27.11.2023

Vom Skyrmion zum Hopfion

Nachweis von 3D-Magnetringen eröffnet eine neue Dimension für Computertechnologien.

Exotische magnetische Strukturen wie Skyrmionen lassen sich leicht innerhalb eines Kristalls bewegen. Diese topo­logischen Teilchen gelten als vielver­sprechende Informations­träger der Zukunft. Wissenschaftler aus Jülich, China und Schweden haben nun erstmals ein verwandtes stabiles nanoskaliges, magnetisches 3D-Objekt in einem Festkörper erzeugt und beobachtet. Die von ihnen entdeckten Hopfionen eröffnen mit ihrer komplexen Struktur und Dreidimen­sionalität einen neuen Forschungs­zweig und könnten sich als wegweisend erweisen für neuartige Datenspeicher und neuromorphe Computer der Zukunft.

Abb.: Eingefärbte Aufnahmen eines Elektronenmikroskops von unterschiedlichen...
Abb.: Eingefärbte Aufnahmen eines Elektronenmikroskops von unterschiedlichen Hopfionen.
Quelle: N. Kiselev, FZJ

Im Gegensatz zu anderen typischen Anregungen, die in magnetischen Systemen auftreten, sind Skyrmionen und Hopfionen aufgrund ihrer topo­logischen Eigenschaften sehr stabil. Sie verhalten sich ähnlich wie gewöhnliche Teilchen, sind räumlich lokalisierbar und können unter dem Einfluss äußerer Kräfte bewegen und miteinander interagieren.Skyrmionen sind zweidimensional. Im Innern eines Kristalls stapeln sie sich zu einer Art Faden übereinander, der sich von einem Ende des Kristalls bis zum anderen zieht. Die nun nachgewiesenen Hopfionen sind dagegen kompakte, drei­dimensionale Gebilde, bei denen sich Skyrmionenfäden zu winzigen Schleifen oder Knoten zusammen­schließen. Obwohl ihre Existenz bereits vor Jahrzehnten vorher­gesagt wurde, konnten sie bis jetzt nur theoretisch behandelt werden.

Die am Forschungs­zentrum Jülich durchgeführten Experimente haben nun erstmals gezeigt, dass Hopfionen tatsächlich in einem magnetischen Material vorkommen und de facto an Skyrmionenfäden gekoppelt sind. Die Hopfionenringe umschließen die Skyrmionenfäden wie ein Ring an einem Finger. Im Ergebnis entsteht so ein äußerst flexibles Gebilde. Entlang der Fäden können sich die Hopfionenringe leicht auf und ab – oder gemeinsam mit diesen in jede räumliche Richtung bewegen, was sie zu vielver­sprechenden Kandidaten für unterschiedlichste zukünftige Computer­technologien macht.

„Dieses Projekt war von Anfang an eine Heraus­forderung. Wir mussten die richtige Größe und Form für die Proben finden, und dann Hunderte von Stunden am Mikroskop verbringen, um verschiedene Ansätze zur Anregung des Systems untersuchen, um die Hopfionenringe tatsächlich zu erzeugen“, erklärt Fengshan Zheng von der South China University of Technology in Guangzhou. Er hat den Großteil der Forschungs­arbeit am Ernst Ruska-Centre for Microscopy and Spectroscopy with Electrons (ER-C) am Forschungs­zentrum Jülich durchgeführt. „Die von uns gefundenen Hopfionenringe sind möglicherweise die komplexeste Struktur, die jemals experimentell in dreidimen­sionalen magnetischen Kristallen beobachtet wurde. Sowohl das physikalische Phänomen selbst als auch die mathematische Eleganz der dahinter­stehenden Theorie sind äußerst faszinierend“, sagt Nikolai Kiselev vom Jülicher Peter Grünberg Institut (PGI-1).

„Es handelt sich hier nicht um einen zufälligen Fund. Wir können Hopfionen nach dem von uns entwickelten Protokoll jederzeit erzeugen. Ich bin überzeugt, dass diese Arbeit neue Möglichkeiten für die Entwicklung zukünftiger Datenspeicher und neuromorpher Computer eröffnet", sagt Stefan Blügel, Direktor des PGI-1, hinzu. „Die Entdeckung von Hopfionen­ringen in magnetischen Materialien ist ein wesentliches Ergebnis des Projekts 3D-MAGiC, für das Stefan Blügel und ich zusammen mit zwei Kollegen im Jahr 2019 einen ERC Synergy Grant vom European Research Council erhalten haben“, sagt Rafal Dunin-Borkowski, Direktor am Ernst Ruska-Centre für Mikroskopie und Spektro­skopie mit Elektronen (ER-C) in Jülich.

Die Existenz von Hopfionen-Ringen ergibt sich aus den Gesetzen der Quantenmechanik und des Elektro­magnetismus. Entsprechende Computer­simulationen bestätigten das beobachtete Phänomen und lieferten den Wissen­schaftlern zudem eine Erklärung dafür, warum sie die Hopfionen-Ringe in dem Probe­material nur in Verbindung mit Skyrmionen-Strängen beobachten konnten. Diese stabilisieren die Hopfionen offenbar und schützen sie vor dem Zusammenbruch. Filipp Rybakov von der Universität Uppsala in Schweden konnte in einer theoretischen Analyse zudem eine Verbindung der beobachteten Phänomene mit der sehr funda­mentalen mathematischen Theorie der Homotopie­gruppen aufzeigen.

Die Hopfionen, die die Forscher in den Experimenten am Forschungs­zentrum Jülich entdeckten, haben einen Durchmesser von weniger als zehn Nanometern. Sie wurden in einem Plättchen nachgewiesen, das eine Kantenlänge von einem Mikrometer aufweist. Das Plättchen wurde aus einem größeren, qualitativ hochwertigen Eisen-Germanium-Einkristall geschnitten, der von Haifeng Du am High Magnetic Field Laboratory in China hergestellt wurde. Solche Kristalle gehören zur Klasse der chiralen Magnete. Die magne­tischen Momente sind darin nicht wie üblich gleichmäßig, sondern entlang einer Achse spiralförmig angeordnet. Die Wissenschaftler gehen aufgrund von Modell­rechnungen davon aus, dass die beobachteten magnetischen 3D-Strukturen nicht nur in Eisen-Germanium, sondern in allen chiralen Magneten auftreten.

FZJ / JOL

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