06.01.2009

Vollständige Karte der Milchstraße

Forscher der Universitäten Zürich, Bochum und Iowa tilgen die letzten weißen Flecken auf der Karte der Milchstraße


   
Forscher der Universitäten Zürich, Bochum und Iowa tilgen die letzten weißen Flecken auf der Karte der Milchstraße. Ihre neue Karte beschreibt die dreidimensionale Verteilung des Gases in der Milchstraße. Sie zeigt erstmals, wie sich die Spiralarme aus Sternen, Gasnebel und Staubwolken über die ganze Milchstraße verteilen.

Die Milchstraße ist die am genauesten untersuchte Galaxie des Universums. Viele Detailbeobachtungen sind nur in der Milchstraße möglich, weil andere Galaxien für genaue Untersuchungen zu weit entfernt sind. Daher ist unsere Heimatgalaxie auch immer für die Interpretation von Beobachtungen in anderen Galaxien wichtig. Heute wissen die Astronomen, dass die Sterne in der Milchstrasse wie eine Scheibe verteilt sind, die im Zentrum eine balkenförmige Verdickung aufweist. Ausserhalb dieses zentralen Bereichs ordnen sich die Sterne in der Scheibe vorzugsweise entlang von "Spiralarmen" an. Diese machen die typische, aus Bildern bekannte Spiralstruktur von der Milchstraße ähnlichen Galaxien aus.


Abb.: Die Milchstraße gesehen aus der Vogelperspektive. Die Sonne befindet sich am gelben Punkt. Die Spiralarme sind rot eingezeichnet, die Gasverteilung innen ist blau-grün und außen grau-orange markiert. (Bild: Universität Zürich)


Astronomen teilen diese Galaxien in bestimmte Typen ein, wodurch es möglich wird, ähnliche Galaxien statistisch zu untersuchen. Diesen Typ und die genaue Spiralarmstruktur auch für die Milchstraße zu bestimmen, erweist sich jedoch als schwierig. Bestimmungen des Verlaufs der Spiralarme waren bisher immer unvollständig, insbesondere im Zentrum und jenseits davon. Mit einer neuen Methode ist es dem Astrophysiker Peter Englmaier vom Institut für Theoretische Physik der Universität Zürich und seinen Kollegen jetzt gelungen, die letzten weißen Flecken auf der Karte unserer Heimatgalaxie zu beseitigen.

Die neue Karte der Spiralarmstruktur basiert auf einem bereits mehrere Jahre alten Modell aus den Doktorarbeiten von Peter Englmaier, Universität Zürich, und Nicolai Bissantz, Universität Bochum, welches wiederum auf den Infrarotdaten der NASA beruht. "Damals wollten wir vor allem die Existenz des Balkens beweisen und damit die beobachtete Gaskinematik im Zentrum erklären", sagt Peter Englmaier. Schon in diesem frühen Modell gab es jedoch Spiralarme, die von dem Balken in der Scheibe angetrieben wurden. Die Spiralarme können wir nicht direkt sehen, sondern nur indirekt auf ihre Lage schließen, weil die Sonnne sich mit den anderen Sternen innerhalb der Scheibe um das Zentrum bewegt.

Das zwischen den Sternen der Milchstraße verteilte dünne Gas kann mit Radioteleskopen beobachtet werden und die Doppler-Verschiebung des Lichts erlaubt es, die Geschwindigkeit des Gases zu bestimmen. Das Problem ist: Gaswolken aus verschiedener Entfernung tragen zum Signal bei, und es ist im Detail nicht bekannt, wie weit die einzelnen Gaswolken entfernt sind. Nimmt man Kreisbahnen für die Gaswolken an, kann man das Signal in einzelne Wolken zerlegen und einer kinematischen Entfernung zuordnen. Das Problem mit dieser Methode ist jedoch, dass sich das Gas nicht auf Kreisbahnen bewegt, insbesondere nicht in der Nähe des Balkens.

Den Forschern Martin Pohl (Iowa State University), Peter Englmaier und Nicolai Bissantz ist es nun gelungen, das kinematische Modell mit Balken auch für die kinematische Entfernungsbestimmung zu verwenden. Sie konnten mit diesem Modell die Gasverteilung im Zentrum der Milchstraße, wo sich das Schwarze Loch befindet, sehr gut beschreiben und diese Verteilung stimmt mit unabhängigen Arbeiten anderer Wissenschaftler überein. Ausgehend von den Balkenenden zeigt die Karte zwei Spiralarme, die sich kurz vor dem Erreichen der Sonnenbahn in vier Arme aufspalten und sich dann bis zum Rand der Scheibe fortsetzen. Erstmals wurden damit die Spiralarme über die ganze Milchstraße verteilt bestimmt.

Neben den zwei inneren Armen existieren noch zwei schwächer ausgeprägte Arme, die bei ca. 10'000 Lichtjahren Entfernung vom Zentrum enden. Der nähere der zwei Arme ist schon länger bekannt. Er war lange Zeit ein Rätsel, weil seine gemessene Geschwindigkeit große Abweichungen von der Kreisbahnbewegung zeigt. Die Forscher konnten dies nun mit ihrem Modell als Störung der Bahnen durch den Balken erklären. Der von der Erde weiter entfernte und symmetrisch gelegene Arm wurde erst kürzlich in den Gasdaten entdeckt. Die Entdeckung dieses zweiten Arms ist eine große Erleichterung für Peter Englmaier: "Endlich ist damit klar geworden, dass unser Modell im Prinzip korrekt ist und die innere Galaxie ziemlich symmetrisch aufgebaut ist."

Wie Peter Englmaier erklärt, interessieren sich bereits andere Wissenschaftlergruppen für die neue Karte. Eine Gruppe aus Frankreich hofft, mit ihr der Dunklen Materie auf die Spur zu kommen.

Universität Zürich


Weitere Infos:
  • Originalveröffentlichung:
    Pohl M., Englmaier P., Bissantz N., 3D-Distribution of Molecular Gas in the Barred Milky Way, Astrophysical Journal 677, 1, 283-291
    dx.doi.org/10.1086/529004
  • Englmaier P., Pohl M., Bissantz N., The Milky Way Spiral Arm Pattern, in: "Tumbling, Twisting, and Winding Galaxies: Pattern Speeds along the Hubble Sequence", E. M. Corsini and V. P. Debattista (eds.), Memorie della Società Astronomica Italiana, im Druck.

AL

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