Von Niedersachsen bis zum Jupiter
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung an zwei Instrumenten der ESA-Mission JUICE beteiligt.
Zu einer einzigartigen Erkundungstour zum Jupiter und seinen Eismonden soll JUICE, der Jupiter Icy Moon Explorer der europäischen Weltraumagentur ESA, 2022 aufbrechen. Eines der Ziele ist es zu klären, ob tief im Inneren der Jupitermonde Ganymed, Kallisto und Europa flüssiges Wasser − und damit die Grundvoraussetzung für die Entstehung von Leben − verborgen ist. Welche wissenschaftlichen Instrumente an Bord von JUICE die Reise zum Jupiter antreten werden, hat die ESA heute bekannt gegeben. Das Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) ist an zweien von ihnen beteiligt. Unter der Leitung des MPS soll in den nächsten Jahren das Submillimeter Wave Instrument (SWI) entstehen, das im Jupitersystem chemische Verbindungen wie etwa Wasser, Methan und Kohlenstoffoxid aufspüren wird. Zum Teilcheninstrument Particle Environment Package (PEP) wird das MPS ein Elektronenspektrometer beisteuern.
Abb.: Die Aufnahmen der Reiseziele von JUICE, Europa, Ganymed und Kallisto (von links), stammen vom Vorbeiflug der Raumsonde New Horizons am Jupitersystem vor sechs Jahren. (Bild: NASA)
Das Jupitersystem knapp 780 Millionen Kilometer entfernt von der Sonne ist eine eisige, dunkle Welt. Nur vier Prozent des Sonnenlichtes, das auf die Erde trifft, kommt dort an; die Durchschnittstemperatur liegt unter minus 140 Grad Celsius. „Das Jupitersystem bietet zahlreiche Superlative: Jupiter ist nicht nur der größte Planet in unserem Sonnensystem. Er besitzt auch das stärkste Magnetfeld“, beschreibt Dr. Norbert Krupp vom MPS, Mitglied des internationalen Wissenschaftlerteams, das im vergangenen Jahr die Ziele und Aufgaben der Mission JUICE definiert hat, das Reiseziel. 2030 soll die gleichnamige Sonde das Jupitersystem erreichen, um neben dem Gasriesen selbst vor allem Ganymed, Kallisto und Europa, drei seiner 67 Monde, zu erforschen. Anders als der riesige Planet sind diese Monde feste Körper, die ähnlich wie die sonnennahen Planeten Merkur, Venus, Erde und Mars im Inneren in Schichten aufgebaut sein könnten.
„Daten älterer Weltraummissionen und Modellrechnungen deuten zudem darauf hin, dass sich tief unter ihrer äußeren Eisschicht unterirdische Ozeane erstrecken“, so Krupp. JUICE soll unter anderem herausfinden, ob die drei Himmelskörper ähnlich aktiv sind wie beispielsweise der Mond Enceladus im Saturnsystem. Durch Spalten und Ritzen könnte dann Material aus ihrem Inneren an die Oberfläche und in ihre Atmosphären gelangen. Diese „Boten aus der Tiefe“ könnten den Messinstrumenten an Bord der Raumsonde wichtige Informationen liefern – und so einem Blick ins Innere ermöglichen. Eines diese Instrumente wird das Submillimeter Wave Instrument (SWI) sein, das in den nächsten Jahren unter Leitung des MPS entsteht. SWI analysiert die so genannte ferne Infrarotstrahlung, welche Gestein, Eiskrusten und Atmosphären der Monde sowie die Jupiteratmosphäre ins All senden, in zwei Wellenlängenbereichen um 0,5 und 0,25 Millimeter. „In diesem Teil der Infrarotstrahlung hinterlassen viele chemische Verbindungen wie etwa Wasser, Sauerstoff, Kohlenstoffoxid sowie Methan und andere Kohlenwasserstoffe ihre Fingerabdrücke“, so Dr. Paul Hartogh vom MPS, der das internationale SWI-Team leitet.
Abb.: Neben dem Gasriesen Jupiter soll JUICE ab 2030 vor allem die Jupitermonde Ganymed, Kallisto und Europa erforschen. (Bild: ESA / AOES)
„Mit unserer Messmethode wird es erstmals möglich sein, die dreidimensionale Verteilung wichtiger Spurenstoffe in der Jupiteratmosphäre mit hoher räumlicher Auflösung und in einem bisher unzugänglichen Bereich in der Stratosphäre zu erfassen“, ergänzt er. Zudem erlauben die Messungen Rückschlüsse auf Temperaturverteilung und Windgeschwindigkeiten in verschiedenen Höhen. Solche „Wetterdaten“ könnten beispielsweise helfen zu verstehen, wie der riesige Wirbelsturm in der Jupiteratmosphäre, der sogar von der Erde aus mit Amateurteleskopen erkennbar ist, entstanden ist und warum er sich seit hunderten von Jahren kaum verändert hat. Auch welcher Stoff dem Wirbel seine auffällige rote Färbung verleiht, ist bisher unbekannt.
