Verspannte Silizium-Nanodrähte für schnellere Prozessoren
Extreme mechanische Verspannung von Silizium verbessert die elektronischen Eigenschaften des Materials.
Die Möglichkeiten, Mikroprozessoren auf Siliziumbasis leistungsfähiger zu machen, indem man deren einzelne Bauteile immer kleiner macht, stoßen allmählich an ihre Grenzen. Es gibt aber einen anderen vielversprechenden Weg, der zum Teil schon von der Industrie genutzt wird: Wenn man Silizium ausdehnt oder auch komprimiert, entsteht eine mechanische Spannung, die die elektronischen Eigenschaften des Materials verbessern kann. Zum Beispiel erhöht eine Zugsverspannung, wenn sie in die richtige Richtung wirkt, die Beweglichkeit der Elektronen, sodass Transistoren aus so verspanntem Silizium als Schalter deutlich schneller sind. „Es ist an sich keine Kunst, einen Draht zu verspannen – man könnte einfach an beiden Enden kräftig ziehen“, erklärt Hans Sigg vom Labor für Mikro- und Nanotechnologie am Paul Scherrer Institut. „Das Problem ist, dass man einen solchen Draht in dem verspannten Zustand in ein elektronisches Bauteil einbauen muss.“
Abb.: Prinzip des Verfahrens, mit dem man eine hohe mechanische Spannung im Silizium erreicht. Anfangs wirken – durch die Spannung in der Siliziumschicht – Kräfte in alle Richtungen. Ätzt man aus der Schicht einen dünnen Draht heraus, wirken die Kräfte entlang des dünnen Drahts, sodass darin eine hohe Spannung entsteht. (Bild: Paul Scherrer Institut / R. Minamisawa)
Forscher des Paul Scherrer Instituts und der ETH Zürich haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sie in einer Siliziumschicht 30 Nanometer dünne, verspannte Drähte erzeugen können. Deren Spannung ist die höchste, die bislang in einem Material beobachtet worden ist, das als Grundlage für Elektronikbauteile dienen kann. Ziel ist es, auf Basis solcher Drähte leistungsfähige Transistoren für Mikroprozessoren herzustellen. Bei dem Verfahren beginnt man mit einer dünnen Siliziumschicht, die durch Befestigung auf einer Unterlage schon eine Spannung hat. Durch gezieltes Wegätzen des umgebenden Materials erzeugt man in der Siliziumschicht den dünnen Draht, der wie eine winzige Brücke über einer Schlucht hängt und an ihrer schmalsten Stelle die höchste Spannung aufweist.
Auf diese Weise konnten die Forscher Siliziumdrähte erzeugen, die fest mit dem umgebenden Material verbunden sind und eine Spannung aufweisen, die mehr als doppelt so groß ist wie die, die in heute verfügbaren Bauteilen genutzt wird. Als Ausgangsmaterial nutzten sie industriell hergestellte Substrate mit leicht verspannter Siliziumschicht auf einer Siliziumoxidunterlage. „Das war uns sehr wichtig, denn damit zeigen wir, dass unser Verfahren verträglich ist mit den in den Chip-Fabriken gebräuchlichen Materialien und Herstellungsverfahren“, sagt Hans Sigg. „Das Material kann man sich so vorstellen, dass das Silizium in alle Richtungen auseinandergezogen worden ist, bevor man es auf der Oxidunterlage befestigt hat“, erklärt Renato Minamisawa vom Paul Scherrer Institut, der die Experimente zusammen mit Martin Süess von der ETH Zürich durchgeführt hat. Die Unterlage hält das Silizium so stark fest, dass es sich nicht mehr zusammenziehen kann.“
Nun ätzt man geschickt gewählte Teile der Siliziumschicht und dann deren Unterlage mit entsprechenden Ätzmitteln weg, sodass schließlich aus der Siliziumschicht ein dünner Draht entsteht, 30 Nanometer breit und 15 Nanometer dick, der nur an seinen beiden Enden mit dem Rest des Materials verbunden ist. Das Verfahren ist ein Beispiel für die Möglichkeiten moderner Nanotechnologie. So lassen sich in einer Siliziumschicht Tausende solcher Drähte mit genau vorgegebenem Spannungszustand fehlerfrei herstellen. Das Verfahren ist also sehr zuverlässig. „Und es ist skalierbar, das heißt, man kann die Teile mit diesem Verfahren im Prinzip beliebig klein machen“, betont Sigg.
„Da sich jetzt die ganze Kraft, die sich vor dem Ätzen über einen größeren Bereich verteilt hat, auf den Draht konzentriert, entsteht darin eine sehr starke Spannung“, so Minamisawa, „die stärkste Spannung, die man im Silizium je erzeugt hat, vermutlich fast die stärkste, die möglich ist, bevor das Material bricht.“ Um die Spannungsverteilung im Detail zu bestimmen, wurden Raman-spektroskopische Messungen und Computersimulationen im Labor für Nanometallurgie unter Ralph Spolenak an der ETH ausgeführt. In Zukunft sollen die Drähte ebenfalls an der Synchrotron Lichtquelle Schweiz des Paul Scherrer Instituts untersucht werden. Vor allem wird man aber messen wollen, wie stark sich die elektrischen Eigenschaften des Materials verbessert haben.
Das endgültige Ziel wäre, diese Silizium-Nanodrähte als schnelle Transistoren innerhalb von Mikroprozessoren zu nutzen. Dafür werden die Forscher nun mit Kooperationspartnern untersuchen, wie man diese Drähte in eine Transistorstruktur einbetten kann. Dazu muss man sie „dotieren“, also mit kleinen Mengen von Atomen anderer Elemente versehen, in ein dünnes Oxid „einpacken“ und mit metallischen Kontakten versehen. „Aber auch wenn die Drähte am Ende keine Anwendung in der Elektronik finden sollten, könnten unsere Untersuchungen doch zeigen, wo die Grenzen der Silizium-Elektronik liegen“, erklärt Minamisawa.
PSI / DE