13.04.2015

Von Molekülen zu OLEDs

Simulationspaket für die Berechnung der Eigen­schaften organi­scher Leucht­dioden kommt aus­schließ­lich mit chemi­scher Zusammen­setzung aus.

Eine von Projektleiter Denis Andrienko geführte Forschungsgruppe am MPI für Polymer­forschung hat Multiskalen-Techniken entwickelt, die es ermöglichen die makroskopischen Eigenschaften organi­scher Leucht­dioden ausgehend von der chemischen Zusammen­setzung vorherzusagen. Die Verbindung zwischen molekularer und makro­skopischer Größenordnung wird durch eine Kombination von „Coarse Graining“ mit einem effizienten Simulations­algorithmus möglich. Pascal Kordt und Jeroen van der Holst haben zusammen mit anderen Entwicklern die Implemen­tierung dieser Ideen ausgeführt. Sie können nun Elektronen- und Exzitonen­bewegung in makroskopisch großen OLED-Schichten simulieren, das sind Schichten von zirka hundert Nanometern.

Abb.: Mögliche Abläufe parameterfreier OLED-Simulationen – polari­sierbare Kraftfelder und die elektronischen Eigenschaften isolierter Moleküle werden mittels Dichte­funktional­theorie berechnet. Damit können amorphe Morphologien simuliert werden und die Ladungs­transfer­raten in kleinen Systemen berechnet werden (mikro­skopisches Modell). Vergröberte Modelle werden parametrisiert, indem makro­skopische Variablen wie Ladungs­mobilität des mikro­skopischen Modells auf das vergröberte (Gitter-)Modell übertragen werden. Die resultie­renden, analytischen Ausdrücke für die Mobilität können dann genutzt werden um Drift-Diffusions-Gleichungen für die komplette OLED zu lösen, nachdem lang­reich­weitige, elektro­statische Effekte und die Elektroden berück­sichtigt wurden. Ein alternativer Weg ist die Entwicklung von nicht Gitter-basierten Modellen, bei denen die Verteilungs­funktionen und Korrela­tionen von Molekül­energien, Transferintegralen und Molekül­positionen reprouziert werden. Die Mastergleichung für dieses Modell kann mittels eines kineti­schen Monte Carlo-Algo­rithmus gelöst werden, sodass man die makro­skopischen Eigen­schaften der OLED als Ergebnis erhält. (; Bild: Wiley-VCH)

Andrienko erklärt den industriellen Nutzen der Software: „Moderne Handys nutzen bereits OLED-(AMOLED)-Displays, OLED-Fernseher kommen auch bereits auf den Markt. Dennoch werden in der Forschung nach neuen Materialen diese oft einfach ‚auspro­biert’. In unserem Ansatz können die Morpho­logie sowie die Ladungs­träger­bewegung darin systematisch vorhergesagt werden, ausgehend nur von der chemischen Struktur­formel. Verglichen zu Experimenten ist so eine direkte Verbindung zwischen Chemie und Morpho­logie möglich.“ Seine Erwartung ist, dass diese computer­basierte Forschung in den kommenden Jahren stark wachsen wird, da sie Firmen viel Geld für die Synthese und Charakte­risierung neuer Materialien sparen kann. Diese Erwartung wird vom Europä­ischen Forschungsrat und dem Bundes­ministerium für Bildung und Forschung geteilt, die das Projekt unter Beteiligung der BASF Ludwigshafen, der Universität Ulm und des Innovation Lab in Heidel­berg finanziell unterstützen.

Abb.: Die Multi­skalen-Simulation von OLEDs ziert den Titel einer AFM-Sonder­ausgabe: die kleine Kugel und der Hinter­grund zeigen die Pixel­struktur eines Samsung Galaxy S5 Handy­displays. Mittlere Kugel: atomis­tische Morpho­logie einer amorphen OLED-Schicht. Große Kugel: Wellen­funk­tion eines ein­zelnen Moleküls. Unten: Energie­land­schaft für Elek­tronen. (Bild: Wiley-VCH)

LEDs dienen als Anzeige in Weckern oder Unter­haltungs­elek­tronik, sie finden Verwen­dung in Taschen­lampen oder in großen Displays, wo winzige rote, grüne und blaue LEDs einen Pixel formen und Mil­lionen von Pixeln ein Bild. In jedem Pixel findet kon­stant die Rekombi­nation von Elek­tronen und Löchern statt, wobei Pho­tonen ent­stehen. In Ab­hängig­keit des verwendeten Materials haben diese verschiedene Wellen­längen, was die Farbe des Lichts bestimmt. Herkömm­liche LEDs bestehen aus anor­gani­schen Materi­alien und zeichnen sich durch lange Halt­bar­keit aus. Die ist bei orga­ni­schen Halb­leitern teil­weise noch ein Problem, die jüngste Ent­wick­lung zeigt jedoch, dass diese andere, vor­teil­hafte Eigen­schaften mit­bringen: extrem hohe Kontrast­raten und die Mög­lich­keit gekurvte oder fle­xible Dis­plays her­zu­stellen.

Die Aufgabe von Computersimulationen ist es, die Suche nach passenden Materialien zu unter­stützen. Selbst mit modernen Super­computern ist es jedoch nicht möglich eine komplette OLED mit den Details aller Atome zu simulieren. Daher werden Multi­skalen­simulationen genutzt: zuerst werden die Eigenschaften eines einzelnen Moleküls auf quanten­mechanischer Ebene berechnet. Anschließend wird ein klassisches Modell des Moleküls parametrisiert, womit sich Systeme mit mehreren tausend Molekülen untersuchen lassen. OLEDs sind jedoch aus Schichten in der Größen­ordnung von hundert Nanometern aufgebaut – aus Millionen von Molekülen. Im Software­paket VOTCA wird ein stochas­tisches Modell genutzt, das die Verteilung relevanter mikro­skopischer Eigen­schaften – etwa den Abstand zwischen Molekülen – nachbildet, und mit dem sich so eine komplette OLED simulieren lässt.

Trotz eines klaren Plans für die Erforschung neuer OLED-Materialien bleibt die Forschung immer spannend, da die Methoden und die Software ständig weiterentwickelt werden.

MPIP / OD

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