Einen besonders genauen Blick wird SWI auf das Wasser im Jupitersystem werfen. Ziel ist es, das genaue Verhältnis von so genanntem schwerem Wasser, bei dem ein Wasserstoffatom durch ein schweres Wasserstoff-Isotop ersetzt ist, zu „normalem“ Wasser zu bestimmen. Da nach dem heutigen Forschungsstand dieses Verhältnis in unserem Sonnensystem mit zunehmendem Abstand von der Sonne zunehmen sollte, erhoffen sich die Forscher Rückschlüsse auf den Entstehungsort des Wassers im Jupitersystem. Zudem wird SWI erstmals das Vorkommen bestimmter Isotope wie etwa der schweren Sauerstoff-Isotope 17O und 18O, des Stickstoff-Isotops 15N und des Kohlenstoff-Isotops 13C in den Atmosphären des Jupiter und der Monde bestimmen.
Viele dieser Infrarotsignaturen sind aufgrund ihrer geringen Linienbreite allerdings sehr schwer zu detektieren. Die Anforderungen an die spektrale Auflösung von SWI sind deshalb enorm. Um dieses Problem zu lösen, setzen Hartogh und sein Team auf das Heterodyn-Prinzip. Hierbei wird die Frequenz des empfangenen Signals durch Überlagerung ("Mischen") mit einer Referenzwelle in den klassischen Radiobereich verschoben, wo die weitere Signalverarbeitung erfolgt. Auf diese Weise können selbst schmalste spektrale Signaturen aufgelöst werden.
Masse, Geschwindigkeit, Flugrichtung und Ladung der Teilchen in den Atmosphären, Exosphären und Magnetosphären des Gasriesen und seiner Monde soll das Instrument Particle Environment Package (PEP) untersuchen. Dabei ist PEP kein einzelnes Messinstrument, sondern vielmehr ein Paket aus sechs unterschiedlichen Massenspektrometern, die geladene und ungeladene Teilchen charakterisieren sollen. Jedes Teilinstrument ist darauf spezialisiert, Teilchen innerhalb eines bestimmten Masse- und Energiebereichs zu untersuchen.
Abb.: Eine der Aufgaben von JUICE ist es, das komplexe Wechselspiel zwischen der Magnetosphäre des Jupiters (grüne Linien), seinen Monden und einem Torus aus geladenen und ungeladenen Teilchen um den Planeten (gelbe Ringe) zu untersuchen. (Bild: MPS)
Auf Umwegen könnte das Instrument auf diese Weise den entscheidenden Beweis für einen unterirdischen Ozean auf dem Mond Ganymed liefern – und damit maßgeblich zum Erfolg der Mission beitragen. „Wenn es unter der Oberfläche des Ganymed flüssiges Wasser gibt, müsste es sich durch Signaturen in den Magnetfelddaten verraten“, erklärt Krupp, der Mitglied des PEP-Teams ist. Denn die wechselnde magnetische Umgebung am Ganymed würde im Ozean elektrische Ströme induzieren, die ihrerseits Magnetfelder erzeugen. „Die Schwierigkeit besteht darin, den Beitrag dieser Felder zum Gesamtmagnetfeld herauszufiltern“, so Krupp. Dafür müssen die JUICE-Wissenschaftler Ursachen und Quellen aller Komponenten des Feldes zuverlässig bestimmen. PEP wird in der Lage sein, den Einfluss der geladenen Teilchen in der Mondumgebung zu bestimmen – und herauszurechnen. Das MPS wird zu PEP ein Elektronenspektrometer beitragen.
Zudem werden Forscher des MPS an der Auswertung der Daten des Moons and Jupiter Imaging Spectrometer (MAJIS), des Jupiter Magnetometers (J-MAG) und des Ganymede Laser Altimeters (GALA) beteiligt sein. Bei letzterem liegt die Leitung beim DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin, die Adlershofer sind darüber als Co-PI an JANUS beteiligt, dem Jovis, Amorum ac Natorum Undique Scrutator (weiterer Beitrag dazu folgt, Anm. d. Red.).
MPS / OD