25.06.2024

Wärmespeicher reinigt Grundwasser

Neuartige Pilotanlage in Leipzig weist einen doppelten Nutzen auf.

Thermische Energie in Grundwasser­leitern zu nutzen, kann einen wichtigen Beitrag zum CO2-freien Wärmemanagement leisten. Vor allem oberflächennahe Grundwasser­leiter in Städten und Industrie­arealen sind häufig mit Schadstoffen verunreinigt. Damit können sie nicht ohne weiteres als saisonaler Wärmespeicher genutzt werden. Forschende des Zentrums für Umwelt­forschung in Leipzig (UFZ), der Universität Kiel und der Firma Eneotech haben nun am UFZ-Standort in Leipzig eine Pilotanlage in Betrieb genommen. Sie soll als Wärmetauscher dienen, zugleich Schadstoffe aus dem Grundwasser entfernen – und könnte Blaupause sein für eine CO2-arme, energetische Bewirtschaftung kontaminierter Grundwasser­leiter generell.

Abb.: Teil der Pilotanlage zur Wasser reinigenden Wärmespeicherung in Leipzig.
Abb.: Teil der Pilotanlage zur Wasser reinigenden Wärmespeicherung in Leipzig.
Quelle: A. Künzelmann, UFZ

Grundwasserleiter – Aquifere – sind wichtig, weil sie vielerorts Trink- oder Brauch­wasser liefern. Sie können aber noch eine andere wichtige Aufgabe übernehmen, indem sie als saisonaler Wärmespeicher genutzt werden. Darauf setzen Forschende in Leipzig: Sie nutzen einen bis zu fünf Meter mächtigen Grundwasser­leiter, in dem unter dem UFZ-Gelände in rund zwölf Meter Tiefe das Grundwasser mit einer konstanten Temperatur von vierzehn Grad Celsius und einer Geschwindigkeit von etwa einem Meter pro Tag durch den sandigen Kies strömt. „Wenn man dem Grundwasser­leiter im Sommer das Wasser entnimmt, und ihm über Wärmetauscher die Kälte entzieht, kann man damit Gebäude kühlen und das erwärmte Wasser zurück in den Untergrund pumpen. Fördert man nun das eingespeiste erwärmte Wasser im Winter aus dem Grundwasser­leiter, lässt sich die gewonnene Wärme zum Heizen von Gebäuden nutzen“, sagt Holger Weiß, der das Forschungs­projekt „Konates“ koordiniert. 

Das Besondere an dem Vorhaben: Die Forschenden wollen mit einer ATES-Anlage (Aquifer Thermal Energy Storage) nicht nur Wärme und Kälte für einen künftigen CO2-freien Wissenschafts­park erzeugen, sondern auch das mit chlorierten Kohlenwasser­stoffen belastete Grundwasser reinigen, eine Altlast, wie sie an vielen Stadt- und Industrie­standorten zu finden ist. Im Wissenschafts­park Leipzig hat das Team um den Geologen Holger Weiß deswegen eine Pilotanlage errichtet. Darin wird das Grundwasser aus dem Aquifer über einen Brunnen nach oben gepumpt und in zwei Container geleitet. Dort wird das Wasser erwärmt und in aufeinander­folgenden Zyklen zurück in den Untergrund gepumpt.  

„Unsere Modellierungen haben ergeben, dass bei den konkreten hydrau­lischen Randbedingungen sogar für den flachen Aquifer eine Wärmerückgewinnung von 25 Prozent möglich ist. Ein höherer Wirkungsgrad ist in der Erprobungs­phase und auf dieser Maßstabs­ebene auch erst mal nicht beabsichtigt“, sagt Holger Weiß. Zum anderen wird in Feldexperimenten untersucht, welche Mikro­organismen bei unter­schiedlichen Temperaturen im Grundwasser vorkommen und ob diese die Schadstoffe im Grundwasser abbauen. 

