24.10.2012

Volkszählung im Herzen der Milchstraße

Mit Durchmusterungsteleskop VISTA zum vollständigsten Sternkatalog des galaktischen Zentrums.

Ein internationales Astronomenteam hat mit einer gigantischen Aufnahme des VISTA-Infrarotdurchmusterungsteleskops der ESO die zentralen Bereiche unserer Milchstraße erfasst. Die Forscher erzeugten aus dem neun Gigapixel großen Bild einen Katalog, der mehr als 84 Millionen Sterne enthält. Das erfasst mehr als zehn mal so viele Sterne wie alle vorangegangenen Studien und bedeutet für das Verständnis unserer Heimatgalaxie einen gewaltigen Fortschritt.

Abb.: Diese Übersichtsaufnahme der Milchstraße zeigt die enorme Größe der neuen VISTA-Infrarotaufnahme des galaktischen Zentrums (Rechteck), etwa ein Hundertstel des gesamten Himmels. (Bild: ESO / Nick Risinger, skysurvey.org)

Würde man es in der Auflösung ausdrucken, wie sie im Buchdruck üblich ist, wäre es neun Meter lang und sieben Meter hoch. „Untersucht man die Myriaden von Sternen in der Umgebung des galaktischen Zentrums im Detail, dann kann man nicht nur etwas über die Entstehung und Entwicklung unserer Milchstraße lernen, sondern über Spiralgalaxien ganz allgemein”, sagt der Leiter der Studie, der chilenische Astronom Roberto Saito.

Abb.: Vergleich zwischen dem riesigen neuen Infrarot-Mosaik des VISTA-Durchmusterungsteleskops (oben) und einem Mosaik im sichtbaren Licht. Da die VISTA-Kamera für infrarotes Licht empfindlich ist, kann sie einen Blick durch den für Beobachtungen im sichtbaren Licht weitgehend undurchsichtigen Staubschleier werfen und eine große Zahl zusätzlicher Sterne sichtbar machen. (Bild: ESO / VVV Cons. / N. Risinger, skysurvey.org / I. Toledo)

Wie bei den meisten anderen Spiralgalaxien findet sich auch um die zentralen Bereiche unserer Milchstraße herum eine größere Anzahl älterer Sterne. Wie dieser Bulge sich gebildet und entwickelt hat, ist eine der Schlüsselfragen zum Verständnis unserer Heimatagalaxie. Die Suche nach einer Antwort wird dadurch erschwert, dass dieser Bereich der Milchstraße für Beobachtungen im herkömmlichen sichtbaren Licht nicht direkt zugänglich ist. „Beobachtungen des Bulges der Milchstraße sind schwierig, weil zwischen Bulge und Erde dichte Staubwolken liegen, die das sichtbare Licht abschwächen“, erklärt Saitos Kollege Dante Minniti. „Für einen direkten Blick in das Herz unserer Galaxis müssen wir im nahen Infrarot beobachten. Infrarotstrahlung wird von dem kosmischen Staub deutlich weniger stark beeinträchtigt.”

Abb.: In diesem Diagramm sind die Farben von mehr als 84 Millionen Sternen im Zentralbereich der Milchstraße gegen ihre Helligkeiten aufgetragen, das umfangreichste Farben-Helligkeits-Diagramm überhaupt. Helle Sterne liegen oben, blauere Sterne sind auf der linken Seite zu finden. Die meisten Sterne befinden sich in dem Bereich, der zur Farbe Gelb gehört, während die blauen Regionen schwächer besetzt sind. (Bild: ESO / VVV Cons.)

Genau auf solche Aufgaben ist das Visible and Infrared Survey Telescope for Astronomy ausgelegt. Das Astronomenteam verwendete die Daten des „VISTA Variables in the Via Lactea“- Programms und erzeugten daraus ein gigantisches Farbbild mit einer Größe von 108.200 mal 81.500 Pixeln, also eine 9-Gigapixel-Aufnahme. Das Ergebnis ist eines der größten astronomischen Bilder überhaupt. Außerdem haben die Wissenschaftler mit Hilfe dieser Daten den größten Sternkatalog des Zentralbereichs unserer Milchstraße aller Zeiten geschaffen.

Als Teil der Analyse der riesigen Datenmengen trugen die Astronomen die Farben von rund 84 Millionen Sternen gegen die Helligkeit dieser Sterne auf. Diese Grafik, ein sogenanntes Farben-Helligkeits-Diagramm, enthält mehr als zehn mal so viele Datenpunkte wie alle vorangegangenen Studien und beinhaltet erstmals Daten des gesamten Bulges. Solche Farben-Helligkeits-Diagramme helfen den Wissenschaftlern dabei, Eigenschaften von Sternen wie ihre Oberflächentemperaturen oder Massen sowie das Alter der Sterne zu ermitteln. Das neue Farben-Helligkeits-Diagramm des galaktischen Bulges ist eine wahre Fundgrube für Astronomen, die die Struktur und Zusammensetzung unserer Milchstraße erforschen. Eines der ersten Ergebnisse ist beispielsweise die große Anzahl lichtschwacher roter Zwergsterne. Solche Sterne sind ideale Kandidaten für die Suche nach extrasolaren Planeten mit der Transitmethode.

ESON / OD

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