10.08.2006

Vibrierende Kristalle

Erstmals konnten britische Forscher direkt beobachten, wie einfallendes Licht die Atome in einem Kristallgitter zum Wackeln bringt.



Erstmals konnten britische Forscher direkt beobachten, wie einfallendes Licht die Atome in einem Kristallgitter zum Wackeln bringt.

Oxford (Großbritannien) – Licht beeinflusst Materie auf vielerlei Weise. Wie einfallendes Licht die Atome in einem Kristallgitter zum Wackeln bringt, konnten nun britische Forscher direkt beobachten. Mit ultrakurzen Femtosekunden-Pulsen im Röntgenbereich verfolgten sie die Vibrationen im Gitter eines ferroelektrischen Lithiumtitanat-Kristalls. In der Zeitschrift „Nature“ berichten die Wissenschaftler, wie diese Methode einen neuen Einblick in das Verhalten von optisch und elektronisch angeregten Festkörpern erlaubt.

„Dieses Experiment untermauert unser Verständnis von den makroskopischen optischen Eigenschaften von Festkörpern, Flüssigkeiten und Plasmen“, schreiben Andrea Cavelleri und seine Kollegen vom Clarendon Laboratory an der University of Oxford. Als erste Testsubstanz wählten sie ein Lithiumtitanat-Kristall, weil in diesem aufgrund der reduzierten Symmetrie seiner ferroelektrischen Phase eine große optische Nicht-Linearität besteht.

Abb.: Mit gepulster Röntgenstrahlung im Femtosekundenbereich lässt sich die raümliche Lage der geladenen Ionen darstellen, die bei der Ausbreitung eines THz-Pulses in einem ferro-elektrischen Material entstehen. (Quelle: Simon Wall und Andrea Cavalleri, University of Oxford)

Wird dieses Material nun mit einem polarisierten Infrarotstrahl eines gepulsten Lasers bestrahlt (Wellenlänge: 800 Nanometer, Pulsdauer: 70 Femtosekunden), kommt es zu einer zeitabhängigen Polarisation von kohärent angeregten Phonon-Polaritonen. Diese Anregung entspricht anschaulich einem Vibrieren der einzelnen Atome im Kristallgitter.

Die Polaritonen-Wellen wandern entlang der Oberfläche des Kristalls mit Frequenzen im Terahertz-Bereich. Dabei verschieben sich die Ladungen im Kristallgitter in der Größenordnung von tausendstel Nanometern. Mit dem Röntgenlicht einer Beamline am Synchrotronring der Diamond Light Source in Didcot nahe Oxford ließen sich diese Vibrationen direkt verfolgen. Denn je nach der periodisch auftretenden Versetzung der Ladungsträger im Kristallgitter wird der einfallende Röntgenstrahl (7.000 Elektronenvolt, 200 Femstosekunden Pulsdauer) anders gestreut.

Aus dem Diffraktionsmuster dieser reflektierten Röntgenpulse – aufgefangen mit einer speziellen Photodiode – schloss Cavelleri auf diese Bewegungen im Kristallgitter. „Ultraschnelle Röntgendiffraktion von Terahertz-Wellen eröffnet einen Weg zu neuen dynamischen Studien in komplexen Festkörpern“, erläutern die Forscher. Es ist davon auszugehen, dass diese Methode in weiteren Versuchen zur Untersuchung der optischen Eigenschaften von Materialien auf atomarer Ebene angewendet wird.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • Mills, D. L. & Burstein, E. Polaritons: the electromagnetic modes of media. Rep. Prog. Phys. 37, 817 (1974).
  • Wahlstrand, J. K. & Merlin, R. Cherenkov radiation emitted by ultrafast laser pulses and the generation of coherent polaritons. Phys. Rev. B 68, 054301 (2003).
  • Bakker, H. J., Hunsche, S. & Kurz, H. Time-resolved study of phonon polaritons in LiTaO3. Phys. Rev. B 48, 13524 (1993).
  • Bucksbaum, P. H. & Merlin, R. The phonon Bragg switch: a proposal to generate sub-picosecond x-ray pulses. Solid State Commun. 111, 535 (1999).

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