04.02.2015

Verstaubte Daten

Die BICEP2-Kollaboration hat doch keinen Nachweis für die kosmische Inflation gefunden, sondern den Einfluss des galaktischen Staubes gemessen.

Als die amerikanische BICEP2-Kollaboration am 17. März 2014 verkündete, erstmalig eine B-polarisierte Komponente der kosmischen Mikrowellenstrahlung auf Winkelskalen von einigen Grad gemessen zu haben, galt das schnell als Sensation. Denn eine plausible Interpretation dafür waren Gravitationswellen aus der kosmologischen Inflationsphase, in der sich das Universum kurz nach dem Urknall exponentiell ausdehnte. Ihr Nachweis wäre nicht nur von fundamentaler Bedeutung für die Kosmologie, sondern für die gesamte Physik. Denn die BICEP2-Wissenschaftler hätten damit den ersten Hinweis auf ein Phänomen der Quantengravitation gefunden und die Energieskala der kosmologischen Inflation zu 1016 GeV bestimmt, was mit der Skala großer vereinheitlichter Theorien übereinstimmt.

Entscheidend für diese Interpretation war es, die Polarisation des kosmischen Mikrowellenhintergrunds vom Einfluss des Staubs in der Milchstraße zu trennen, der ebenfalls zur Polarisation der beobachteten Strahlung beiträgt. Das BICEP2-Team war jedoch überzeugt, durch die Wahl der Beobachtungsregion auf der sicheren Seite zu sein. Das 380 Quadratgrad große „südgalaktische Loch“ ist im Vordergrund nur mit sehr wenig galaktischem Staub „kontaminiert“. Dadurch entfiel eine aufwändige Rekonstruktion des kosmischen Signals, wie sie bei der Planck-Mission für den gesamten Himmel nötig ist.

Dieser Ausschnitt des kosmischen Mikrowellenhintergrundes, aufgenommen von der Planck-Mission, zeigt den Bereich (weiße Linie), den die BICEP2-Kollaboration beobachtet hat, um dort Anzeichen für die Inflationsphase zu finden. (Bild: ESA/Planck Collaboration. Acknowledgment: M.-A. Miville-Deschênes, CNRS – Institut d’Astrophysique Spatiale, Université Paris-XI, Orsay)

Während BICEP2 sowie das Keck-Array vom Südpol aus den kosmischen Mikrowellenhintergrund nur bei einer einzigen Frequenz vermessen haben, beobachtete der Planck-Satellit den Himmel in neun Frequenzkanälen im Mikrowellen- und Sub-Millimeter-Bereich, sieben davon mit polarisationsempfindlichen Detektoren. Daher ließen sich die verschiedenen Beiträge durch eine gründliche Analyse besser trennen. Ein wichtiges Ergebnis: Der Beitrag des Vordergrunds, insbesondere des galaktischen Staubs, fällt wesentlich größer aus als bislang gedacht, auch im Bereich, den BICEP2 sowie das Keck-Array ins Visier genommen hatten.

Die Teams von Planck und BICEP2 haben daher nun eine gemeinsame Analyse aller Daten vorgelegt. Die gemeinsame Arbeit zeigt, dass kein signifikantes Signal einer primordialen B-Mode übrig bleibt, wenn man die Emissionen des galaktischen Staubes abzieht. „Die Analyse zeigt, dass der Anteil der Gravitationswellen vermutlich nicht bei mehr als die Hälfte des beobachteten Signals liegen kann“, sagt Clem Pryke von der University of Minnesota, einer der leitenden Wissenschaftler bei BICEP2.

Die Daten von Planck, BICEP2 und dem Keck-Array identifizieren eine weitere Ursache für eine B-Mode der Polarisation: den Gravitationslinseneffekt, der durch ein kosmisches Netzwerk massereicher Strukturen im frühen Universum verursacht wird. Deren Schwerkraft lenkt die Photonen des kosmischen Mikrowellenhintergrundes ab und polarisiert sie dadurch.

Auch wenn sich die großen Hoffnungen der BICEP2-Kollaboration nicht bewahrheitet haben, ist der Nachweis primordialer Gravitationswellen keinesfalls schon ausgeschlossen. Die Suche nach dem Fingerabdruck der kosmischen Inflation geht also weiter.

Alexander Pawlak / ESA

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