01.06.2017

Volle Kontrolle über Röntgenblitze

Attosekunden-präzise Phasenkontrolle von Pulsen an Freie-Elektronen-Lasern sorgt für höchste Auflösungen.

Mit einem raffinierten Spiegel können Wissenschaftler die Phase von DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH auf wenige Attosekunden genau kontrollieren. Der Erfolg ermögliche neuartige Untersuchungen der Wechsel­wirkung von Licht und Materie, wie das Team um DESY-Forscher Tim Laarmann in einer neuen Studie berichtet. Phasen­empfindliche Messungen, die für detaillierte Einblicke in die Wechselwirkung von Licht und Materie von großer Bedeutung sind, erfordern Lichtpulse mit kontrollierter Phase. In der konventionellen Optik ist die Phasen­kontrolle zwar seit langem eine etablierte Technik, die weiche Röntgen­strahlung von FLASH schwingt jedoch hundertmal schneller als sichtbares Licht, was auch eine hundertmal genauere Präzision nötig macht.

Abb.: Die lamellenartig aufgebaute Spiegeloptik teilt einen Röntgenpuls in zwei Teile. Der Teil, der von den tiefer gelegenen Lamellen reflektiert wird, muss dabei einen längeren Weg zurücklegen und lässt sich auf diese Weise verzögern. (Bild: S. Usenko, DESY)

Die Wissenschaftler haben jetzt erfolgreich eine Phasen­kontrolle sowie eine inter­ferometrische Auto­korrelations­messung an FLASH demonstriert, indem sie mit einem zweigeteilten Spezial­spiegel einen Röntgenpuls in zwei parallele Teil­strahlen aufgespalten haben, die sich gezielt gegeneinander verzögern lassen. Dieser Transfer eines wichtigen optischen Verfahrens zu kurzen Wellenlängen ebnet den Weg zur Nutzung hoch­entwickelter nicht­linearer Methoden an Freie-Elektronen-Lasern (FEL), die auf dem Prinzip der selbst­verstärkenden spontanen Emission („SASE“) beruhen wie FLASH.

Freie-Elektronen-Laser werden von energiereichen Teilchen­beschleunigern gespeist und erzeugen laser­artige Lichtpulse, indem sie Pakete schneller Elektronen durch eine magnetische Slalom­strecke schlingern lassen. Insbesondere erlaubt der hohe Kohärenzgrad des FEL-Lichts Schlüsselanwendungen wie die serielle Femto­sekunden-Kristallo­graphie, bei der zahlreiche Mikro­kristalle einer Substanz mit Serien ultra­kurzer Röntgen­blitze untersucht werden, um die räumliche Struktur der Kristall­substanz zu bestimmen.

Kohärenz beschreibt die Eigenschaft von Laserlicht, dass alle Licht­wellen im Gleichtakt schwingen. In jüngerer Zeit ist insbesondere die zeitliche Kohärenz, die sogenannte seeded FEL liefern, in den Fokus der Forscher geraten. „Es hat sich gezeigt, dass die volle Kontrolle über die Phase der Lichtwelle eine neue Klasse phasen­empfindlicher Experimente bei kurzen Wellenlängen ermöglicht wie etwa die nichtlineare Wellen­mischung und die ultra­schnelle kohärente Kontrolle“, erläutert Sergey Usenko, der mit dieser Arbeit seinen Doktortitel an der Universität Hamburg erlangt hat. „Diese neuartigen Röntgen­methoden geben der modernen Laser­forschung neue Impulse, um Energie-, Ladungs- und Informations­transport-Phänomene auf der Attosekunden-Zeitskala und der Nanometer-Längenskala in Materie, Materialien und deren Bausteinen zu erkunden.“

Der Schlüssel zum atomistischen Verständnis komplexer Funktionen wie etwa der Entstehung chemischer Bindungen ist die ultra­schnelle Bewegung von Elektronen, die den Gesetzen der Quanten­mechanik gehorchen. „Insbesondere die Information über die Phasen­entwicklung eines Wellenpakets, die Änderungen in der elektronischen und der Kern­struktur beschreibt, ist der Schlüssel zur Kontrolle des Pakets in Raum und Zeit“, betont Laarmann. „In der Optik lässt sich die Information über die Phase einer voranschreitenden Lichtwelle direkt mit inter­ferometrischen Verfahren gewinnen. Im vergangenen Jahrzehnt sind analoge Methoden entwickelt worden, um ähnliche Informationen über die Dynamik ultraschneller Elektronen-Wellenpakete in Atomen, Molekülen, Clustern und Festkörpern zu gewinnen.“

Voraussetzungen für diese Art Experiment, die Laarmanns Forschungs­gruppe am Hamburger Centre for Ultrafast Imaging (CUI) betreibt, sind die Phasen­stabilität der Lichtquelle sowie die Möglichkeit, die Phase der Lichtwelle auf der Atto­sekunden-Zeitskala zu kontrollieren. Die Forscher haben diese Atto­sekunden-Phasen­kontrolle von FEL-Licht nun erreicht, indem sie zwei phasenstabile Teilpulse eines SASE-Pulses hergestellt und deren Interferenz beobachtet haben.

Die Messungen haben an der Monochromator-Experimentier­station PG2 an FLASH stattgefunden. „Wir haben den Ausgangs­spalt mit variabler Breite benutzt, um eine SASE-Mode auszuwählen“, berichtet der Leiter der Station, Günter Brenner von DESY. „Die ausgewählte spektrale Bandbreite ist dabei erheblich kleiner als die Breite individueller Moden.“

„Die Interferometrie mit weicher Röntgenstrahlung erfordert eine Oberflächen­güte und Positions­kontrolle der reflektierenden Optik auf einer Größenordnung unterhalb der Wellenlänge, also mit Nanometer-Präzision“, betont Detlef Kip von der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg, dessen Gruppe die speziellen Spiegel­elemente gefertigt hat. „Krümmungsfehler führen zu einer Verzerrung der Wellenfront des entsprechenden Teilstrahls und reduzieren die gegenseitige Kohärenz der Teilpulse in der Größenordnung einiger Prozent.“

Allerdings ist selbst dieser Wert noch ausreichend, um eine reichhaltige Interferenz-Struktur zu beobachten, wenn der Strahl etwa auf Xenon-Gas fokussiert wird. Die dabei erzeugte räumliche Verteilung der Gasionen hängt von der relativen Phase der um Attosekunden gegeneinander verzögerten Licht­felder ab, also von der Differenz der Lauf­strecken beider Teilpulse, die im Spezialspiegel erzeugt wird. Wie präzise die Phase kontrolliert werden kann, hängt damit davon ab, wie präzise sich die Verzögerung für jedes Pulspaar messen lässt. Im aktuellen Experiment ließ sich die exakte Auto­korrelations­verzögerung bestimmen, indem gleichzeitig die Ober­flächen­topographie der Spiegeleinheit mit Nanometer-Präzision über ein Weißlicht-Vakuum-Interferometer vermessen wurde.

Die Methode ermöglicht kontrastreiche inter­ferometrische Studien direkt in der Zeitdomäne , sogar an nur teilweise kohärenten SASE-Lichtquellen. Die volle Kontrolle über die relative zeitliche Phase in den FEL-Pulskopien erlaubt dabei beispielsweise, Energie- und Ladungs­transport­prozesse in Systemen zunehmender Komplexität mit bislang unerreichter zeitlicher und räumlicher Auflösung zu verfolgen und möglicherweise zu kontrollieren.

DESY / DE

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