17.07.2019

Vulkanüberwachung aus dem All

Ausgeklügelte Sensorik und maschinelles Lernen als Basis eines Warnsystems.

Mehr als die Hälfte der aktiven Vulkane der Erde werden nicht instru­mentell überwacht. So können Ausbrüche auftreten, vor denen man mindestens theoretisch Menschen hätte warnen können, ohne dass ein Alarm ausgelöst wird. In einem ersten und noch frühen Schritt auf dem Weg zu einem Vulkan­warnsystem ist in einem Forschungs­projekt unter der Leitung von Sébastien Valade von der Technischen Universität Berlin und dem Deutschen Geoforschungs­zentrum GFZ in Potsdam eine neue Vulkan­überwachungs­plattform entstanden, die Satelliten­bilder unter anderem mithilfe künstlicher Intel­ligenz analysiert. Durch Tests mit Daten jüngerer Ereignisse zeigten Valade und seine Kollegen, dass ihre Plattform MOUNTS (Monitoring Unrest from Space) mehrere Datensätze mit unter­schiedlichen Arten von Daten für eine umfassende Überwachung von Vulkanen zusammen­führen kann.

Abb.: Inter­ferogramm des Ausbruchs des Ätna im Dezember 2018 in Süditalien,...
Abb.: Inter­ferogramm des Ausbruchs des Ätna im Dezember 2018 in Süditalien, basierend auf Sentinel-1 Satelliten­bildern. Interfero­gramme bilden Bewe­gungen der Erd­oberfläche räumlich ab. (Bild: MOUNTS-System / ESA Sentinel / S. Valade, GFZ)

Von den 1500 aktiven Vulkanen weltweit brechen jedes Jahr bis zu 85 aus. Aufgrund der Kosten und Unwägbarkeiten bei der Wartung von Mess­instrumenten in vulkanischen Umgebungen werden weniger als die Hälfte der aktiven Vulkane mit boden­gestützten Sensoren überwacht und noch weniger gelten als gut überwacht. Vulkane, die als ruhend oder erloschen gelten, werden in der Regel gar nicht instrumentell beobachtet. Sie können aber unerwartet und massiv ausbrechen, wie dies 2008 beim Vulkan Chaitén in Chile der Fall war, der nach 8000 Jahren Inaktivität erwachte. 

Satelliten können entscheidende Daten liefern, wenn die boden­gebundene Überwachung eingeschränkt ist oder ganz fehlt. Konti­nuierliche Langzeit­beobachtungen vom Weltraum aus sind dabei der Schlüssel, um Anzeichen geologischer Unruhe besser zu erkennen. Eruptionen werden oft – wenn auch nicht immer – von Vorläufer­signalen begleitet, die einige Stunden bis zu einigen Jahren dauern können. Diese Signale können Änderungen des seis­mischen Verhaltens, Boden­verformungen, Gasemissionen, ansteigende Temperaturen oder eine Kombination daraus umfassen.

„Mit Ausnahme der Seis­mizität können alle diese Phänomene vom Weltraum aus überwacht werden, indem man verschiedene Wellenlängen im elektro­magnetischen Spektrum nutzt“, sagt Sébastien Valade, Leiter des MOUNTS-Projekts. Es wird von GEO.X, einem 2010 gegründeten Forschungs­netzwerk für Geowissen­schaften in Berlin und Potsdam finanziert und an der TU Berlin und dem GFZ durchgeführt. „Beim MOUNTS-Überwachungs­system nutzen wir unterschiedliche Satelliten­sensoren, um Verän­derungen bei Vulkanen zu erkennen und zu vermessen“, fügt Valade hinzu. „Und wir haben auch seismische Daten aus dem weltweiten Geofon-Netzwerk der GFZ und Daten des United States Geological Survey USGS einbezogen.“

Teil des Projekts war es, zu testen, ob sich künstliche Intelligenz erfolgreich in das Daten­analyse­verfahren integrieren lässt. Die KI-Algorithmen wurden hauptsächlich von Andreas Ley von der TU Berlin entwickelt. Zur automatischen Erkennung großer Deformations­ereignisse verwendete er künstliche neuronale Netze. Die Forscher trainierten sie mit computer­generierten Bildern, die echten Satelliten­bildern nachempfunden waren. Aus dieser großen Anzahl synthetischer Beispiele lernte die Software, größere Deformations­ereignisse in echten, ihr bisher nicht bekannten Satelliten­daten zu erkennen. Dieser Bereich der Daten­wissenschaft wird als maschinelles Lernen bezeichnet. „Für uns war das ein wichtiger Testballon, um zu sehen, wie wir maschinelles Lernen in das System integrieren können“, sagt Ley. „Im Moment löst unser Deformations­detektor nur eine einzige Aufgabe. Unsere Vision ist es, mehrere KI-Tools für unterschiedliche Aufgaben zu integrieren. Da diese Tools in der Regel vom Lernen auf großen Datenmengen profitieren, wollen wir sie konti­nuierlich aus sämtlichen Daten lernen lassen, die das System auf globaler Ebene sammelt.“

Die wichtigsten Heraus­forderungen, mit denen Sébastien Valade und seine Kollegen zu kämpfen hatten, waren das Handling der großen Datenmengen und Fragen der Software-Entwicklung. „Aber diese Probleme sind lösbar“, sagt Valade. „Ich bin davon überzeugt, dass auto­matisierte Überwachungs­systeme mithilfe von KI und Daten aus verschiedenen Quellen wie Fernerkundung und erdgebundenen Sensoren in nicht allzu ferner Zukunft dazu beitragen werden, Menschen zeit­gerechter und verläss­licher zu warnen.“ Die Analyse, die die MOUNTS-Überwachungs­plattform aktuell liefert, ermöglicht bereits ein umfassendes Verständnis verschiedener Prozesse in unter­schiedlichen klimatischen und vulkanischen Umgebungen auf der ganzen Welt: Von der Ausbreitung des Magmas unter der Oberfläche über die Verteilung von vul­kanischem Material während des Ausbruchs bis hin zu den morpho­logischen Verän­derungen der betroffenen Gebiete und der Emission von Gasen in die Atmosphäre.

Die Forscher testeten MOUNTS erfolgreich an Daten aktueller Ereignisse wie dem Ausbruch des Krakatau in Indonesien 2018 oder Ausbrüchen auf Hawaii und in Guatemala. Das System überwacht derzeit 17 Vulkane weltweit, darunter den Popo­catépetl in Mexiko und den Ätna in Italien. Die Website der Plattform ist im Internet frei zugänglich und so konzipiert, dass dank der globalen Abdeckung und des freien Zugangs zu den Daten neue Daten einfach integriert werden können.

GFZ Potsdam / JOL

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