17.01.2013

Volle Kontrolle über Barkhausen

Gezielte Oberflächenbehandlung mit Galliumionen führt zu Kontrolle über die Hystereseeigenschaften dünner magnetischer Filme.

Der Barkhausen-Effekt beruht auf den speziellen Eigenschaften von Ferromagneten. Da dort die Elektronenspins stark aneinander koppeln, entstehen kleine Bereiche, die sogenannten Weissschen Bezirke oder Domänen, in denen der Spin und damit die magnetische Feldrichtung gleichgerichtet sind. Wenn nun ein äußeres Magnetfeld auf diese Domänen einwirkt, klappen sie als ganze um. Der Effekt ist schon mit Schulmitteln darstellbar: Ist ein Ferromagnet von einer Spule umschlungen, die an einen Lautsprecher gekoppelt ist, und bewegt man einen Magneten in seiner Nähe, macht sich dieser Effekt als leises Knacken bemerkbar. Der nach dem Elektrotechnik-Pionier Heinrich Barkhausen benannte Effekt ist prinzipiell stochastischer Natur. Kanadischen Forschern der Universität Alberta ist es nun gelungen, ihn gezielt zu manipulieren.

Abb.: Ein nanomechanisches Silizium-Nitrid-Drehmoment-Magnetometer fixiert eine ferromagnetische Scheibe. Es wird über Laser-Interferometrie ausgelesen. Ein statisches Magnetfeld wirkt entlang der x-Achse. Ein versetztes Wechselfeld entlang der z-Achse treibt die Drehresonanz des Magnetometer-Probenträgers an, wobei die Amplitude proportional zu Magnetisierung ist. (Bild: J. Burgess et al.)

Der Versuchsaufbau bestand aus einer 42 Nanometer dünnen Permalloy-Scheibe mit einem Mikrometer Durchmesser. Dünne magnetische Scheiben eignen sich besonders zum modellhaften Studium des Barkhausen-Effekts, da sie einerseits zweidimensional beschrieben werden können. Außerdem lassen sich auf ihnen beinahe punktförmige magnetische Wirbel, sogenannte Vortices, erzeugen. Deren Durchmesser ist oft auf weniger als zehn Nanometer beschränkt und entspricht praktisch einer nulldimensionalen Domänengrenze. Im Versuch benutzten die Forscher Scheiben mit einzelnen Wirbeln, die sie durch ein statisches externes Magnetfeld auf der Scheibe verschieben konnten.

Die Permalloy-Scheibe befand sich auf einem 100 Nanometer dicken, nanomechanischen Siliziumnitrid-Drehmoment-Magnetometer. Dieses wurde durch ein Wechselfeld zur Oszillation gebracht und die Resonanz bestimmt. Der Betriebsmodus bei dieser nanomechanischen Drehmoment-Magnetometrie war so gewählt, dass die Auslenkung des Probenträgers proportional zur Stärke der Probenmagnetisierung war. Diese Auslenkung ermittelten die Forscher per Laserinterferometrie.

Durch diesen Versuchsaufbau war es den Forschern einerseits möglich, sehr geringe Änderungen der Magnetisierung zu messen, ohne gleichzeitig durch die Messung Einfluss auf die Probe zu nehmen. Wenn das statische Magnetfeld erhöht wurde, bewegte sich der Vortex orthogonal zur Feldrichtung. Die Richtung hing dabei davon ab, in welchem Drehsinn er sich befand. Allerdings sorgte die nicht perfekte Oberfläche dafür, dass der Vortex sich nicht auf einer geraden Linie bewegte, sondern stattdessen zweidimensionale Kurven vollführte. Die Forscher konnten diese Trajektorien durch Anlegen eines weiteren statischen Feldes mit anderer Feldrichtung ebenfalls ausmessen.

Die Forscher verglichen die Magnetisierungswerte bei ansteigender und bei abfallender Feldstärke, um die ferromagnetischen Hystereseeffekte bestimmen zu können. Diese ergeben sich durch bistabile Zustände, deren Energieminimum vom Weg abhängig ist, über den sie erreicht werden.

