06.04.2010

Vielseitige Biominerale

Aus brüchigen Mineralen bilden Lebewesen hochwertige Verbundmaterialien.

Physik Journal – Aus brüchigen Mineralen bilden Lebewesen hochwertige Verbundmaterialien.

Viele Organismen machen sich für den Aufbau ihrer Gewebe neben Proteinen und anderen biologischen Makromolekülen auch Minerale zunutze. Dabei ermöglicht die Kombination von spröden Mineralkristallen mit weichen Biopolymeren mechanisch belastbare, mineralisierte Gewebe, z. B. für ein funktionsfähiges Skelett. Die Art und Weise, wie die Komponenten zusammengefügt werden, entscheidet über die Eigenschaften der Gewebe. Wie Lebewesen diese Biominerale nutzen, wie sie aufgebaut sind und wie sie wachsen, zeigen Barbara Aichmayer und Peter Fratzl vom MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam in der April-Ausgabe des Physik Journals.

Abb.: Das Perlmutt dieser Muschelschale besteht aus unzähligen Mineralkristallen aus Aragonit (einem Polymorph von Calciumcarbonat). Durch ausreichende Zähigkeit bei gleichzeitiger Härte bieten die Schalen ihren ­Bewohnern hervor­ragenden Schutz. (Bild: Georg Oleschinski, Uni Bonn)

Ob Knochen, Muschelschalen oder Zahnschmelz – Lebewesen bilden Biominerale in vielfältigen Formen und Zusammensetzungen, deren Schönheit Naturforscher seit langem in ihren Bann zieht. Oft dienen sie, im Tier- sowie im Pflanzenreich, als mechanische Verstärkung, die eine Stütz- oder Schutzfunktion erfüllt. Neben der mechanischen Stabilität nützen Lebewesen weitere physikalische Eigenschaften von Biomineralen. So navigieren magnetotaktische Bakterien mithilfe von speziellen Organellen im Erdmagnetfeld und bei Schlangensternen erfüllen Biominerale auch optische Funktionen. Deren Skelette enthalten z. B. Mikrolinsen aus Calcit, die das Licht auf dem Weg zu speziellen Photorezeptoren bündeln.

Dies sind nur einige Beispiele, die zeigen, wie Minerale durch die richtige Struktur und Anordnung anspruchsvolle Funktionen erfüllen können, auch wenn sie zunächst im Hinblick auf einen bestimmten Zweck ungeeignet erschei-nen. Forscher untersuchen daher die komplex aufgebauten Strukturen von Biomineralen und versuchen, den Zusammenhang mit den Eigenschaften und Funktionen zu verstehen. Die so gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen Konzepte für neue biologisch inspirierte mineralhaltige Verbundwerkstoffe. Insbesondere zeigt die Natur, wie sich besonders steife und gleichzeitig zähe sowie relativ leichte Materialien entwickeln lassen. Mögliche Anwendungsgebiete für derartige Materialien sind breit gefächert und reichen von besonders verschleißfähigen Beschichtungen bis hin zu Konstruktionswerkstoffen für den Brückenbau.

Darüber hinaus zeigt die Biomineralisation völlig neue Wege, um selbst die atomare Struktur von Mineralen rein durch die Wechselwirkung mit organischen Molekülen gezielt zu beeinflussen. So ist es z. B. in Zukunft denkbar, mithilfe organischer Zusätze nicht nur metastabile Mineralphasen herzustellen, sondern sogar die Gitterkonstanten von Mineralen und somit deren optische und elektronische Eigenschaften mittels organischer Einschlüsse einzustellen.

Nicht zuletzt trägt die Forschung an Wachstum, Struktur und Funktion von Biomineralen wesentlich dazu bei, bessere medikamentöse Behandlungen von Krankheiten wie Osteoporose und unterstützende Maßnahmen zur optimalen Ausheilung von Knochenbrüchen zu entwickeln. Es gibt also viele Gründe, warum die Biomineralisation ein interessantes Forschungsgebiet für immer mehr Wissenschaftler, darunter auch viele Materialphysiker, darstellt.

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