21.10.2005

Von Strauß zu Stoiber

Vor genau 50 Jahren wurde der Grundstein für die Forschungs- und Technologiepolitik des Bundes gelegt.


Von Strauß zu Stoiber 

Berlin (dpa) - Es wird ein Geburtstag ohne Blumen und Festreden. Nur ein paar in Bonn verbliebene Beamte wollen an diesem Freitag in der 14. Etage des Bundesforschungsministeriums hoch über dem Rhein nach Dienstschluss ein Fläschchen Sekt öffnen. Vor genau 50 Jahren - am 21. Oktober 1955 - nahm der CSU-Politiker Franz Josef Strauß als erster «Bundesminister für Atomfragen» die Arbeit auf. Das war der Grundstein für 50 Jahre Forschungs- und Technologiepolitik des Bundes und auch die Geburtsstunde des heutigen Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF).

Das Schicksal will es, dass künftig erneut ein Bayer, der designierte Wirtschaftsminister Edmund Stoiber (CSU), die milliardenteuren Investitionen des Bundes in Hochtechnologien steuern soll. Schriftlich haben Union und SPD in ihrem Vorvertrag für eine große Koalition fixiert, dass Stoibers Ministerium künftig für «Wirtschaft und Technologie» zuständig sein soll. Welche wesentlichen Zukunftsbereiche dabei im Einzelnen aus dem Forschungsministerium herausgeschnitten und in das Wirtschaftsessort integriert werden sollen, wurde entgegen anders lautenden Meldungen zwischen den Koalitionspartnern im Detail noch nicht festgelegt.

Stoiber hat dabei vor allem Interesse an Raumfahrt-, Verkehr- und Satelliten-Technik. In Bayern ballen sich einige auf diesem Gebiet spezialisierte High-Tech-Unternehmen, die Stoiber bestens kennt und die schon seit Jahren von den Forschungsgeldern des Bundes kräftig profitieren. Im Gespräch sind weiter die Bereiche Neue Technologien und Kommunikationstechnik - und insbesondere die Nanotechnologie, die mit ihren neuen superfeinen Messverfahren inzwischen als der Schlüssel zu weiteren Entwicklungen in der Gesundheitstechnik, Materialforschung und Computertechnik gilt.

Zusammenaddiert machen diese Förderbereiche knapp 50 Prozent der Bundesforschungsmittel aus, beziehungsweise 24 Prozent des 8,5 Milliarden Euro umfassenden BMBF-Etats. Seit Tagen laufen die Wissenschaftsorganisationen Sturm gegen die geplante Zergliederung.

Die Forschung müsse insgesamt zusammenbleiben, entweder wie bisher im Forschungsministerium oder künftig im Wirtschaftsministerium, sagt Fraunhofer-Präsident Hans-Jörg Bullinger. Jürgen Mlynek, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft und damit Sprecher der 15 größten deutschen Forschungsinstitute, sieht in der «Zersplitterung» eine «Gefährdung der Innovationskraft Deutschlands». Peter Gaehtgens, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, fürchtet durch das «Zerfleddern» eine weitere Zäsur zwischen Großforschung und Hochschulforschung - für die das BMBF weiterhin zuständig sein soll. Dabei wäre doch mehr und nicht weniger Kooperation angesagt.

Der SPD-Forschungspolitiker Jörg Tauss hat wegen der «Zerschlagung» der Forschungspolitik des Bundes wütende Protestbriefe an die Vorsitzenden von SPD, CDU und CSU geschrieben. Die noch amtierende Bundesforschungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) warnt: «Ein willkürliches Auseinanderreißen zusammengehörender Forschungsgebiete wäre für die Zukunft Deutschlands fatal».

Allerdings wird bei der SPD der Streit nicht allein mit Sorge um die Sache sondern auch mit ein wenig Häme beobachtet. Denn überlagert wird das Tauziehen auch von einem unionsinternen Konflikt: Die künftige Bildungs- und Forschungsministerium Annette Schavan (CDU) möchte so viele Zuständigkeiten wie möglich für die Forschung erhalten. Mehrfach hatte sie vor der Wahl betont, dass sie sich als Ministerin in Berlin vor allem auf die Forschungspolitik stürzen wollte - um sich bei der Bildung mit einer «Moderatorenrolle» zwischen Bund und Ländern zu begnügen.

Denn als Landes-Kultusministerin in Baden-Württemberg hatte Schavan jahrelang dem Bund Kompetenzen für die Bildung bestritten. Und so mancher fragt, was für Schavan an Gestaltungsmöglichkeiten übrig bleibt, wenn das Ministerium bei einer Föderalismusreform noch mehr Federn lassen muss und die Kompetenzen für die Hochschulpolitik fast vollends an die Länder gehen. Vor der Wahl hat Schavan sogar einen Teil der 1,1 Milliarden Euro Bafög-Aufwendungen ihres künftigen Ministeriums zur Disposition gestellt, in dem sie die Studienförderung auf ein Mixsystem aus verzinsbaren privaten Bankkrediten, Studiengebühren und Stipendien umstellen wollte.

Karl-Heinz Reith, dpa

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