Virus auf dem Röngten-Seziertisch
Neuartiges Röntgenlaser-Verfahren liefert 3D-Struktur eines intakten Virus bei Raumtemperatur.
Ein internationales Forscherteam hat erstmals mit einem Röntgenlaser die atomgenaue Struktur eines intakten Viruspartikels entschlüsselt. Die verwendete innovative Methode reduziert die für die Analyse nötige Menge an Virusmaterial drastisch und beschleunigt die Untersuchung um ein Vielfaches. Dies eröffne völlig neue Forschungsmöglichkeiten, berichtet das Team unter der Leitung von DESY-
Abb.: Mikroskopaufnahme des mikrostrukturierten Probenträgers, beladen mit Kristallen für die Untersuchung. Jedes Viereck ist ein winziger Kristall. (Bild: P. Roedig, DESY)
In der Strukturbiologie untersuchen Forscher die räumliche Struktur von Biomolekülen, um daraus deren Funktionsweise zu entschlüsseln. Dieses Wissen nützt dem Verständnis fundamentaler biologischer Vorgänge im Organismus wie beispielsweise dem Transport von Material in die und aus der Zelle und kann auch zur Entwicklung neuer Medikamente beitragen: „Die Kenntnis der dreidimensionalen Struktur eines Proteins gibt einzigartige Einblicke in seine biologische Funktion“, erläutert Koautor David Stuart, Life-
Die bei weitem ergiebigste Methode der Strukturbiologie ist die Röntgenkristallographie, mit der bereits tausende Strukturen von Biomolekülen bestimmt worden sind. Hierbei werden kleine Kristalle aus den zu untersuchenden Proteinen gezüchtet und mit hochenergetischem Röntgenlicht beleuchtet. Die Kristalle streuen die Röntgenstrahlung auf charakteristische Weise, sodass sich aus den entstehenden Beugungsmustern die räumliche Struktur des Kristalls – und somit seiner Bestandteile – atomgenau berechnen lässt. Allerdings sind Proteinkristalle nicht so stabil und unempfindlich wie beispielsweise Salzkristalle. Sie sind schwer zu züchten, bleiben oft winzig klein und werden schnell von der energiereichen Röntgenstrahlung beschädigt.
„Röntgenlaser haben einen neuen Zugang zur Protein-
Das Problem bei dieser grundsätzlich sehr erfolgreichen Methode, mit der bereits die Strukturen von mehr als 80 Biomolekülen entschlüsselt worden sind: „Die Trefferquote liegt typischerweise bei unter einem Prozent der Röntgenblitze, womit die meisten der kostbaren Mikrokristalle ungenutzt im Auffangbehälter landen“, sagt Meents vom Hamburger Center for Free-
Um die kostbare Messzeit und das Probenmaterial effizienter einzusetzen, hat das Team um DESY-
Die Forscher testeten ihre Methode mit zwei unterschiedlichen Viren am Röntgenlaser LCLS des US-
„Unseres Wissens ist dies die erste atomgenaue Struktur eines intakten Viruspartikels, die an einem Röntgenlaser bestimmt werden konnte“, betont Meents. „Während frühere Untersuchungen an anderen Röntgenlichtquellen Kristalle mit einem Gesamtvolumen von 3,5 Nanolitern benötigt haben, sind wir mit sehr viel kleineren Kristallen mit einem Gesamtvolumen von 228 Pikolitern ausgekommen. Das ist über zehn Mal weniger.“
Die Untersuchung der Virus-Kristalle erfolgte dabei bei Raumtemperatur. Eine Tiefkühlung, welche in der Röntgenkristallographie normalerweise eingesetzt wird, um Strahlenschäden an den Proteinkristallen zu verringern, ist für die hochempfindlichen Kristalle von Viren oft nicht möglich. Kristalle, die aus einzelnen Virusproteinen bestehen, sind hingegen robuster und können sich gut kühlen lassen. In einem zweiten Test untersuchte das Forscherteam um Meents daher das Virus-
Die Wissenschaftler beluden ihren Chip mit Polyhedrin-
„Unser Ansatz reduziert nicht nur den Bedarf an Messzeit und Probenmenge drastisch, er eröffnet auch die Möglichkeit, Viren mit Röntgenlasern zu analysieren“, fasst Meents zusammen. In einem nächsten Schritt planen die Wissenschaftler, die Kapazität ihres Chips von 22.500 auf rund 200.000 Mikroporen fast zu verzehnfachen und die Scangeschwindigkeit auf bis zu tausend Proben pro Sekunde weiter zu erhöhen. Dies würde es erlauben, die Möglichkeiten des europäischen Röntgenlasers European XFEL besser zu nutzen, der zurzeit in der Region Hamburg in Betrieb geht und bis zu 27.000 Röntgenblitze pro Sekunde erzeugen soll. Außerdem soll bei der nächsten Generation des Chips jeweils nur diejenige Mikropore freiliegen, die gerade untersucht wird, um die übrigen Kristalle vor Schäden durch Streustrahlung des Röntgenlasers zu schützen.
An der Untersuchung waren auch Forscher der Universität Oxford, der Universität von Ostfinnland, des schweizerischen Paul-
DESY / DE