„Aus früheren Untersuchungen an einem ähnlichen Grundwasserleiter bei Wittstock, dem Testfeld der Uni Kiel, wissen wir zum Beispiel, dass sich die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft zwischen 45 und 60 Grad Celsius Wasser­temperatur drastisch ändert“, berichtet der Forscher. Unklar ist aber, ob die Mikro­organismen, die bei diesen hohen Temperaturen überleben, genau jene chlorierten Kohlenwasser­stoffe abbauen, die den Aquifer im Untergrund des UFZ-Areals belasten. Aus Vorunter­suchungen ist bekannt, dass dort vor allem Mikroorganismen der Gattung Dehalo­coccoides weit verbreitet sind, die chlorhaltige Verbindungen abbauen können. Die Forschenden erwärmen deswegen das entnommene Wasser auf bis zu achtzig Grad Celsius und ermitteln dann, bei welcher Temperatur die Bakterien am effizien­testen Schadstoffe abbauen. 

Untersuchen wird das Forschungs­team auch, welche biogeochemischen Auswirkungen der mikrobielle Abbau auf die technische Ausrüstung hat. So können die Mikro­organismen bei erhöhten Temperaturen Biofilme bilden, die die kleinen Filterschlitze in den Brunnen verstopfen. Zudem kann es zur Korrosion an Anlagenteilen und zu Problemen bei der Behandlung des in Leipzig sehr harten Grundwassers kommen, wenn dort insbesondere Kalk, aber auch Eisen durch die Erwärmung ausfällt. Außerdem werden die Forschenden neue Reinigungs­methoden erproben. Stand der Technik ist bislang, dass die chlorierten Kohlenwasser­stoffe über Aktivkohle absorbiert werden - mit dem Nachteil, dass diese hinterher aufwendig regeneriert oder entsorgt werden muss. Als nach­haltigere Alternative sollen in der Anlage neue, am UFZ entwickelte Zeolith-Adsorber getestet werden. „Diese Filter­materialien können vor Ort regeneriert und dann wieder eingesetzt werden“, sagt Holger Weiß. 

Aus den beiden Containern wird das entnommene und behandelte Grundwasser anschließend über einen zweiten Brunnen zurück in den Aquifer gepumpt. Dort kühlt es sich auf dem weiteren Weg zur UFZ-Grundstückgrenze ab. In einem dritten, abstromig gelegenen Brunnen wird überwacht, dass das Grundwasser beim Verlassen des Geländes den vorgegebenen Temperatur­grenzwert von sechzehn Grad Celsius nicht überschreitet. Insgesamt zwölf auf der Anlage verteilte Messstellen geben zudem Auskunft, wie sich im Grundwasser­leiter die Temperaturen und die Schadstoff­belastung entwickeln und welche Bakterienstämme bei welchen Temperaturen die Schadstoffe abbauen. 

Bis Mitte 2025 haben die Forschenden im Projekt Konates nun Zeit für die Experimente – Zeit, die sie brauchen, um die Leistungs­grenzen der ATES-Pilotanlage zu ermitteln. Anschließend erstellen sie einen Leitfaden mit Empfehlungen, wie sich die saisonale Wärme­speicherung mit Sanierungs­maßnahmen des Grundwassers ideal kombinieren lässt. „Ziel ist, CO2-arme energetische Bewirtschaftungssysteme zunächst für den Wissenschafts­park Leipzig zu entwickeln“, sagt Holger Weiß. Für die Methodik sieht er bundesweit ein großes Potenzial. „In vielen industriellen und urbanen Gegenden finden sich chemische Altlasten wie etwa chlorierte Kohlenwasser­stoffe. Da bei der geothermischen Nutzung kontaminierter Grundwässer diese zu reinigen sind, könnte man mit diesem klimaneutralen Verfahren der Wärme­bewirtschaftung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.“

UFZ / JOL

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