Vom Kontakt zur Kooperation
Vor fünfzig Jahren begannen die deutsch-israelischen Wissenschaftsbeziehungen.
Das Verhältnis zwischen Israel und Deutschland war nach dem Zweiten Weltkrieg durch die Gräuel des Holocaust stark belastet. Große Vorbehalte erschwerten eine Annäherung der beiden Länder. Was auf politischer Ebene zunächst nicht gelang, kam jedoch auf wissenschaftlicher Ebene in Gang. Israelische Wissenschaftler wie Gerhard Schmidt und Amos de-Shalit vom Weizmann-Institut in Rehovot suchten ab 1956 den Kontakt zu deutschen Forschern, die im Dritten Reich integer geblieben waren. Der erste Gesprächspartner in Deutschland war der Physiker Wolfgang Gentner, der damals einen Lehrstuhl an der Universität Freiburg inne hatte und Direktor des 1955 gegründeten CERN in Genf war. Dort spürte er deutlich, wie schwer es für deutsche Wissenschaftler war, in der internationalen Gemeinschaft wieder respektiert zu werden.
Die angebahnten persönlichen Kontakte führten schließlich dazu, dass am 1. Dezember 1959 eine Delegation der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) unter Leitung ihres Präsidenten Otto Hahn in Israel landete. Dieser Tag markiert den Beginn der deutsch-israelischen Wissenschaftsbeziehungen. Das 50-jährige Jubiläum wird am 9. Dezember mit einem Empfang beim Bundespräsidenten und einer Feier im Berliner Springer-Haus gewürdigt.
Ziel der deutschen Delegation, zu der neben Hahn auch Gentner und der Biochemiker Feodor Lynen gehörten, war es, an die alten Beziehungen zu jüdischen Wissenschaftlern vor 1933 anzuknüpfen, welche die deutsche Forschung vor der Machtergreifung stark geprägt hatten.
Nicht zuletzt wegen der Vorbehalte von israelischer Seite gegenüber Projekten, an denen auch die deutsche Industrie beteiligt ist, konzentrierte man sich auf Kooperationen in der Grundlagenforschung. Als Partner boten sich daher besonders die Max-Planck-Gesellschaft und das Weizmann-Institut an.
Bevor sich ein regelmäßiger Wissenschaftleraustausch und umfangreichere Kooperationen etablieren konnten, gab es noch zahlreiche Hindernisse zu überwinden. So führten der Eichmann-Prozess und die Verwicklung deutscher Wissenschaftler in ägyptische Raketenprojekte Anfang der 60er-Jahre zu Verstimmungen in Israel. Auch die Frage der Finanzierung gemeinsamer Forschungprojekte war zu klären. Immerhin ließ sich der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer davon überzeugen, dass Deutschland drei Millionen D-Mark Startkapital zur Verfügung stellt. Da die Max-Planck-Gesellschaft Finanzmittel nur für eigene Zwecke verwenden durfte, diente die Minerva GmbH, die von der MPG eigentlich für die Finanzierung zweier Kliniken gegründet worden war, als „Hilfskonstruktion“ und wurde erst später in eine Stiftung umgewandelt. 1964 unterzeichneten das Weizmann-Institut und die MPG den ersten Vertrag über die Förderung gemeinsamer Forschungsprogramme. Im Jahr darauf nahmen Israel und Deutschland diplomatische Beziehungen auf.
In der wissenschaftlichen Kooperation zwischen Israel und Deutschland hat die Minerva-Stiftung die längste Tradition. Sie umfasst drei Programme:
- Forschungsprojekte am Weizmann-Institut,
- Minerva-Forschungszentren in Israel, von denen es mittlerweile über dreißig gibt,
- und ein Stipendienprogramm, das bislang über 800 israelischen und über 900 deutschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern längere Forschungsaufenthalte im anderen Land ermöglicht hat.
Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat all dies bislang mit über 200 Millionen Euro unterstützt. Was einst mit einer Zusammenarbeit in Physik und Chemie begann, umfasst heute auch die Biologie, Geistes- und Wirtschaftswissenschaften. Als weitere Eckpfeiler der deutsch-israelischen Zusammenarbeit sind u. a. Forschungskooperationen zwischen Forschungs- und Wirtschaftsministerien hinzugekommen. „Das Ganze ist eine faszinierende Entwicklung, die so nicht von vorneherein geplant war“, urteilt Dietmar Nickel, der ab 1972 die Auslandsbeziehungen der MPG koordinierte und von 1996 bis 2000 Geschäftsführer der Minerva-Stiftung war. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern, sei mittlerweile selbstverständlich geworden, auch wenn immer die besondere Verpflichtung zu spüren sei.
Alexander Pawlak