Abb.: Bei Raumtemperatur ist keine klare Hysterese zu erkennen, bei 77 Kelvin hingegen schon. Bistabile Zustände tauchen auf, während der Vortex zunehmendem (rot) und abnehmendem Feld (blau) über die Scheibe wandert. Der Übersichtlichkeit halber wurde der Verlauf bei Raumtemperatur ein Stück nach unten versetzt (links). Der punktuelle Beschuss mit einfach positiven Galliumionen führt zu Vertiefungen und stört die magnetische Ordnung im dünnen Permalloy-Film, indem einzelne, stark wechselwirkende Fixierungspunkte erzeugt werden. Dies führt zu einer deutlichen Hysterese; hier durch drei unsymmetrisch entlang der x-Achse verteilte Punkte erzeugt. (Bild: J. Burgess et al.)

Bei Raumtemperatur erschienen die Übergänge kontinuierlich und reversibel, da der starke thermische Einfluss die bistabilen Zustände maskierte. Bei 77 Kelvin wiesen die Forscher aber bereits eindeutige Hystereschleifen nach. Diese stammten entweder von bistabilen Zuständen entlang desselben Pfades hin und zurück bei zu- oder abnehmender Feldstärke. Oder sie ergaben sich daraus, dass der Vortex auf verschiedenen Wegen vor- und zurück wanderte. Hierbei vollführte er hin und wieder Sprünge, was durch die ferromagnetischen Domänen bedingt war. Beide Arten von Hysterese konnten die Forscher beobachten, wobei die Pfade teilweise komplexen Mustern folgten.

Dank des genauen Verständnisses der Vortexdynamik konnten die Forscher dann dazu übergehen, die magnetischen Eigenschaften der Permalloy-Scheibe gezielt zu manipulieren. Von kontrolliert beeinflussten ferromagnetischen Oberflächen erhoffen sich Physiker und Ingenieure Fortschritte beim Bau von Spintronik-Speichern und magnetisch-logischen Geräten.

Hierzu beschossen sie die Permalloy-Scheibe mit einem sehr schwachen Galliumionen-Strahl von nur rund 70.000 Ionen und erzeugten so kleine, punktförmige Vertiefungen. Eine wählten sie rund 110 Nanometer neben der Scheibenmitte, die anderen beiden auf der gegenüberliegenden Seite, und zwar mit rund 200 sowie 280 Nanometer Abstand. Aufgrund der asymmetrischen Anordnung konnten sie auch die Chiralität des Vortex ermitteln.

Die Hysterese-Kurven traten bei den behandelten Oberflächen sehr viel stärker hervor als bei den unbehandelten. Schon bei Raumtemperatur machten sich die Eingangs- und Austrittspunkte der erzeugten Vertiefungen deutlich bemerkbar. Der Effekt der Vertiefungen entsprach einer vollständigen Unterdrückung der Magnetisierung in einem Zylinder mit sechs Nanometern Radius, der sich durch die gesamte Höhe der Scheibe zog. Die Galliumionen scheinen also die magnetische Wechselwirkung effektiv zu unterbinden. Auch bei einem weiteren Kontrollversuch mit nur zwei durch Ionenbeschuss erzeugten Vertiefungen konnten die Forscher starke Hystereseeffekte beobachten.

Mögliche Anwendungen einer solchen Magnetfeld-Kontrolle sehen die Forscher einerseits in Geräten, die sich Spin-Transfer zunutze machen, andererseits in integrierten magneto-mechanischen Speichern bis hin zu Quantenapparaturen, die auf dem Tunneln der Magnetisierung basieren. Sie betrachten insbesondere die Ionenstrahl-Manipulation als viel versprechende Methode, um künftig weitere Fortschritte in nanomagnetischen Anwendungen zu erzielen.

Dirk Eidemüller

OD

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