08.10.2012

Vielteilchentunnelprozess erstmals exakt beschrieben

Grundlegende Unterschiede zum bereits gut erforschten Tunnelprozess einzelner Teilchen aufgedeckt.

Der Tunneleffekt erlaubt es quantenmechanisch beschriebenen Teilchen, Potentialbarrieren zu überwinden, ohne die dafür notwendige Energie zu besitzen – sie „tunneln“ duch sie hindurch. Ohne dieses Phänomen sind Kernfusion, Kernspaltung und Alphazerfall in der Kernphysik sowie Ionisationsprozesse, Photoassoziation und Photodissoziation in der Biologie und Chemie nicht zu erklären. Diese Prozesse finden jedoch fast ausschließlich in Systemen statt, die aus vielen, miteinander wechselwirkenden Teilchen zusammengesetzt und offen sind. Wie der Mechanismus von Tunnelprozessen in den offenen Raum bei Vielteilchensystemen aussieht, haben Axel Lode, Alexej Streltsov, Kaspar Sakmann und Lorenz Cederbaum vom Physikalich-Chemischen Institut der Universität Heidelberg zusammen mit Ofir Alon von der Universität Haifa untersucht.

Von Bedeutung ist hier vor allem die Frage, inwiefern durch die Wechselwirkung zwischen den Teilchen kooperative Phänomene verursacht werden, die bei einzelnen Teilchen nicht auftreten können. So haben die Wissenschaftler untersucht, wie der Tunnelprozess vieler wechselwirkender, ultrakalter Bosonen, die anfangs ein Bose-Einstein-Kondensat bilden, durch eine Potentialbarriere hindurch in den freien Raum abläuft. Ultrakalte Bosonen bieten sich zum Studium von Vielteilchenprozessen an, weil sich sowohl ihr externes Potential mittels Lasern als auch die Wechselwirkung mittels eines Magnetfeldes experimentell kontrollieren lassen.

Eine der Kernfragen der Arbeit war es, herauszufinden, ob der gesamte Vielteilchentunnelprozess als das Tunneln eines einzigen, effektiven Teilchens beschreibbar ist oder ob dieser Prozess grundlegend anders abläuft. Die Wissenschaftler fanden mit Hilfe exakter numerischer Simulationen heraus, dass sogar schon bei schwacher Wechselwirkung im Vielteilchenprozess kollektive Phänomene auftreten. Dabei handelt es sich um eine Quanteninterferenz gleichzeitig ablaufender Einteilchentunnelprozesse, die von Quellen mit unterschiedlicher Teilchenzahl gespeist werden. Dies zeigt sich durch eine Zunahme der Korrelation zwischen den anfänglich unkorrelierten Teilchen. Somit lässt sich der Vielteilchenprozess nicht als Tunnelvorgang eines einzelnen effektiven Teilchens beschreiben, denn ein effektiver Einteilchenprozess vernachlässigt die auftretenden kollektiven Phänomene und den Aufbau von Korrelationen.

U. HD / OD

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