07.10.2005

Wandernde Wasserstoff-Ionen

Berliner Forscher haben zusammen mit israelischen Kollegen erstmals den sequenziellen Transfer von Protonen experimentell dokumentiert.




Berliner Forscher haben zusammen mit israelischen Kollegen erstmals den sequenziellen Transfer von Protonen experimentell dokumentiert.

Wissenschaftler um Erik Nibbering vom Max-Born-Institut für Nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie (MBI) haben erstmals die Bewegung von Wasserstoff-Ionen (Protonen, auch H +) dokumentiert. Bislang hat es dazu nur theoretische Überlegungen und Modellrechnungen gegeben. Dem internationalen Forscherteam gelang damit ein Einblick in fundamentale Prozesse der Natur, dazu gehören die Säure-Base-Neutralisierung sowie die Protonenübertragung durch Wasser und durch Biomembranen. Die Beobachtungen könnten auch für technologische Anwendungen - etwa Brennstoffzellen - wichtig werden. Die Wissenschaftler berichten darüber in der aktuellen Ausgabe des Fachjournals Science.

Dem Team gehörten Nibberings Mitarbeiter Omar F. Mohammed, Doktorand aus Ägypten, und der Theoretiker Jens Dreyer sowie Kollegen um Ehud Pines von der israelischen Ben Gurion University of the Negev an.

Der Protonentransfer ist zum Beispiel einer der Mechanismen, der uns vor der schädigenden Wirkung des Sonnenlichts schützt. Trifft UV-Strahlung auf unsere Haut, dann muss deren zerstörerische Energie in den Zellen abgeleitet werden. Dieser Energietransfer geschieht durch die Bewegung eines Wasserstoff-Ions. Lange Zeit war nicht klar, wie der Transfer von Protonen in wässrigen Lösungen vonstatten geht. Denn Protonen bewegen sich im Wasser nicht frei, sondern verbinden sich mit den H 2O -Molekülen über die so genannten Wasserstoffbrücken. Es entsteht Hydronium (H 3O +), aber auch das bleibt nicht allein, sondern bildet Komplexe mit benachbarten Wassermolekülen. Diese Komplexe ändern sich kontinuierlich, manche tragen Forscher-Namen, wie das Zundel-Kation (H 5O 2+) und das Eigen-Kation (H 9O 4+).

Den Wissenschaftlern um Erik Nibbering ist es nun gelungen, mit ultrakurzen Laserblitzen Schnappschüsse der Protonenbewegung zu machen. Es zeigte sich, dass die Wasserstoff-Ionen von den Molekülen in der Lösung gewissermaßen durchgereicht werden. Die Forscher führten ihre Messungen in einem Säure-Base-Gemisch in wässriger Lösung durch.

Abb. 1: Der Grotthuss-Mechanismus für den Protonentransfer in Wasser: Blau umrahmt ist ein Hydronium-Ion (H 3O +). Ohne dass sich wirklich etwas bewegt, wandert die positive Ladung über die Moleküle. Es verändern sich nur die Brückenbindungen (dünne schwarze Linien). Das linke Hydronium-Ion lässt sozusagen ein Proton los, das mittlere Wassermolekül fängt es auf und wird selbst zu Hydronium, lässt wieder los, und das rechte Wassermolekül greift zu. (Quelle: MBI)

Wasserstoff-Ionen werden in Wasser sehr effizient durchgeleitet. Erste theoretische Überlegungen zu diesem Vorgang stellte vor genau 200 Jahren bereits der deutsch-baltische Gelehrte Theodor von Grotthuss an, und seit genau 100 Jahren sprechen die Wissenschaftler vom "Grotthuss-Mechanismus", um das sprunghafte Weiterreichen von Protonen an benachbarte Wassermoleküle an zu deuten (Abb. 1). "Man kann sich das vorstellen wie bei der Verstärkung eines Deichs mit Sandsäcken", sagt Nibbering. Eine Menschenkette reicht die Säcke effizienter und schneller durch, als wenn jeder allein die Säcke zum Deich bringen muss. "Man könnte auch Protonen-Hopping sagen", erläutert Nibbering.

Kurz vor der Jahrtausendwende sind zahlreiche theoretische Verfeinerungen hinzugekommen. So ist beispielsweise aus den detaillierten Berechnungen vom Dominik Marx, Mark Tuckerman und Michele Parrinello klar geworden, dass die Protonenwanderung ermöglicht wird, wenn die benachbarten Wassermoleküle zu gewissen Zeitpunkten Zundel- und zu anderen Zeitpunkten Eigen-Kation-Konfigurationen annehmen.

Aus den Beiträgen des deutschen Chemie-Nobelpreisträgers Manfred Eigen und von Albert Weller Mitte des 20. Jahrhunderts haben Theoretiker abgeleitet, dass der Austausch von Protonen zwischen Säuren und Basen in wässrigen Lösung auf ähnliche Art passieren müsste. Aber erst jetzt folgte die experimentelle Bestätigung des Protonen-Hoppings durch die Arbeit in Science (Abb. 2).

Abb. 2: "Hopping" in dem Protonen-Austausch zwischen der Säure und der Base. (Quelle: MBI)

Ermöglicht hat dies eine Technik, mit der Messungen im Abstand von rund hundertfünfzig Femtosekunden erfolgen. Das ist unvorstellbar schnell. Zum Vergleich: Knipst man einen Laserstrahl an und lässt ihn eine Sekunde leuchten, so ist der Strahl fast auf dem Mond angekommen. Nach 100 Femtosekunden dagegen hat der Laserstrahl eine Länge, die ungefähr dem Durchmesser eines Haares entspricht. Die Wissenschaftler nutzten für ihre Experimente ein Säure-Basen-Gemisch, mit dem sie bereits vor zwei Jahren Studien zum Protonentransfer machten. "Damals konnten wir aber noch nicht die Zwischenschritte sehen, sondern nur Anfang und Ende des Protonentransfers", berichtet Nibbering. Durch eine Veränderung des Säure-Basen-Gemischs gelang es jedoch, die Reaktion so zu verlangsamen, dass nun das Protonen-Hopping über Wassermoleküle dokumentiert werden konnte.

Quelle: idw

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