Von Molekülen zu OLEDs
Simulationspaket für die Berechnung der Eigenschaften organischer Leuchtdioden kommt ausschließlich mit chemischer Zusammensetzung aus.
Eine von Projektleiter Denis Andrienko geführte Forschungsgruppe am MPI für Polymerforschung hat Multiskalen-Techniken entwickelt, die es ermöglichen die makroskopischen Eigenschaften organischer Leuchtdioden ausgehend von der chemischen Zusammensetzung vorherzusagen. Die Verbindung zwischen molekularer und makroskopischer Größenordnung wird durch eine Kombination von „Coarse Graining“ mit einem effizienten Simulationsalgorithmus möglich. Pascal Kordt und Jeroen van der Holst haben zusammen mit anderen Entwicklern die Implementierung dieser Ideen ausgeführt. Sie können nun Elektronen- und Exzitonenbewegung in makroskopisch großen OLED-Schichten simulieren, das sind Schichten von zirka hundert Nanometern.
Abb.: Mögliche Abläufe parameterfreier OLED-Simulationen – polarisierbare Kraftfelder und die elektronischen Eigenschaften isolierter Moleküle werden mittels Dichtefunktionaltheorie berechnet. Damit können amorphe Morphologien simuliert werden und die Ladungstransferraten in kleinen Systemen berechnet werden (mikroskopisches Modell). Vergröberte Modelle werden parametrisiert, indem makroskopische Variablen wie Ladungsmobilität des mikroskopischen Modells auf das vergröberte (Gitter-)Modell übertragen werden. Die resultierenden, analytischen Ausdrücke für die Mobilität können dann genutzt werden um Drift-Diffusions-Gleichungen für die komplette OLED zu lösen, nachdem langreichweitige, elektrostatische Effekte und die Elektroden berücksichtigt wurden. Ein alternativer Weg ist die Entwicklung von nicht Gitter-basierten Modellen, bei denen die Verteilungsfunktionen und Korrelationen von Molekülenergien, Transferintegralen und Molekülpositionen reprouziert werden. Die Mastergleichung für dieses Modell kann mittels eines kinetischen Monte Carlo-Algorithmus gelöst werden, sodass man die makroskopischen Eigenschaften der OLED als Ergebnis erhält. (; Bild: Wiley-VCH)
Andrienko erklärt den industriellen Nutzen der Software: „Moderne Handys nutzen bereits OLED-(AMOLED)-Displays, OLED-Fernseher kommen auch bereits auf den Markt. Dennoch werden in der Forschung nach neuen Materialen diese oft einfach ‚ausprobiert’. In unserem Ansatz können die Morphologie sowie die Ladungsträgerbewegung darin systematisch vorhergesagt werden, ausgehend nur von der chemischen Strukturformel. Verglichen zu Experimenten ist so eine direkte Verbindung zwischen Chemie und Morphologie möglich.“ Seine Erwartung ist, dass diese computerbasierte Forschung in den kommenden Jahren stark wachsen wird, da sie Firmen viel Geld für die Synthese und Charakterisierung neuer Materialien sparen kann. Diese Erwartung wird vom Europäischen Forschungsrat und dem Bundesministerium für Bildung und Forschung geteilt, die das Projekt unter Beteiligung der BASF Ludwigshafen, der Universität Ulm und des Innovation Lab in Heidelberg finanziell unterstützen.
Abb.: Die Multiskalen-Simulation von OLEDs ziert den Titel einer AFM-Sonderausgabe: die kleine Kugel und der Hintergrund zeigen die Pixelstruktur eines Samsung Galaxy S5 Handydisplays. Mittlere Kugel: atomistische Morphologie einer amorphen OLED-Schicht. Große Kugel: Wellenfunktion eines einzelnen Moleküls. Unten: Energielandschaft für Elektronen. (Bild: Wiley-VCH)
LEDs dienen als Anzeige in Weckern oder Unterhaltungselektronik, sie finden Verwendung in Taschenlampen oder in großen Displays, wo winzige rote, grüne und blaue LEDs einen Pixel formen und Millionen von Pixeln ein Bild. In jedem Pixel findet konstant die Rekombination von Elektronen und Löchern statt, wobei Photonen entstehen. In Abhängigkeit des verwendeten Materials haben diese verschiedene Wellenlängen, was die Farbe des Lichts bestimmt. Herkömmliche LEDs bestehen aus anorganischen Materialien und zeichnen sich durch lange Haltbarkeit aus. Die ist bei organischen Halbleitern teilweise noch ein Problem, die jüngste Entwicklung zeigt jedoch, dass diese andere, vorteilhafte Eigenschaften mitbringen: extrem hohe Kontrastraten und die Möglichkeit gekurvte oder flexible Displays herzustellen.
Die Aufgabe von Computersimulationen ist es, die Suche nach passenden Materialien zu unterstützen. Selbst mit modernen Supercomputern ist es jedoch nicht möglich eine komplette OLED mit den Details aller Atome zu simulieren. Daher werden Multiskalensimulationen genutzt: zuerst werden die Eigenschaften eines einzelnen Moleküls auf quantenmechanischer Ebene berechnet. Anschließend wird ein klassisches Modell des Moleküls parametrisiert, womit sich Systeme mit mehreren tausend Molekülen untersuchen lassen. OLEDs sind jedoch aus Schichten in der Größenordnung von hundert Nanometern aufgebaut – aus Millionen von Molekülen. Im Softwarepaket VOTCA wird ein stochastisches Modell genutzt, das die Verteilung relevanter mikroskopischer Eigenschaften – etwa den Abstand zwischen Molekülen – nachbildet, und mit dem sich so eine komplette OLED simulieren lässt.
Trotz eines klaren Plans für die Erforschung neuer OLED-Materialien bleibt die Forschung immer spannend, da die Methoden und die Software ständig weiterentwickelt werden.
MPIP / OD