Vor der Urwolke
Radioaktive Datierung verbessert Rekonstruktion der Vorgeschichte unseres Sonnensystems.
Wie entstanden die Sonne und das Planetensystem? Diese Frage beschäftigt nicht nur Forscher auf der ganzen Welt seit Jahrzehnten. Bisher wissen wir, dass die Sonne vor ungefähr 4,6 Milliarden Jahren aus einer gigantischen interstellaren Wolke aus Gasen und „Staub“ – aus Eispartikeln und schweren Elementen wie Eisen, Gold, Silber, Blei und Platin – entstand. Auch der bisherige und zukünftige Lebenslauf der Sonne lässt sich mit Hilfe der Gesetze der Physik und dem Wissen aus kernphysikalischen Prozessen am Computer simulieren.
Abb.: Künstlerische Darstellung des frühen Sonnensystems (Bild: W. K. Hartmann, Planetary Science Institute)
Ein wichtiges Werkzeug bei der Erforschung der Sonnenentstehung ist die Altersbestimmung mittels Radioaktivität. Wichtig für eine Datierung ist es, radioaktive Isotope zu finden, deren Halbwertszeit in etwa gleich der zu untersuchenden Zeiträume ist. So konnte man bisher das Alter der Erde, die Entwicklung unseres Sonnensystems und das Alter diverser sehr alter Sterne unserer Galaxie bestimmen. Die Wissenschaftler um Kai Zuber nutzen nun das Wissen um den Zerfall von radioaktiven Atomkernen, um genau zu bestimmen, wann die letzten schweren Elemente, wie zum Beispiel Gold, Silber, Platin, Blei und Seltenerd-Elemente, von Sternen an die präsolare Materie abgegeben wurden. „Wir können nun mit Sicherheit sagen, dass das letzte Prozent aus Gold, Silber und Platin rund 100 Millionen Jahre und das letzte Prozent an Blei und Seltenerd-Elementen 30 Millionen Jahre vor der Geburt der Sonne von der Sonnensystem-Materie aufgenommen wurde“, so Kai Zuber. „Wir verwendeten die Daten über schwere radioaktive Kerne, wie zum Beispiel Hafnium, aus Meteoriten, um diesen Zeitpunkt genau zu bestimmen.“
Das Seltenerd-Element Hafnium, das in geringer Konzentration in der kontinentalen Erdkruste zu finden ist, spielt eine wichtige Rolle bei der Datierung des Zeitraums vor der Geburt des Sonnensystems. Hafnium kommt auch in Meteoriten vor, die aus dieser Zeit der Entstehung des Sonnensystems stammen. In diesen Meteoriten befindet sich ein radioaktives Isotop, das Hafnium-182.
„Durch unsere Arbeiten – basierend auf neuen kernphysikalischen Daten und gepaart mit modernen Computersimulationen zur Entwicklung von Sternen – konnten wir zeigen, dass radioaktives Hafnium während der präsolaren Phase anders entstanden ist, als man bisher angenommen hat. So können wir damit auch die zeitlichen Abläufe besser einordnen“, erklärt Kai Zuber. Damit werde eine über Jahrzehnte alte Unstimmigkeit in der Datierung beseitigt. Man wisse nun, so Zuber, dass es nach der letzten Zugabe von schweren Elementen zur Sonnensystem-Materie eine Inkubationszeit gab, in der Sterne, Sonne und Meteoriten gebildet wurden. „Aus unseren neuen Berechnungen geht hervor, dass diese Phase nicht länger als 30 Millionen Jahre gedauert haben kann“, so der Wissenschaftler der TU Dresden.
Ein weiteres Ziel des Forschungsteams ist, andere schwere radioaktive Kerne zu untersuchen, um ein noch detaillierteres Verständnis für die Vorgeschichte des Sonnensystems zu erhalten und damit die Genauigkeit und Präzision der Zeitabläufe zu verbessern.
TU Dresden / DE