25.02.2025

Vom Defekt zum Hightech-Material

Präzision im atomaren Maßstab: Forschungsteam beleuchtet Nanosynthese.

Nanoplättchen aus Cadmiumselenid sind ein erfolgversprechender Ausgangspunkt für die Entwicklung neuartiger elektronischer Materialien. Seit dem Jahrtausendwechsel sind diese winzigen, nur wenige Atomschichten dicken Plättchen für die Forschung weltweit besonders interessant, da sie unter anderem außergewöhnliche optische Eigenschaften haben. Ein Team vom Helmholtz-Zentrum Dresden-Rossendorf, der TU Dresden und dem Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung hat jetzt einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu ihrer gezielten Herstellung gemacht. Die Forscher konnten dabei grundlegende Erkenntnisse über die Wechselwirkung von Struktur und Funktion gewinnen.

Abb.: Ausschnitt der atomaren Struktur eines Cadmiumselenid-Nanopartikels.
Abb.: Ausschnitt der atomaren Struktur eines Cadmiumselenid-Nanopartikels (im Bild links) mit eingebautem Quecksilber-Fremdatom und künstlerische Darstellung eines stark vergrößerten Nanoplättchens mit Quecksilberdefekten an aktiven Ecken (rechts).
Quelle: B. Schröder / HZDR

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Cadmiumnbasierte Nanostrukturen bieten sich beispielsweise für die Entwicklung von zweidimensionalen Materialien an, die im nahen Infrarot spezifische Wechselwirkungen mit Licht eingehen, in dem sie es entweder absorbieren, reflektieren, emittieren oder andere optische Eigenschaften aufweisen. Dieser Spektralbereich ist für zahlreiche Technologien von Interesse. In der medizinischen Diagnostik etwa ermöglichen solche Materialien tiefere Einblicke in Gewebe, da NIR-Licht weniger gestreut wird als sichtbares Licht. In der Kommunikationstechnologie finden NIR-Materialien Anwendung in hocheffizienten Glasfasersystemen, während sie in der Solarenergie potentiell die Effizienz von Photovoltaikzellen steigern können.

„Entscheidend für all diese Anwendungen ist die Fähigkeit, das Material gezielt so zu verändern, dass es die gewünschten optischen und elektronischen Eigenschaften aufweist“, sagt Rico Friedrich vom HZDR und der TU Dresden. „Das war bisher problematisch, denn meist glich die nanochemische Synthesearbeit eher einem Mischen und Ausprobieren“, fügt Alexander Eychmüller von der TU Dresden hinzu. Beide Wissenschaftler haben gemeinsam das kooperative Forschungsprojekt geleitet.

Als besondere Herausforderung gilt dabei, die Anzahl der atomaren Schichten und deren Zusammensetzung in den Nanostrukturen – und damit die Dicke – gezielt zu kontrollieren, ohne dabei ihre Breite und Länge zu verändern. Die Synthese solcher komplexen Nanopartikel ist eine zentrale Herausforderung in der Materialforschung. Hier setzt der Kationenaustausch an, eine Methode, bei der bestimmte Kationen – positiv geladene Ionen – in einem Nanopartikel gezielt durch andere ersetzt werden. „Das Verfahren erlaubt eine präzise Kontrolle der Zusammensetzung und Struktur, sodass sich Partikel mit Eigenschaften herstellen lassen, die durch herkömmliche Synthesemethoden nicht darstellbar wären. Dennoch ist bislang wenig darüber bekannt, wie genau diese Reaktion abläuft und an welchem Punkt sie beginnt“, sagt Eychmüller.

In der aktuellen Arbeit des Teams lag der Fokus auf Nanoplättchen, deren aktive Ecken eine entscheidende Rolle spielen. Diese Ecken sind chemisch besonders reaktiv und ermöglichen die Verknüpfung der Plättchen zu organisierten Strukturen. Um diese Effekte besser zu verstehen, kombinierten die Forschenden ausgefeilte synthetische Verfahren, atomar aufgelöste Elektronenmikroskopie und umfangreiche Computersimulationen.

Aktive Ecken und Defekte in Nanopartikeln sind nicht nur für ihre chemische Reaktivität interessant, sondern auch für ihre optischen und elektronischen Eigenschaften. An diesen Stellen kommt es häufig zu einer Konzentration von Ladungsträgern, die den Ladungsträgertransport und die Lichtabsorption beeinflussen kann. „In Kombination mit der Fähigkeit, einzelne Atome oder Ionen auszutauschen, könnten solche Defekte auch in der Einzelatomkatalyse Anwendung finden. Dabei wird die hohe Reaktivität und Selektivität einzelner Atome genutzt, um chemische Prozesse effizienter zu gestalten“, erläutert Friedrich. Und auch für die NIR-Aktivität von Nanomaterialien ist die genaue Kontrolle solcher Defekte entscheidend. Sie beeinflussen, wie Licht im nahen Infrarot absorbiert, emittiert oder gestreut wird, und bieten somit Ansatzpunkte, um die optischen Eigenschaften gezielt zu optimieren.

Ein weiteres Ergebnis dieser Forschung ist die Möglichkeit, die Nanoplättchen gezielt zu verknüpfen. Durch die aktiven Ecken können die Partikel zu geordneten oder sogar selbstorganisierten Strukturen kombiniert werden. Diese Organisation könnte in zukünftigen Anwendungen genutzt werden, um komplexe Materialien mit integrierten Funktionen zu erzeugen, beispielsweise für NIR-aktive Sensoren oder neuartige elektronische Bauteile. In der Praxis könnten solche Materialien die Effizienz von Sensoren und Solarzellen steigern oder neue Wege in der Datenübertragung ermöglichen. Gleichzeitig liefert die Forschung grundlegende Einblicke, die auch für andere Bereiche der Nanowissenschaft von Bedeutung sind, beispielsweise die Katalyse oder die Entwicklung von Quantenmaterialien.

Die Erkenntnisse des Teams wurden erst durch die Kombination modernster synthetischer, experimenteller und theoretischer Methoden möglich. Die Forscher konnten nicht nur die Struktur der Nanopartikel präzise kontrollieren, sondern auch die Rolle der aktiven Ecken detailliert untersuchen. Experimente zur atomaren Defektverteilung und Analyse der Zusammensetzung wurden mit theoretischen Modellierungen kombiniert, um ein umfassendes Verständnis der Materialeigenschaften zu erhalten.

HZDR / RK

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