Vom Bit zum Trit
Spin-Crossover-Moleküle nutzen drei statt zwei Zustände zur Datenspeicherung.
Speichermedien sind in den letzten Jahren kontinuierlich kleiner geworden und erlauben, mehr Daten auf gleichem Raum zu speichern. Doch die Miniaturisierung der bisher verwendeten Technologie stößt nun auf fundamentale quantenmechanische Grenzen. Ein neuer Ansatz besteht darin, Spin-Crossover-Moleküle als kleinste Speichereinheit zu verwenden. Ähnlich wie in herkömmlichen Festplatten können sie Informationen über ihren magnetischen Zustand speichern. Die Herausforderung besteht darin, diese Moleküle auf Oberflächen anzubringen, ohne ihre Speicherfähigkeit zu zerstören. Das ist nun einem Forschungsteam der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel CAU gelungen. Es brachte nicht nur eine neue Klasse an Spin-Crossover-Molekülen erfolgreich auf einer Oberfläche an, sondern konnte auch bisher als hinderlich angesehene Wechselwirkungen nutzen, um ihre Speicherkapazität zu erhöhen. Die Speicherdichte herkömmlicher Festplatten ließe sich damit theoretisch um mehr als das Hundertfache erhöhen und Datenträger deutlich verkleinern.
Abb.: Die Aufnahmen aus dem Rastertunnelmikroskop zeigen die drei verschiedenen Zustände des Moleküls, die einem trinären Code zur Informationsverschlüsselung entsprechen: Im hohen magnetischen Zustand (li.), im niedrigen magnetischen Zustand mit näher zusammengerückten Atomen (Mi.) und mit ebenfalls niedrigem magnetischen Zustand, aber um 45 Grad gedreht. (Bild: M. Gruber, CAU)
Heute nimmt ein Bit auf der Festplatte nur noch eine Fläche von ungefähr zehn mal zehn Nanometer ein. Für die zunehmende Miniaturisierung von Bauteilen ist das aber immer noch zu groß. „Die Technologie, die derzeit in Festplatten zur Datenspeicherung verwendet wird, trifft bei der Größe eines Bits auf eine quantenmechanisch fundamentale Grenze. Sie kann eine weitere Miniaturisierung aus heutiger Sicht nicht leisten“, sagt Torben Jasper-Tönnies, Doktorand in der Arbeitsgruppe von Richard Berndt am Institut für Experimentelle und Angewandte Physik. Ein Prinzip, das in Zukunft doch noch kleinere Festplatten mit größerer Speicherkapazität ermöglichen könnte, zeigen er und seine Kollegen am Beispiel eines einzelnen Moleküls, mit dem ein Bit gespeichert werden kann. „Unser Molekül ist gerade einmal einen Quadratnanometer groß. Man könnte schon allein dadurch eine hundertmal kleinere Fläche zum Speichern eines Bits verwenden“, berichtet sein Kollege Manuel Gruber. Dies wäre ein weiterer Schritt, um quantenphysikalische Grenzen in der Speichertechnologie zu verschieben.
Das interdisziplinäre Forschungsteam verwendet dazu ein Molekül, das nicht nur zwischen einem hohen und einem niedrigen magnetischen Zustand geschaltet werden kann. Angebracht auf einer speziellen Oberfläche lässt es sich dort außerdem um 45 Grad drehen. „Übertragen auf die Speichertechnologie könnten wir damit Informationen auf drei Zuständen, also 0, 1 und 2, abbilden“, erklärt Jasper-Tönnies. „Als Speichereinheit hätten wir damit kein Bit, sondern ein Trit realisiert.“ Aus dem binären würde also ein „trinärer Code“. Die Herausforderung der Wissenschaftler bestand darin, ein passendes Molekül sowie eine geeignete Oberfläche zu finden und beides mit der richtigen Methode miteinander zu verbinden. „Magnetische Spin-Crossover-Moleküle, sind sehr empfindlich und können leicht zerstört werden. Wir mussten also einen Mittelweg finden, um das Molekül auf der Oberfläche fest anzubringen und gleichzeitig seine Schalteigenschaft zu erhalten“, erklärt Gruber.
Abb.: Die Spitze des Rastertunnelmikroskops (gelb) übernimmt für das auf der Kupfernitridt-Oberfläche (schwarz) angebrachte Molekül die Funktion des Schreib- und Lesekopf einer Festplatte. (Bild: M. Gruber, CAU)
Am Ende gingen ihre Experimente auf: Chemiker aus der Arbeitsgruppe um Felix Tuczek am Institut für Anorganische Chemie stellten ein magnetisches Eisen(III)-Spin-Crossover-Molekül her. Dieses Molekül ließ sich durch Aufdampfen gut mit einer Oberfläche aus Kupfernitrid verbinden. Per Strom lässt es sich nicht nur zwischen verschiedenen Spin-Zuständen, sondern auch zwischen zwei verschiedenen Orientierungen schalten. Die feine Spitze eines Rastertunnelmikroskops übernimmt in ihren Experimenten die Funktion des Schreib- und Lesekopfs in der Festplatte. Mit seiner Hilfe lässt sich das Molekül als Speichermedium nicht nur beschreiben, sondern über Strom auch auslesen.
Die prinzipielle Anwendbarkeit der Moleküle als Datenspeicher wurde mit Hilfe eines eher voluminösen Rastertunnelmikroskops demonstriert. Bevor diese Moleküle wirklich als Datenspeicher für den industriellen Markt eingesetzt werden können, muss weiter geforscht werden, wie die Moleküle in einen kleinen Chip integriert werden können.
CAU Kiel / JOL