält, so muss deren Präparation viel schneller erfolgen als ihr Zerfall. Am besten wäre es, wenn man viele Spinpaare auf Knopfdruck gleichzeitig verschränken könnte.
Abb.: Illustration eines Quantennetzwerks, das überlagerte Spinzustände in Mikrodiamanten nutzt. (Bild: TU Delft / Scixel)
Solch eine schnelle Verschränkung auf Wunsch ist Hanson und seinen Kollegen jetzt mit Spins in zwei Mikrodiamanten gelungen, die zwei Meter voneinander entfernt waren. Ähnliches haben nun auch Forscher um Andreas Wallraff von der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich mit zwei supraleitenden Quantenbits geschafft, die durch einen Draht einzelne Mikrowellenphotonen austauschen konnten. Vergleichbare Experimente mit einzelnen Ionen hatte man schon 2015 durchgeführt.
Zunächst haben Hanson und seine Mitarbeiter die Stickstofffehlstellen in den beiden tiefgekühlten Mikrodiamanten in zwei ausgewählten Zuständen präpariert, die den beiden Spinzuständen „up“ und „down“ entsprachen. Mit Mikrowellenpulsen wurde jeder der beiden Spins in einen Überlagerungszustand von „up“ und „down“ gebracht. Während „up“ ein quasi heller Zustand war, der durch einen geeigneten Lichtpuls zum Leuchten gebracht werden konnte, blieb „down“ dunkel. Die Forscher verschränkten die beiden Spins mit einem Lichtpuls, den sie mit einem Strahlteiler zerlegten und durch eine Glasfaser zu den beiden Diamanten führten. War dort der Spin „up“, so strahlte er ein Photon ab, das von einer Glasfaser zu einem zweiten Strahlteiler gebracht wurde. Der vereinte die von den Spins abgegebene Strahlung und leitete sie zu einem Photonendetektor.
Wies der Detektor ein Photon nach, so stand fest, dass einer der beiden Spins „up“ und der andere „down“ war. Da sich aber nicht entscheiden ließ, welcher „up“ und welcher „down“ war, befanden sich die beiden Spins nun in einem verschränkten Zustand (up,down)+c(down,up). Den Phasenfaktor c haben die Forscher interferometrisch gemessen und durch piezoelektrische Dehnung einer der beiden Glasfasern auf dem gewünschten Wert gehalten. Das vom Detektor registrierte Photon war nicht nur die Ursache der Verschränkung, sondern es kündigte sie auch an. Auf Knopfdruck wurde dann solange versucht, die beiden Spins zu verschränken, bis dies zufällig gelang und ein Photon den Erfolg anzeigte. Das dauerte etwa 25 Millisekunden und klappte rund tausendmal schneller als bei früheren Experimenten, die zwei Photonen für die Verschränkung benötigten statt eines.
Abb.: Lichtpulse regen die Fehlstellen in den beiden Diamanten zum Leuchten an (li.). Die abgestrahlten Photonen werden über einen Strahlteiler zu einem Photonendetektor geführt, der sie registriert. Wird ein Photon nachgewiesen, so sind die Spins der Fehlstellen verschränkt. Alle 180 Millisekunden muss die relative Phase im Interferometer (re.) stabilisiert werden. (Bild: P. C. Humphreys et al., NPG)
Mit geeigneten Folgen von Mikrowellenpulsen entkoppelten die Forscher die verschränkten Spins dynamisch von den Störungen durch die Kernspins der 13C-Kerne in den Diamanten. Außerdem verringerten sie so weit wie möglich die Störungen durch äußere Magnetfelder. So konnten sie die Lebensdauer der Verschränkung von fünf Mikrosekunden auf über 200 Millisekunden erhöhen und die verschränkten Spinpaare zehnmal schneller erzeugen als dass sie wieder zerfielen. Die dabei erreichte Fidelity der Verschränkung betrug allerdings nur 0,60 – bei einer Rate von 39 Hertz. Bei gründlicherer aber auch langsamerer Verschränkung bei sechs Hertz lag die Fidelity bei 0,81.
Die Forscher sind zuversichtlich, dass sich diese Werte noch wesentlich verbessern lassen. Damit sind sie bereit, ein Quantennetz mit mehr als zwei Spin tragenden Knoten aufzubauen. „Zusammen mit Partnern wie KPN (der Königlichen Post- und Telefongesellschaft) wollen wir bis 2020 vier Städte in den Niederlanden durch quantenmechanische Verschränkung verbinden. Das wird das erste Quanten-Internet der Welt sein“, sagt Hansen.
Rainer Scharf
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