10.03.2005

Wässrige Erinnerung

Die Ausrichtung von Wassermolekülen - z. B. durch eine gelöste Substanz - ist nur von extrem kurzer Dauer.


Wässrige Erinnerung

Die Ausrichtung von Wassermolekülen - z. B. durch eine gelöste Substanz - ist nur von extrem kurzer Dauer.

Toronto (Kanada) - Wasser ist ein einzigartiges Molekül. Kanadische Physiker gingen nun einer ganz besonderen Eigenschaft auf den Grund: dem Gedächtnis des Wassers. Nach einer elektronischen oder optischen Anregung oder einer gelösten Substanz soll die Ausrichtung der Moleküle im verblüffenden Nass für eine gewisse Dauer anhalten. Und zwar unabhängig davon, ob überhaupt noch ein einziges gelöstes Molekül tatsächlich vorhanden ist. Besonders Homöopathen sehen hier eine wissenschaftliche Grundlage für die Wirksamkeit ihrer extrem hoch verdünnten Präparate. Doch schon nach 50 Femtosekunden sei jede eingeprägte Molekülausrichtung verloren, berichten die Forscher in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts "Nature".

"Viele der ungewöhnlichen Eigenschaften von flüssigem Wasser sind verbunden mit der einzigartiges Struktur der Moleküle", erklären R. J. Dwayne Miller und seine Kollegen von der University of Toronto. Besonders die so genannten Wasserstoffbrückenbindungen begründen das eigentümliche Verhalten. Zusammen mit deutschen Kollegen vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie in Berlin regten sie mit 70 Femtosekunden kurzen Laserpulsen Wassermoleküle zu einer Streckschwingung an (Wellenzahl 3350 cm -1). Das führte zu einer inhomogenen Ausrichtung der Wassermoleküle. Doch nach nur 50 Femtosekunden zeigte sich in ihren Spektren, dass über 90 Prozent dieser Inhomogenität verloren war.

Möglich wurden diese Messungen mit einem komplexen optischen Aufbau. Das Verhalten der Streckschwingungen zwischen einer OH-Gruppe und dem zweiten Wasserstoffatom von reinem Wasser konnten sie exakt mit einer winzigen Probenkammer untersuchen, in dem ein nur 500 Nanometer dünner Wasserfilm deponiert wurde. Probe-Photonen, die nach einer ersten Anregung auf diesen Wasserfilm treffen, werden abhängig vom herrschenden Schwingungsverhalten der Moleküle reflektiert. Sind die Pulse dieses Pump-Probe-Experiments kurz genug, erhält man das entsprechende Kurzzeitverhalten der Moleküle. Anregung, Schwingung und Rückgang in den Ausgangszustand können so quasi gefilmt werden.

Librationsbewegung des Wassers. Librationsbewegungen verändern die relative Orientierung der Wassermoleküle zueinander und tragen so zum Verlust des strukturellen Gedächtnisses in der Flüssigkeit bei. Eine Schwingungsperiode der gezeigten Libration dauert ungefähr 40 Femtosekunden. (Quelle: J. Dreyer, MBI, Animation starten)

Auch wenn schon vorherige Studien dem Wasser ein Langzeitgedächtnis absprachen, soll diese Studie abermals deutlich machen, dass eine bleibende Ausrichtung von Wassermolekülen nicht zur Erklärung von homöopathischen Substanzen herangezogen werden kann. Doch erst vor knapp zwei Jahren kam der Schweizer Chemiker Louis Rey gemäß einem Artikel in der Fachzeitschrift Physica A zu einem anderen Ergebnis. Er untersuchte mit der Thermolumineszenz-Methode die chemischen Bindungen in reinem Eis und in Eis, dem Natriumchlorid (Kochsalz) oder Lithiumchlorid zugefügt worden war. Wie erwartet fand Rey im Licht, das vom reinen Eis stammte, ein Signal, das er einer bestimmten Wasserstoffbindung zuordnen konnte. In dem Eis aus der Lithiumchloridlösung fehlte dieser Peak, da Lithiumchlorid die entsprechende Bindung zerstört. Im Natriumchlorideis war er abgeschwächt.

Anschließend wiederholte Rey das Experiment - diesmal aber mit Eis aus Chloridlösungen, die er nach den Regeln der Homöopathie verdünnt hatte. So stark, dass rein rechnerisch auf einen Kubikzentimeter Wasser nur noch ein Milliardstel Trilliardstel Gramm (10 -30 g) des jeweiligen Chlorids kam. Da ein Chloridion aber etwa hundert Millionen Mal schwerer ist, ist in solch einer verdünnten Lösung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit kein einziges Chloridmolekül mehr vorhanden. Trotzdem lieferte das Experiment den charakteristischen Signal-Unterschied zwischen dem reinen Eis und den beiden Eisproben aus den "Chloridlösungen" - obwohl diese "Chloridlösungen" gar keine Chloridionen mehr enthielten. Doch weder mit dem einen noch mit dem anderen Experiment wird die Diskussion um das Gedächtnis des Wassers beendet sein.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:


Weitere Literatur:

  • Eisenberg, D. & Kauzmann,W. The Structure and Properties of Water (Oxford Univ. Press, New York, 1969. 
  • Franks, F. (ed.) Water, a Comprehensive Treatise (Plenum, New York, 1972). 
  • Luzar, A. & Chandler, D. Hydrogen-bond kinetics in liquid water. Nature 379, 55 (1996). 
  • Graener,H., Seifert, G. & Laubereau, A. New spectroscopy of water using tunable picosecond pulses in the infrared. Phys. Rev. Lett. 66, 2092–2095 (1991). 
  • Woutersen, S. & Bakker, H. J. Resonant intermolecular transfer of vibrational energy in liquid water. Nature 402, 507 (1999). 
  • Gale, G. M. et al. Femtosecond dynamics of hydrogen bonds in liquid water: A real-time study. Phys. Rev. Lett. 82, 1068

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